Verbandsfreie Arbeitsniederlegungen? LAG Bremen weist Klagen abgemahnter Mercedes-Mitarbeiter ab

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 12.03.2017
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|3512 Aufrufe

Den Mitarbeitern im Bremer Mercedes-Benz-Werk ging es um eine grundsätzliche Entscheidung: Dürfen Beschäftigte auch ohne Gewerkschaftsaufruf ihre Arbeit niederlegen?

In der Nachtschicht vom 11./12.12.2014 hatten sich 761 Mitarbeiter eines großen deutschen Automobilherstellers zusammengefunden, um gegen eine geplante Fremdvergabe von Logistikdienstleistungen zu protestieren. Sie versammelten sich während der Arbeitszeit; wobei ein Großteil von ihnen auch nach Abschluss der Versammlung die Arbeit bis zum Schichtende nicht wieder aufnahm. Die Arbeitgeberin erteilte den teilnehmenden Mitarbeitern Abmahnungen. 34 der betroffenen Arbeitnehmer klagten daraufhin vor das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven auf Entfernung der ihnen gegenüber ausgesprochenen Abmahnungen aus der Personalakte, jedoch ohne Erfolg. Dabei hatte das ArbG dahinstehen lassen, ob ein Streikrecht auch außerhalb von tariflichen Auseinandersetzungen besteht. Der spontane Zusammenschluss am 11./12.12.2014 sei unabhängig von der Frage, ob lediglich Gewerkschaften und auch diese nur zur Verfolgung eines tariflich regelbaren Ziels zu Streikmaßnahmen aufrufen dürfen, rechtswidrig und weder grundgesetzlich noch durch die Europäische Sozialcharta geschützt gewesen. So sei nicht ersichtlich, dass dem spontanen Zusammenschluss eine ernsthafte Verhandlung über die Fremdvergabe der Logistikdienstleistungen zwischen der Arbeitgeberin und der Versammlungsgruppe vorausgegangen war. Die Versammlung habe auch nicht der Unterstützung von Kollektivverhandlungen anderer Gruppen mit der Arbeitgeberin gedient. Im März 2016 entfernte die Arbeitgeberin die im Zusammenhang mit der Arbeitsniederlegung am 11./12.12.2014 erteilten Abmahnungen aus den Personalakten der an der Arbeitsniederlegung beteiligten Arbeitnehmer. Mit ihrer Anfang Mai 2016 eingegangenen Berufung haben die Kläger im Wesentlichen die Feststellung verlangt, dass sie nicht zur Unterlassung einer Teilnahme an Arbeitsniederlegungen gegen weitere von der Arbeitgeberin geplante Fremdvergaben von Arbeitsleistungen verpflichtet sind.

Das LAG Bremen (9.3.2017- Az.: 2 Sa 67/16; PM vom 9.3.2017) hat die Berufung hingegen zurückgewiesen. Nach Erledigung des ursprünglichen Klagegrundes durch Entfernung der Abmahnungen aus den Personalakten hat das LAG die verbliebenen Feststellungsanträge der Kläger für unzulässig gehalten. Das auf die Gewährung individuellen Rechtsschutzes durch Klärung konkreter subjektiver Rechte und Pflichten ausgerichtete Zivilprozessrecht verwehre den Gerichten die Begutachtung abstrakter Rechtsfragen allein um deren Fortentwicklung willen. Eine Entscheidung über die Vereinbarkeit des durch Richterrecht geprägten deutschen Arbeitskampfrechts mit völkerrechtlichen Vorgaben wie der Europäischen Sozialcharta sei mit dem Urteil daher nicht verbunden. Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Kläger wollen jetzt prüfen, ob sie dagegen eine Nichtzulassungsbeschwerde einlegen.

 

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