Inbezugnahme auf Lichtbilder: OLG Hamm befasst sich mit dem Grenzbereich!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 12.06.2017
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|4395 Aufrufe

Nach § 267 Abs. 1 S. 3 StPO kann wegen Einzelheiten auf eine Abbildung, die sich in der Akte befindet, Bezug genommen werden. Das ist auch schon häufig im Blog gelaufen. Schön sieht ein solcher Verweis etwa aus, wenn es heißt:

"Das Gericht hat das bereits erwähnte Messfoto in Augenschein genommen. Es handelt sich um ein qualitativ gutes Foto ohne wesentliche Verdeckungen des Fahrzeugführers. Das Lichtbild ist ausreichend mit Kontrasten versehen. Das Lichtbild zeigt den Betroffenen als Fahrzeugführer des Fahrzeugs B mit dem amtlichen Kennzeichen AB-CD 123. Wegen der Einzelheiten des Aussehens des Fahrzeugführers und des von ihm geführten Fahrzeugs wird auf Bl. 13 d.A. gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO Bezug genommen."

Oft ist im Urteil nicht der ausdrückliche Verweis enthalten. Hier gehen dann die Probleme los: Wie genau sind die Urteilsausführungen? Können sie ggf. noch als Verweis verstanden werden?

Damit musste sich das OLG Hamm befassen:

Die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil hält rechtlicher Überprüfung noch stand. Ein wirksamer Verweis auf Abbildungen nach § 267 Abs. 1 S. 3 StPO liegt allerdings nur hinsichtlich der Übersichtsskizze Bl. 10 d.A. vor, nicht hinsichtlich der weiteren Fotos.

Will der Tatrichter bei der Abfassung der Urteilsgründe im Sinne von § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf eine bei den Akten befindliche Abbildung verweisen, so hat er dies deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck zu bringen. Dafür kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch die Angabe der bloßen Fundstelle genügen. Eine besondere Form schreibt die genannte Vorschrift für die Verweisung nicht vor. Darüber, ob der Tatrichter deutlich und zweifelsfrei erklärt hat, er wolle die Abbildung zum Bestandteil der Urteilsgründe machen, ist deshalb stets im Einzelfall unter Heranziehung seiner Darlegungen insgesamt zu entscheiden. Insoweit gilt nichts anderes als für die Feststellungen und Wertungen des Tatrichters im Übrigen, die, um rechtlich Bestand zu haben, ebenfalls die Gebote der Eindeutigkeit und der Bestimmtheit wahren müssen. Wird im Rahmen einer inhaltlichen Erörterung ein Klammerzusatz mit einer genauen Fundstelle angebracht, so enthält nach allgemeiner Lebensanschauung ein unter solchen Umständen hinzugefügter Klammerzusatz die Aufforderung an den Adressaten, nicht nur die Beschreibung des Gegenstands zur Kenntnis zu nehmen, sondern sich darüber hinaus durch dessen Betrachtung auch einen eigenen Eindruck zu verschaffen. Wird dergestalt bei der Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe verfahren, so drängt sich diese Auslegung in besonderem Maße auf, denn dem Tatrichter kann das Bewusstsein unterstellt werden, dass eine bloße Fundstellenangabe ohne Sinn bliebe (BGH, Urt. v. 28.01.2016 – 3 StR 425/15 –juris; vgl. auch: OLG Bamberg, Beschl. v. 07.02.2017 – 3 Ss OWi 156/17 – juris m.w.N.).

In diesem Sinne ist der Hinweis, dass sich die Lagebeschreibung des hier in Frage stehenden Parkplatzes „bereits aus der Übersichtsskizze Bl. 10 d.A.“ ergebe, zweifelsohne als wirksamer Verweis anzusehen, denn die sich aus der Übersichtsskizze ergebende Lage wird bereits zuvor geschildert, so dass diese auch nur wegen der „Einzelheiten“ (vgl. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO) vom Revisionsgericht in Augenschein genommen werden muss.

Anders verhält es sich mit dem Verweis auf die Lichtbilder Bl. 42-48 sowie die Lichtbilder der Zeugin I. Dieser ist eingebettet in den Einleitungssatz der Beweiswürdigung: „Insoweit ist in der Hauptverhandlung Beweis erhoben worden durch die Einführung  von Fotos (Bl. 10, Bl. 42-48 d.A.), sowie durch Vernehmung der Zeugin I, die ebenfalls Fotos aufgenommen hatte, die in Augenschein genommen wurden und als Anlage zum Protokoll genommen wurden“. Hierbei handelt es sich nur um die allgemeine Schilderung des Beweiserhebungsvorgangs, der für die Annahme eines wirksamen Verweises i.S.v. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO nicht ausreicht (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 26.11.2007 – 2 Ss OWi 757/07 – juris). Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass eine Verweisung nach § 267 Abs. 1 S. 3 StPO nur wegen der Einzelheiten zulässig ist, der Inhalt der Bilder aber hier noch nicht einmal grob umschrieben wird. Zwar heißt es in der Beweiswürdigung später, dass sich die darin enthaltene Beschreibung der Örtlichkeiten „ aus den vorgelegten Bildern und auch aus den Angaben der Zeugin“ ergebe und die Örtlichkeiten auch aus anderen Schöffengerichtsverfahren gerichtsbekannt seien. Dies ersetzt aber keine grobe Beschreibung der jeweiligen Bildinhalte, sondern ist nur eine Gesamtfolgerung aus allen angegebenen Beweismitteln.

Der unwirksame Verweis auf die Lichtbilder ist indes für den Bestand des Urteils unschädlich. Die Feststellungen und die Beweiswürdigung sind auch ohne Kenntnis der Fotos nicht lückenhaft. Aufgrund der Beschreibung in den Urteilsgründen und der Übersichtsskizze Bl. 10 d.A. kann sich der Senat auch so ein hinreichendes Bild von dem Charakter der Tatörtlichkeit als einer öffentlichen Verkehrsfläche machen. Die Beweiswürdigung ist allein dahin zu verstehen, dass auch die Zeugin die Tatörtlichkeiten genau so geschildert hat, wie sie bereits gerichtsbekannt sind. Auf die Kenntnisnahme von den Fotos kommt es daher nicht an.

Soweit die Revision selbst auf Lichtbilder Bezug nimmt, auf die nicht wirksam verwiesen wurde, sind diese Ausführungen urteilsfremd. Gleiches gilt für die Behauptung, dem Angeklagten sei bereits seit Dezember 2015 die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen.

OLG Hamm, Beschl. v. 23.3.2017 - 4 RVs 30/17

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