Ganz schön großzügig: Feuerwehrmann rast zur Wache >>> Kein Fahrverbot

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 14.03.2017
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht4|5255 Aufrufe

Der Feuermann hatte es eilig. Nachmittags innerorts mit 39 km/h zu viel. Verantwortungslos. Auch und gerade für einen Feuerwehrmann. Das AG war dennoch angesichts eines "Rettungswillens" milde gestimmt, reduzierte die Geldbuße und sah vom Fahrverbot ab. 

I.
 
Der Betroffene ... ist am ... in ... geboren. Er ist ledig. Von Beruf ist er Kfz-Meister. Der Betroffene ist ehrenamtlich für der Freiwilligen Feuerwehr ... tätig.
 
Der Auszug aus dem Fahreignungsregister vom 21.01.2016 enthält keine Eintragungen.
 
II.
 
Am 06.05.2015 um 14.30 Uhr befuhr der Betroffene mit dem PKW der Marke …, Kennzeichnen ..., die ... in … Offenburg in Richtung ... Ungefähr auf Höhe der ... war zu jener Zeit durch den Angestellten der Stadt Offenburg ... eine Geschwindigkeitsmessstelle eingerichtet. Die Straße auf der die Geschwindigkeitsmessung aufgebaut wurde verläuft gerade. Auf der rechten Seite in Fahrtrichtung befindet sich ein Damm von welchem an mindestens einer Stelle ein Fahrrad-/Fußweg auf die Straße vor der Messstelle führt. Von links münden die ... und die ... in die ... Dem Betroffenen sind als Einheimischer und als eine Person, die sich auch beruflich ständig im Offenburger Straßenverkehr bewegt die dortigen örtlichen Straßenverhältnisse bestens bekannt. Diese Messstelle befindet sich innerhalb der geschlossen Ortschaft, es gilt die allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h. Als Messgerät war eingesetzt das Leivtec XV3. Das Gerät war geeicht und gemäß der Betriebsanleitung des Herstellers sowie der Zulassung der PTB aufgestellt und in Betrieb. Der verantwortliche Angestellte der Stadt war in der Anwendung des Messgerätes geschult. Der Betroffene beachtete die Geschwindigkeitsbegrenzung nicht. Er befuhr die Messstelle mit einer Geschwindigkeit von 89 km/h nach Toleranzabzug von üblicherweise 3 km/h bei einer Geschwindigkeit unter 100 km/h. Er überschritt die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb einer geschlossenen Ortschaft somit um 39 km/h. Der Betroffene fuhr gewollt so schnell, da er sich auf dem Weg zum Feuerwehrhaus befand. Um 14.23 Uhr war bei der Leitstelle Ortenau ein Anruf eingegangen, dass sich eine starke Rauchentwicklung und Brandgeruch hinter der Reha-Werkstatt, ... in Offenburg, zutragen würde. Der Betroffene erhielt hiervon einige Minuten später Kenntnis und machte sich sodann auf den Weg. Er kennzeichnete er sein Fahrzeug mit einen kleinen Schild auf dem Dach als Fahrzeug der Feuerwehr.
 
Durch die Stadt Offenburg erging zunächst ein Bußgeldbescheid gegen den Betroffenen mit einem Fahrverbot für einen Monat, dieser wurde durch den gegenständlichen ersetzt.
 
III.
 
Die getroffenen Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Betroffenen beruhen auf dessen glaubhaften Angaben. Zur Sache hat sich der Betroffene dahingehend geäußert, dass er die Fahrereigenschaft einräume sowie die Überschreitung der Geschwindigkeit. Lichtbilder zu der Örtlichkeit wurden in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen.
 
IV.
 
Der Betroffene war wegen einer vorsätzlichen begangenen Ordnungswidrigkeit des Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gemäß §§ 3 Abs. 3, 49 StVO; 24 StVG zu verurteilen.
 
V.
 
Zur Ahndung des Fehlverhaltens hielt das Gericht eine Geldbuße in Höhe von 80,00 Euro für angemessen. Das Gericht ist hierbei von den Empfehlungen der Bußgeldkatalog-Verordnung zugunsten des Betroffenen abgewichen. Die Bußgeldkatalog-Verordnung sieht hinsichtlich der Geschwindigkeitsüberschreitung eine Regelbuße von 160,00 Euro (vgl. Bkat, Tabelle 1, Lfd. Nr. 11.3.6) sowie ein Fahrverbot von einem Monat vor. Den Anlass dazu, von den Regelsätzen der Bußgeldkatalog-Verordnung abzuweichen, sah das Gericht in der Tatsache, dass sich der Betroffene auf einer Fahrt zum Feuerwehrhaus befand, um von dort an einem Einsatz der Feuerwehr teilzunehmen.
 
Dem Betroffenen, der als Angehöriger einer Freiwilligen Feuerwehr nach Auslösung eines Alarms mit seinem privaten PKW zum Feuerwehrhaus fährt, stehen grundsätzlich die Sonderrechte des § 35 Abs. 1 StVO zu. Diese dürfen aber mangels ausreichender Anzeigemöglichkeiten ihres Gebrauchs nur im Ausnahmefall nach einer auf den Einzelfall bezogenen Abwägung nach Notstandsgesichtspunkten und der gebührenden Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden, wenn dies zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist. Mit einem privaten PKW, der keine Signaleinrichtung wie ein Feuerwehrfahrzeug aufweist, sind daher, soweit es sich um die Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit geht, allenfalls mäßige Geschwindigkeitsüberschreitung ohne Gefährdung oder gar Schädigung anderer Verkehrsteilnehmer statthaft (vgl. OLG Stuttgart vom 26.04.2002, 4 SS 71/2002; AG Gießen, Urteil 29.10.2013-502 Owi 104 Js 20810/13). Sonderrechte durfte der Betroffene in Anspruch nehmen. Er kennzeichnete ein Fahrzeug auch durch einen Hinweis auf dem Dach. Dieser Hinweis entspricht keinesfalls einer Signaleinrichtung eines Feuerwehrfahrzeug oder eines Polizeifahrzeug. Eine maßvolle Geschwindigkeitsübertretung war aufgrund der ihm zustehenden Sonderrechte zulässig.
 
Die Übertretung im vorliegenden Fall erfüllte jedoch nicht das Merkmal „maßvoll“. Das OLG Stuttgart hat eine Geschwindigkeitsüberschreitung innerorts von 28 km/h, bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h, als maßvoll erachtet. Hier wurde die Geschwindigkeit, nach Toleranzabzug, um 39 km/h überschritten und damit fast um das Doppelte der eigentlich zulässigen Geschwindigkeit. Dies ist nicht maßvoll, insbesondere unter dem Gesichtspunkt des stark erhöhten Anhalteweges. Der Betroffene gibt an, nur für eine kurze Strecke diese Geschwindigkeit gefahren zu sein. Die Zeitersparnis, welche er also durch eine Geschwindigkeitsüberschreitung dieser Größenordnung auf kurzer Strecke erreicht, ist gering. Die erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung war somit kein geeignetes Mittel zur Gefahrenabwehr. Sie ist weder dringend dafür geboten, noch wird dabei die öffentliche Sicherheit und Ordnung gebührend berücksichtigt.
 
Die Regelung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit dient auch dem Schutz Dritter. Dieser Schutz darf nicht für den eventuellen Rettungsversuch anderer komplett vernachlässigt werden. Der Betroffene befuhr die Straße zur Tageszeit. Andere Fahrzeuge hätten in die Straße fahren können. Vor allem hätte auch von dem Fahrradweg auf dem Damm Kinder, Spaziergänger oder Fahrradfahrer unerwartet auftauchen können. Es bestand durch die vom Betroffenen gefahrene erhebliche Geschwindigkeit eine hohe abstrakte Gefahr für andere Verkehrsteilnehmende. Unter diesen Gesichtspunkten war eine Überschreitung an sich möglich, jedoch nicht in der vorliegenden Höhe.
 
Der Rettungswille des Betroffenen wurde vom Gericht anerkennend zur Kenntnis genommen. Ein Feuerwehrmann, der in seinem Privatwagen zum Einsatz fährt, hat die schwierige Aufgabe abzuwägen, welche Geschwindigkeit maßvoll ist. Dies hat der Betroffene hier versäumt. Er hätte bei genauer Prüfung erkennen können und müssen, dass die eingesparte Zeit geringfügig ist und eine Überschreitung um 39 km/h (nach Toleranzabzug) nicht rechtfertigt, wobei er, wie festgestellt, bewusst zu schnell gefahren ist. Aufgrund der Tatsache, dass dem Betroffenen Sonderrechte zustehen, war von der Regelbuße abzuweichen. Das Gericht hielt eine Geldbuße in Höhe von 80,00 Euro für ausreichend, aber auch notwendig.

 
 

AG Offenburg Urteil vom 9.5.2016, 3 OWi 205 Js 16295/15

Auf die Entscheidung bin ich ber das Verkehrsrechts Blog gestoßen! 

Wer mehr zu ähnlichen Fällen wissen will, der kann das schön in § 6 meines Buches Fahrverbot in Bußgeldsachen unter dem Punkt "Notstandsähnliche Situationen, Irrtümer pp" nachlesen. Das Buch ist gerade in diesen Tagen in 4. Auflage erschienen.

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4 Kommentare

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"Verantwortungslos"

In einem so schwierigen Fall finde ich es problematisch, darüber aus der Ferne urteilen zu wollen. Vielleicht hat der Fahrer Menschenleben gerettet?

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Die Bewertung "verantwortungslos" finde ich übertrieben und auch ein bißchen voreilig. Es wird im Sachverhalt nicht mitgeteilt, ob evtl. weit und breit kein weiterer Verkehrsteilnehmer, insbesondere kein Radfahrer, unterwegs war. Und wenn ein Feuerwehrmann unterwegs zum Einsatz ist, um damit entweder Leben zu retten oder doch große Schäden zu verhüten, klingt das für mich eher nach einem Rechtfertigungsgrund. Ich persönlich wäre jedenfalls dankbar, wenn sich der Feuerwehrmann auf dem Weg zu meiner Rettung beeilen würde. Ein Systemfehler liegt meines Erachtens darin, dass man den Angehörigen der freiwilligen Feuerwehr nicht erlaubt, zum Einsatz mit Blaulicht und Martinshorn zu fahren. Das würde manches erleichtern.

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Es wäre sicher richtig, für Einsatzfahrten Blaulicht und Martinshorn zu benutzen. Aber grundsätzlich gelten die Verkehrsregeln auch für Fahrzeuge mit diesen Einrichtungen.

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Bedauerlich, das das Gericht -wie leider oftmals in Entscheidungen zu diesem Thema- nicht zwischen Sonderrechten (hier: § 35 Abs. 1 StVO) und der Nutzung von blauem Blinklicht zusammen mit dem Einsatzhorn (§ 38 Abs. 1 StVO) sauber differenziert. Die Nutzung von Sonderrechten erfordert gerade kein blaues Blinklicht und Einsatzhorn, auch keine andere "Anzeigemöglichkeit". Wozu auch, da lediglich der "Sonderechtsinhaber" von den Vorschriften der StVO befreit wird. "Freie Bahn" gibt nur mit Licht und Schall, § 38 StVO. Dann aber mit Hinweis auf die fehlende "Anzeigemöglichkeit" die weder rechtlich noch praktisch benötigt wird, die Sonderrechte einzuschränken, ist sehr merkwürdig.

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