Bewährungswiderruf wegen Verstoßes gegen Auflagen und Weisungen: Mündliche Anhörung!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 06.06.2017
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|18330 Aufrufe

Mal wieder ein Klassiker: Der Bewährungswiderruf. Nach neuer Straftat darf dieser nach einfacher (schriftlicher) Anhörung stattfinden. Nach Verstoße gegen Auflagen und Weisungen aber nicht. Hier muss mündlich angehört werden. Hat das OLG Hamm jetzt nochmal klargestellt:

Die gemäß § 453 Abs. 2 Satz 3 StPO in Verbindung mit § 56 f StGB statthafte sofortige Beschwerde des Verurteilten ist zulässig und hat in der Sache zumindest vorläufig Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zu einer Zurückverweisung der Sache an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum.

Gemäß § 453 Abs. 1 Satz 2 StPO ist der Verurteilte vor einer nachträglichen Entscheidung, die sich auf eine Strafaussetzung zur Bewährung bezieht (§ 56 f StGB), zu hören. Ihm soll nach § 453 Abs. 1 Satz 4 StPO Gelegenheit zur mündlichen Anhörung gegeben werden, wenn das Gericht über einen Widerruf der Strafaussetzung wegen eines Verstoßes gegen Auflagen oder Weisungen gemäß § 56 f Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 3 StGB zu entscheiden hat. Der Verurteilte soll dadurch insbesondere Gelegenheit erhalten, den Vorwurf zu entkräften, dass er gegen Auflagen oder Weisungen gröblich oder beharrlich verstoßen hat. Die Sollvorschrift ist dahin zu verstehen, dass die Anhörung zwingend ist, wenn sie weitere Aufklärung verspricht oder wenn ihr keine schwerwiegenden Gründe entgegenstehen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 453, Rn 7 m.w.N.).

Bei einem auf § 56 f Abs. 1 Nr. 1 StGB gestützten Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung reicht demgegenüber eine schriftliche Anhörung des Verurteilten aus (Umkehrschluss aus § 453 Abs. 1 Satz 4 StPO). Im vorliegenden Fall kann der Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung jedoch nicht auf § 56 f Abs. 1 Nr. 1 StGB gestützt werden. Gemäß § 56 f Abs. 1 Nr. 1 StGB widerruft das Gericht die Strafaussetzung zur Bewährung, wenn der Verurteilte in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, dass die Erwartung, die der Strafaussetzung zur Bewährung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat. Dabei muss die schuldhafte Begehung einer Straftat feststehen; ein bloßer Verdacht reicht nicht aus. Dies setzt regelmäßig eine rechtskräftige Verurteilung des Verurteilten wegen der neuen Straftat voraus (Fischer, StGB, 64. Aufl. 2017, § 56f StGB, Rn 4 ff. mwN). Darüber hinaus kann ein glaubhaftes, richterliches Geständnis der neuen Tat die erforderliche Überzeugung begründen (Fischer, a.a.O., Rn 7 mwN). Im vorliegenden Fall liegt jedoch wegen der neuen, in der Bewährungszeit begangenen Taten noch kein rechtskräftiges Urteil vor. Auch hat der Verurteilte die ihm zur Last gelegten Taten nicht – richterlich – gestanden.

Damit kann der Widerruf lediglich auf § 56 Abs. 1 Nr. 2 StGB gestützt werden. Insoweit hätte es allerdings gemäß § 453 Abs. 1 Satz 4 StPO zwingend einer mündlichen Anhörung bedurft. Eine § 453 Abs. 1 Satz 4 StPO entsprechende mündliche Anhörung des Verurteilten hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum vor ihrer Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung jedoch nicht durchgeführt.

Auch die Vernehmung des Verurteilten anlässlich der Verkündung des Sicherungshaftbefehls am 17.01.2017 vermochte die gemäß § 453 Abs. 1 Satz 4 StPO vorgeschriebene mündliche Anhörung nicht zu ersetzen. Mögliche Widerrufsgründe wurden in diesem Termin nicht erörtert. Zudem ist diese Anhörung nicht durch das erkennende Gericht - die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum - erfolgt (vgl. auch OLG München, StV 2009, 540). Anhaltspunkte, dass die Ermittlungsrichterin des Amtsgerichts Düren im vorliegenden Fall als ersuchte Richterin mit der Anhörung des Verurteilten zu möglichen Widerrufsgründen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., Rn 7) und nicht nur entsprechend § 115 a Abs. 1 StPO mit der Verkündung des Sicherungshaftbefehls betraut war, liegen nicht vor.

Schwerwiegende Gründe, die einer mündlichen Anhörung des Verurteilten entgegenstanden, sind vorliegend nicht ersichtlich. Es ist auch nicht erkennbar, dass der Verurteilte auf eine mündliche Anhörung verzichtet hat. Auch konnte die Strafvollstreckungskammer nicht davon ausgehen, eine Anhörung verspreche keine weitere Aufklärung mehr.

Die Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung wegen eines Auflagen- bzw. Weisungsverstoßes ohne Durchführung einer mündlichen Anhörung stellt einen schwerwiegenden Verfahrensmangel dar, der zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung an die Strafvollstreckungskammer führt (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 453, Rn 14 m.w.N.).

OLG Hamm, Beschluss v. 28.3.2017 - 2 Ws 38/17

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