DIN-Norm eingehalten - und trotzdem ein Mangel! (zu OLG Hamm, 14.8.2019, 12 U 73/18, BeckRS 2019, 17929)

von Dr. Michael Selk, veröffentlicht am 19.09.2019
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtBau- und Architektenrecht|7639 Aufrufe

Im privaten Baurecht lernt man schnell, Selbstverständlichkeiten zu schätzen. Sachverständige können sich über die Interpretation von technischen Regeln streiten und zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen gelangen. Indes: letztlich zählt auch hier nur das Ergebnis im bzw. am Gebäude selbst. Der BGH hat immer wieder mit recht einprägsamen, oft kurzen Sätzen diesen langen Diskussionen ein Ende bereitet. Für das Dach gilt: es muss dicht sein (BGH NJW-RR 2000, 465). Und Schimmelpilz an einem Dachstuhl etwa ist nicht erst ein Mangel, wenn es zu Gesundheitsgefahren kommt. Zutreffend führte der VII. Zivilsenat schon 2006 (BGH NZBau 2006, 641) aus: „Das vertraglich geschuldete Werk war ein Dachstuhl ohne Pilzbefall.“ Damit war die in den Vorinstanzen geführte Diskussion zur Frage der Gesundheitsrisiken zu Recht im Keim erstickt.

Nichts anderes gilt für den Keller. Jedenfalls ein Neubaukeller eines Wohnobjekts muss – wie das Dach – dicht sein. Das OLG Hamm führt nun zutreffend aus, dass dies auch dann gelten muss, wenn der Keller theoretisch quasi perfekt, nämlich sogar genau nach den Vorschriften der geltenden DIN-Normen, ausgeführt worden ist, aber dennoch Wasser eindringt.

Im dort zugrundeliegenden Fall hatte die Baufirma eine Kombinationslösung für die Außenwandabdichtung gewählt: nämlich eine Bodenplatte aus wasserundurchlässigem (WU-) Beton sowie eine kunststoffmodifizierte Bitumendickbeschichtung für die Kelleraußenwände. Dieses System war nach der seinerzeit gültigen DIN 18195 Teil 6 zulässig für den seinerzeit noch so genannten Lastfall „aufstauendes Sickerwasser“. Dennoch aber trat kurz nach Einzug der Bauherren Wasser in den Keller ein. Der Bauträger berief sich auf die Vermutungswirkung der DIN-Norm, wonach er mangelfrei gearbeitet habe. Tatsächlich war die Möglichkeit der gewählten Kombination nicht nur 2013, zur Zeit des Einzugs der Bauherren, nach der DIN 18195 Teil 6 zulässig, sondern sogar noch später: diese Variante einer Kellerabdichtung ist mit der Neufassung der Norm und Aufnahme in die DIN 18533 erneut vom Normenausschuss als geeignete Abdichtungsart akzeptiert worden.

Das OLG stellt nun nach Anhörung eines Sachverständigen fest, dass diese verwendete Kombinationslösung nicht ansatzweise den anerkannten Regeln der Technik entspricht – und es insofern auf die Konformität mit der DIN – Norm nicht ankommt. Die Schwäche der Abdichtungsvariante liege im Übergangsbereich, dort, wo die Bitumendickbeschichtung auf die Bodenplatte trifft. Dort nämlich ist die Dickbeschichtung hinterläufig, sie löst sich von der Platte – es kann Wasser eindringen. Der Sachverständige stellte dazu fest, dass seit Beginn seiner Tätigkeit 2003 im Jahre ca. 15-20 Fälle seiner Gutachten zu diesem Ergebnis kamen. Nichts anderes hatte eine Umfrage im Kollegenkreis ergeben. Damit sei die Vermutungswirkung der DIN-Norm widerlegt.

Der Senat untersucht dann noch weiter, ob die sog. Injektionslösung eine geeignete Mängelbeseitigungsmaßnahme darstellt. Auch diese Ausführungen sind für die Praxis hochgradig relevant, da tatsächlich immer wieder Sachverständige unterschiedlicher Meinung sind, ob ein Bauherr diese Maßnahme hinnehmen muss oder nicht. Das OLG Hamm macht nun deutlich, dass das Einbringen einer Gelsubstanz von innen nicht ausreichend ist, um den Mangel zu beheben: denn der Unternehmer müsse den Mangel grundsätzlich nebst seiner Ursache beseitigen, die Beseitigung der Symptome und der Folgen genügt eben nicht. An diesen Kriterien gemessen könnte es zwar sein, dass ein Gelschleier eine Dichtigkeit herbeiführen könne; jedoch könne der kritische Bereich zwischen Bodenplatte und Bitumenabdichtung damit gar nicht erfasst werden. Der Bauträger wurde daher zur Zahlung von Kostenvorschuss in Höhe von knapp 86.000 Euro verurteilt.

Das Urteil des OLG Hamm – die Revision wurde nicht zugelassen – ist für die Praxis von außerordentlicher Bedeutung. Erfreulich klar sind die Ausführungen zur Widerlegbarkeit der Richtigkeit der DIN-Normen. Dies liegt wie hier, wenn die Symptome erheblich und sofort erkennbar sind (Wassereintritt im Keller!), auf der Hand. Dies muss aber auch dann gelten, wenn DIN-Normen offenkundig unter den Fachleuten umstritten sind und sich abweichend davon eine andere Meinung herausgebildet hat. Für die Praxis bedeutet dies, dass Bauherren vor dem Argument, die DIN-Normen seien doch eingehalten, nicht zwingend Angst haben müssen: ein Mangel kann dennoch bestehen. Bauherren sind angehalten, mit guten bzw. erfahrenen Sachverständigen, die öffentlich bestellt und vereidigt für Schäden an Gebäuden sind, sich entsprechend auszutauschen und auch dort eine „herrschende Meinung“ zu ermitteln. Sie müssen sich im Rahmen einer Mängelbeseitigung auch nicht auf „zweitklassige“ Methoden verweisen lassen.

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