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Spanien will kein "Weltgerichtshof" mehr sein

bernd.heintschel-heinegg

2009-05-21 10:07

Nach derzeit geltendem Recht kann die spanische Justiz (wie auch die deutsche Justiz) Völkermord, Folter oder Kriegsverbrechen in der ganzen Welt verfolgen, selbst wenn keine Spanier unter den Opfern sind. Am Nationalen Gerichtshof sind zurzeit 14 Verfahren aus acht Ländern anhängig, die mit Spanien nichts zu tun haben. Dabei geht es unter anderem um Verstöße gegen die Menschenrechte in Tibet, im Gazastreifen, im US-Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba oder in Guatemala. Dies hat der Regierung in Madrid wiederholt diplomatischen Ärger eingebracht.

Spaniens Justiz soll nicht länger uneingeschränkt Menschenrechtsverbrechen in aller Welt verfolgen können. Mit großer Mehrheit sprach sich das Parlament des Landes am Abend des 19.05.2009 dafür aus, über eine Gesetzesänderung die Kompetenzen des Nationalen Gerichtshofes in Madrid zu beschneiden. Dessen Richter sollen Verbrechen in anderen Teilen der Welt künftig nur noch dann verfolgen können, wenn auch Spanier betroffen sind.

Mit 339 zu 8 Stimmen nahmen die Abgeordneten den entsprechenden Reformantrag zu den Kompetenzen des Nationalen Gerichtshofs an. Die sozialistische Regierung und die konservative Opposition hatten sich zuvor auf eine solche Änderung verständigt. «Wir dürfen nicht zum juristischen Weltgendarmen werden», warnte kürzlich Carlos Dívar, Präsident des obersten spanischen Gerichtshofs und des Selbstverwaltungsorgans der Justiz. Am bekanntesten sind die weltweiten Ermittlungen des Richters Baltasar Garzón, der 1998 die Festnahme des inzwischen gestorbenen chilenischen Ex-Diktators Augusto Pinochet in Großbritannien erwirkte und auch gegen die frühere Militärjunta in Argentinien vorging.

All diejenigen Regierungsverantwortungen, die in den letzten Jahren "vorsichtshalber" Spanien gemieden haben, werden diesen Schritt begrüßen. Für die weltweite Durchsetzung des Völkerstrafrechts ist es aber ein ernsthafter Rückschritt. Schade, dass man sich nicht für den "deutschen" Weg entschieden hat: Uneingeschränktes Weltrechtsprinzip als Ausdehnung des Strafanwendungsrechts, § 1 VStGB, mit der prozessualen Möglichkeit nach § 153f StPO das Verfahren einzustellen, wenn die Tat keinen Inlandsbezug aufweist und der Tatortstaat, der Heimatstadt des Täters bzw. des Opfers oder ein internationaler Gerichtshof die Verfolgung übernimmt. Damit ist der Justiz ein flexibles Einstellungsinstrument an die Hand gegeben, das eine Überlastung nationaler Ermittlungsresourcen vermiedet.

 

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