PKH: BAG zur fehlenden Mitteilung der Anschriftenänderung

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 20.04.2017

Ausnahmsweise mal ein Beitrag zum Recht der Prozesskostenhilfe: Seit 2014 soll das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei entgegen § 120a Abs. 2 Satz 1 bis 3 ZPO dem Gericht wesentliche Verbesserungen ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder Änderungen ihrer Anschrift absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat (§ 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO). Seitdem verwenden die Gerichte für Arbeitssachen bei der Bewilligung von PKH einen Vordruck, der auszugsweise wie folgt lautet:

Mir ist auch bekannt, dass ich während des Gerichtsverfahrens und innerhalb eines Zeitraums von vier Jahren seit der rechtskräftigen Entscheidung oder der sonstigen Beendigung des Verfahrens verpflichtet bin, dem Gericht wesentliche Verbesserungen meiner wirtschaftlichen Lage oder eine Änderung meiner Anschrift unaufgefordert und unverzüglich mitzuteilen. … Ich weiß, dass die Bewilligung der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe bei einem Verstoß gegen diese Pflicht aufgehoben werden kann, und ich dann die gesamten Kosten nachzahlen muss.

Der Klägerin war für eine Lohnzahlungsklage PKH bewilligt worden. Der Rechtsstreit hat durch ihre Erledigungserklärung sein Ende gefunden. Im Überprüfungsverfahren kam ein an sie gerichtetes Schreiben mit dem postalischen Vermerk "Empfänger unbekannt" wieder zurück. Nachforschungen des Arbeitsgerichts ergaben, dass die Klägerin bereits über ein Jahr zuvor umgezogen war, ohne dies dem Gericht mitzuteilen. Daraufhin hob das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO auf. Auf die vom Sächsischen Landesarbeitsgericht zugelassene Rechtsbeschwerde hat das BAG die Entscheidung der Vorinstanzen kassiert und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen:

"Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts handelt eine Partei, die - wie die Klägerin - Prozesskostenhilfe in Anspruch nimmt, und damit auf Kosten der Allgemeinheit ihren Prozess geführt hat, und die - wie die Klägerin - darüber hinaus auf ihre Mitteilungspflichten nach § 120a Abs. 2 Satz 1 ZPO hingewiesen wurde, nicht schon dann grob nachlässig, wenn sie ihre daraus erwachsenen Verpflichtungen schlicht vergisst oder ihnen schlicht nicht nachkommt. Die schlichte Verletzung der in § 120a Abs. 2 Satz 1 ZPO bestimmten Mitteilungspflichten indiziert noch keine grobe Nachlässigkeit. ... Der Maßstab der groben Nachlässigkeit entspricht dem der groben Fahrlässigkeit. ... Die Entscheidung, ob im Einzelfall von einfacher Fahrlässigkeit oder grober Nachlässigkeit auszugehen ist, erfordert eine Abwägung aller objektiven und subjektiven Umstände. Geht es - wie hier - um die Frage, ob eine Partei ihre Verpflichtung, dem Gericht eine Anschriftenänderung von sich aus unverzüglich mitzuteilen, grob nachlässig oder lediglich leicht fahrlässig verletzt hat, kann vor dem Hintergrund, dass diese Pflicht dazu dient, die jederzeitige Erreichbarkeit der Partei durch das Gericht sicherzustellen, um dieses letztlich in die Lage zu versetzen, ohne weiter gehende aufwendige Ermittlungen ein Verfahren zur Änderung oder Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung zu betreiben, im Rahmen der Abwägung auch von Bedeutung sein, wenn die Partei anderweitige Maßnahmen getroffen hat, um ihre jederzeitige Erreichbarkeit durch das Gericht sicherzustellen. Hierzu hat die Partei, die diesen Umstand berücksichtigt wissen möchte, substanziiert vorzutragen. Ein solcher Vortrag kann auch noch in der Beschwerdeinstanz erfolgen (...)."

BAG, Beschluss vom 29.1.2017 - 9 AZB 46/16, Volltext hier

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