Elternzeit: Aussparung der Ferien durch Lehrer zulässig?

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 24.06.2019
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht5|28542 Aufrufe

§ 15 BEEG gestattet Arbeitnehmern, insgesamt bis zu drei Jahre Elternzeit zu nehmen. Diese Elternzeit kann, auch anteilig, von jedem Elternteil allein oder von beiden Elternteilen gemeinsam genommen werden (§ 15 Abs. 3 Satz 1 BEEG), sie kann von jedem Elternteil auf bis zu drei Zeitabschnitte verteilt werden (§ 16 Abs. 1 Satz 6 BEEG). Während der Elternzeit kann eine völlige Freistellung, aber auch eine Verringerung der Arbeitszeit nach näherer Maßgabe von § 15 Abs. 5 bis 7 BEEG beansprucht werden.

Die Klägerin ist Lehrerin beim Land Berlin beschäftigt. Sie übt während der Elternzeit eine Teilzeitbeschäftigung (50%) aus. Ihre Elternzeit hat sie so gelegt, dass jeweils die Sommerferien ausgespart werden, während dieser will sie in Vollzeit "arbeiten". Die Senatsverwaltung für Inneres des beklagten Landes hatte schon 1996 zum alten BErzGG verfügt:

Der Erziehungsurlaub kann einem Arbeitnehmer jedoch nicht dergestalt in Teilabschnitten gewährt werden, dass Zeiträume ausgespart werden, in denen der Arbeitnehmer ohnehin nicht arbeiten müsste, insbesondere können zB Lehrkräfte und andere Beschäftigte in Schulen nicht die Ferienzeiträume aussparen.

Dementsprechend forderte das beklagte Land die Klägerin auf, Elternzeit auch während der Sommerferien zu nehmen. Dies lehnte sie ab. Den Konflikt zwischen den Interessen des Steuerzahlers und denjenigen der Lehrerin entschied das ArbG Berlin zugunsten der Letzteren. Die Berufung des beklagten Landes hat das LAG Berlin-Brandenburg zurückgewiesen:

1. Die Inanspruchnahme der Elternzeit nach § 15 Abs. 1, § 16 BEEG ist von keiner Zustimmung des Arbeitgebers abhängig. Für die Inanspruchnahme bedarf es weder einer gesonderten „Freistellung“ durch den Arbeitgeber noch einer sonstigen Willenserklärung des Arbeitgebers; der Arbeitgeber soll die Elternzeit lediglich „bescheinigen“.

2. Der Anspruch auf Elternzeit kann gem. § 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG auch nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder beschränkt werden. Die Vorschriften über die Elternzeit sind zwingendes Gesetzesrecht, von dem weder durch Einzelverträge noch durch Betriebsvereinbarung oder Tarifverträge abgewichen werden kann.

3. Die Vorschrift verbietet nicht nur Vereinbarungen, die den Anspruch auf Elternzeit unmittelbar betreffen, sondern auch solche, die sich auf die arbeitsrechtliche Stellung des Arbeitnehmers vor oder nach der Elternzeit nachteilig auswirken.

4. §§ 15, 16 BEEG sehen keinerlei Beschränkungen dahingehend vor, dass bestimmte Zeiträume bei der Feststellung der Elternzeit nicht ausgespart werden dürfen.

5. Die bloße Hintereinanderschaltung von Schulferien und Elternzeit reicht für die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung der Lage der Elternzeit durch eine Lehrkraft nicht aus.

LAG Berlin-Brandenburg, Urt. vom 15.11.2018 - 14 Sa 654/18, NZA-RR 2019, 127

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5 Kommentare

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Diese Entscheidung halte ich für folgerichtig, schließlich haben auch Eltern außerhalb des Schuldienstes die Möglichkeit Ihren Urlaub zusätzlich zur Elternzeit zu nehmen.

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Das ist nur gerecht. Schließlich benutzen die Länder bei jungen Lehrern das Befristungsrecht, um die Ferien nicht zu bezahlen. Nun schafft es jemand umgekehrt, dass das Land während der Ferien voll bezahlen muss, obwohl derjenige/diejenige den Rest des Schuljahres nicht arbeitet. Tit for tat.

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Naja, einen Unsinn mit einem anderen aufzuwiegen, ist auch nicht gerade ein Optimum an Gerechtigkeit. Das gilt hier noch verstärkt, weil die Nachteile aus der Befristungspraxis nicht unbedingt die treffen, die Vorteile aus der Elternzeit ziehen können. Vielmehr wird diese Regelung dazu anhalten, die Befristungspraxis noch schärfer zu gestalten, um Elternzeit für Ferienzeiten zu verhindern.

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Ob das Urteil korrekt ist, vermag ich nicht zu sagen. Das Ergebnis aber wirkt wenig überzeugend. Da sollte m. E. der Gesetzgeber prüfen, ob die Regelung besser gestaltet werden kann, bevor noch jemand einen Antrag unter Aussparung von Feiertagen, Wochenenden usw. stellt.

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P. S.: Die Gleichsetzung regulären Urlaubs und Ferienzeiten ist m. E. nicht überzeugend. Die Lehrerschaft selbst betont, dass in den Ferien Arbeit zu leisten ist, konkret Vor- und Nachbereitung zu den Unterrichtszeiten. Aber wer gar keinen Unterricht leistet, verwandelt diese eigentlich als (Heim)Arbeitszeit gedachten Ferien in echten Urlaub. Richtig wäre dann eher, die gesetzlichen/tarifvertraglichen sechs Wochen aufzuschlagen, die ggw. mit den Ferien pauschal abgegolten werden.

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Hallo,
interessant wäre ob diese Urteil auch in anderen Bundesländern zählt. für mich interessant Hessen.

Vielen Dank

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