Generalanwalt beim EuGH: Deutsche Mitbestimmung mit Unionsrecht vereinbar

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 04.05.2017
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|3803 Aufrufe

Mit Spannung erwartet wird für den Herbst das Urteil des EuGH in Sachen Erzberger (C-566/15), das über das Schicksal der deutschen Unternehmensmitbestimmung entscheidet.

Nach § 3 MitbestG und § 3 DrittelbG sind Arbeitnehmer im Sinne dieser Gesetze die in § 5 BetrVG bezeichneten Personen. Da das BetrVG nur für im Inland belegene Betriebe Geltung beansprucht, wurde hieraus bislang gefolgert, dass nur Arbeitnehmer inländischer Betriebe zur Bestimmung der Schwellenwerte (mehr als 500 bzw. mehr als 2.000 Arbeitnehmer) zu berücksichtigen und dass nur sie wahlberechtigt sind (LG Berlin vom 1.6.2015, ZIP 2015, 1291; LG München I vom 27.8.2015, ZIP 2015, 1929). Demgegenüber wird in jüngerer Zeit teilweise die Auffassung vertreten, dass diese Beschränkung des Mitbestimmungsrechts auf inländische Betriebe mit Unionsrecht unvereinbar sei, da sie EU-Ausländer entgegen Art. 18 AEUV mittelbar diskriminiere und die Freizügigkeit (Art. 45 AEUV) beeinträchtige.

Das Berliner Kammergericht hat den EuGH um Vorabentscheidung ersucht (KG vom 16.10.2015, NZA-RR 2015, 661). Am 24.1.2017 wurde vor der Großen Kammer des EuGH mündlich verhandelt (dazu der ausführliche Bericht in NZA 2017, 429). Jetzt hat der Generalanwalt seine Schlussanträge vorgelegt. Er hält das deutsche Recht für mit Art. 18 und 45 AEUV vereinbar:

"Die Art. 18 und 45 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, wonach nur die bei den im Inland ansässigen Betrieben einer Gesellschaft oder Gesellschaften des Konzerns beschäftigten Arbeitnehmer bei den Wahlen der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat dieser Gesellschaft über ein aktives und passives Wahlrecht verfügen, nicht entgegenstehen."

Der Gerichtshof folgt den Schlussanträgen freilich keineswegs immer. Zuletzt hat er in der Rechtssache Asklepios diese sogar völlig ignoriert und im genau gegenteiligen Sinne entschieden (siehe den BeckBlog Arbeitsrecht vom 2.5.2017).

EuGH-GA, Schlussanträge vom 4.5.2017, C-566/15 (Erzberger)

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