BFH: Vergütung der Schöffen teilweise steuerpflichtig, teilweise nicht steuerbar

von Prof. Dr. Claus Koss, veröffentlicht am 30.04.2017

Gemäß § 15 Justizvergütungs- und-Entschädigungsgesetz (JVEG) erhalten ehrenamtliche Richterinnen und Richter als Entschädigung für ihre Tätigkeit

  1. Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG)
  2. Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG)
  3. Ersatz für sonstige Aufwendungen (§ 7 JVEG)
  4. Entschädigung für Zeitversäumnis (§ 16 JVEG)
  5. Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung (§ 17 JVEG) sowie
  6. Entschädigung für Verdienstausfall (§ 18 JVEG)

Entgegen der Auffassung des veranlagenden Finanzamts sah der BFH in der Entschädigung für Zeitversäumnis nach § 16 JVEG eine nicht steuerbare Einnahme. In der Entschädigung für den Verdienstausfall gemäß § 18 JVEG sahen die Münchner Richter jedoch eine steuerbare Einnahme nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG, wenn diese als Ersatz für entgangene Einnahmen aus einer nichtselbstständigen Tätigkeit gezahlt werden. Diese Einnahmen seien auch nicht nach § 3 Nr. 26a EStG (sog. ‚Übungsleiterfreibetrag‘) steuerfreie Einnahmen, wenn nach § 3 Nr. 12 EStG steuerfreie Aufwandsersatz gezahlt worden ist.

Mit dieser Entscheidung, so der BFH in seiner Presseerklärung (Pressemitteilung Nr. 17/2017 v. 22.03.2017), „wird zukünftig das Engagement der ca. 60000 ehrenamtlichen Richterinnen und Richter in der ordentlichen Gerichtsbarkeit und bei den Fachgerichten steuerrechtlich besser behandelt.“ Zum einen erkennt der BFH an, dass es sich bei dem Aufwendungsersatz nach §§ 5 bis 7 JVEG um steuerfreie Einnahmen nach § 3 Nr. 12 EStG handelt. Auch wird die Entschädigung für Zeitversäumnis nach § 16 JVEG von der Einkommensteuer freigestellt.

Die Entscheidung des BFH ist systematisch richtig. Wenn Ersatz für ansonsten steuerbare Einnahmen geleistet wird, gehört das Substitut ebenfalls zu den steuerbaren Einnahmen (vgl. BFH, a.a.O., Rz. 15f.). In der Konsequenz bedeutet das, dass Schöffen, die Ersatz für verlorene Einkünfte aus selbständiger Arbeit oder Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen, diesen in der entsprechenden Einkunftskategorie der Einkommensteuer unterwerfen müssen.

Offen bleibt in dem Urteil jedoch, ob die an eine bestimmte Einkünftequalifikation anknüpfenden Rechtsfolgen ebenfalls eintreten sollen?

So ist bei der Qualifikation von Einnahmen aus nichtselbstständige Arbeit an den Einbehalt von Lohnsteuer (§ 38 EStG) zu denken. Außerdem entspricht der Begriff des Arbeitsentgelts nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV grundsätzlich den Einnahmen aus nichtselbstständige Arbeit i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG (vgl. Wagner, in: BeckOK SozR (1. März 2017), vor Rz. 1). Konsequent zu Ende gedacht bedeutet dies, dass die Gerichtskassen bei der Auszahlung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter evtl. künftig Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge einbehalten müssten. Denn die Entschädigungen nach JVEG sind in der Sozialversicherungsentgeltverordnung – SvEV nicht ausdrücklich von der Bemessungsgrundlage für die gesetzlichen Sozialversicherungen nicht ausgenommen, wohl aber die Einnahmen nach § 3 Nr. 26 a EStG.

Auch bei der Entschädigung beispielsweise eines Handwerkers als Schöffen (Einkünfte aus Gewerbebetrieb)  heißt das Urteil in der Konsequenz, dass er die Entschädigungszahlungen der Gewerbesteuer unterwerfen muss.

De lege ferenda ist dem Gesetzgeber daher zu empfehlen, die Entschädigungen nach JVEG insgesamt als steuerfreie Einnahme im Sinne des § 3 EStG zu definieren. Denn ansonsten ist das Ehrenamt des Schöffen nur für die attraktiv, die keine Ertragsteuern bezahlen. Wer beispielsweise ein zu versteuerndes Einkommen von mehr als EUR 8.820 (Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 EStG) hat, bezahlt zwischen 15,1% und 42,0% Grenzsteuersatz an Einkommensteuer, zzgl. 5,5% Solidaritätszuschlag, ggfs. zzgl. 8,0%/9,0% Kirchensteuer. Damit verbleiben dem Schöffen von den maximal 24 Euro Entschädigung für Verdienstausfall (§ 18 Satz 1 JVEG) zwischen EUR 19,85 und EUR 12,46 nach Steuern. Selbst bei langwierigen Verfahren mit mehr als 50 Verhandlungstagen bleiben von maximal 61 Euro nur zwischen EUR 50,45 und EUR 31,67.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

2 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Da nun alle §, ausser dem § 17, abgeklärt sind......wie sieht die Steuerpflicht bei "Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung (§ 17 JVEG) " aus?

0

Die vom Verfasser gemeinte Entscheidung BFH, U. v. 31.1.2017 - IX R 10/16 ist hier zu finden. Die Pressemitteilung zur Entscheidung Nr. 17/17 vom 22. März 2017 gibt es hier.

0

Kommentar hinzufügen