Schlecker-Abschlussprüfer: Vorläufige Einstellung nach § 153a Abs. 2 StPO

von Prof. Dr. Claus Koss, veröffentlicht am 29.05.2017

Im Verfahren gegen Anton Schlecker (https://community.beck.de/2017/05/05/die-bilanz-vor-dem-strafgericht-kein-zuckerschlecken) geht es um Betrug (§ 263 StGB).  Den in dem abgetrennten Verfahren gegen die beiden Wirtschaftsprüfer einer Big-Four-Gesellschaft (Gesamthonorar beim Schlecker-Konzern für Prüfungsleistungen 2010: TEUR 326) ging es um die Vorwurf, ob diese zu Unrecht ein uneingeschränktes Testat erteilt hätten?

Nach der vorläufigen Würdigung der 11. Großen Wirtschaftsstrafkammer bestehe zwar weiterhin der Verdacht, dass es sich sowohl bei der fraglichen Stillen Beteiligung in Höhe von EUR Mio. 270 als auch beim Darlehen der Logistik- und Dienstleistungsgesellschaft über EUR Mio. 50 nicht - wie bilanziert um Eigenkapital, sondern um Fremdkapital handelte. Allerdings stehe der Einstellung unter Auflagen die Schwere der Schuld nicht entgegen. Die beiden Wirtschaftsprüfer seien nicht vorbestraft, es handele sich nur um eine "Position der Bilanz eines großen Unternehmens, die ansonsten nicht zu beanstanden sei" (Pressemitteilung v. 23. Mai 2017, http://www.landgericht-stuttgart.de/pb/,Lde/Startseite/Aktuelles/Schleckerprozess_+Einstellung+Wirtschaftspruefer/?LISTPAGE=1195716). Die Kammer hätte nicht feststellen können, "dass jemand durch etwaig unrichtig Bilanzierung geschädigt worden sei. Insbesondere hätten die sog. 'Schlecker-Frauen' dadurch ihren Arbeitsplatz verloren." (Pressemitteilung, a.a.O.)
Staatsanwaltschaft und Angeklagte stimmten der vorläufigen Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung von Geldauflagen in Höhe von TEUR 25 bzw. TEUR 20 zu.

Eine wichtige Frage hat die Kammer - soweit erkennbar - aber nicht gestellt: Durfte im geprüften Konzernabschluss noch unter der Annahme der Unternehmensfortführung (going concern, § 252 Abs. 1 Nr. 2, 1. HS HGB) oder standen bei Aufstellung des Jahresabschlusses nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegen (§ 252 Abs. 1 Nr. 2, 2. HS HGB)? Wie bereits gezeigt (https://community.beck.de/2017/05/05/die-bilanz-vor-dem-strafgericht-kein-zuckerschlecken), lagen die Liquiditätsgrade I und II unter 30%.  Wenn die EUR Mio. 270 plus EUR Mio. 50 nicht Eigen-, sondern (teilweise kurzfristiges) Fremdkapital gewesen wären, hätten sich diese Kennzahlen weiter verschlechtert.

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Die Argumentation noch einmal mit fiktiven Zahlen und einem abstrakten Fall zum Nachvollziehen:
Angenommen,

  • die Zahlungsunfähigkeit hätte zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung vorgelegen, es hätte somit die Pflicht zur Antragstellung auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden;
  • dann hätte der bilanzierende Konzern nicht mehr unter der Annahme des going concern bilanzieren dürfen;

Daraus folgt z.B. die Vorräte hätten nicht mehr mit ihren Anschaffungskosten bewertet werden dürfen, sondern mit den Zerschlagungswerten ("Ausverkaufspreise").
Hätte der Konzern trotzdem unter der going-concern Annahme bilanziert, hätte der Abschlussprüfer es nicht bei uneingeschränkten Testat mit einem hinweisenden Zusatz belassen dürfen.

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Zurück zur causa Schlecker: Die Kammer hat zutreffend festgestellt, dass kein Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz wegen einer falschen Bilanzierung verliert. Der Schlecker-Konzern stand zum 31. Dezember 2010 mit EUR Mio. 618 bei Lieferanten und EUR Mio. 12 bei Kreditinstituten 'in der Kreide'. Wie viele, so können wir nur vermuten, haben nicht gegen Vorkasse geliefert, weil sie die Kreditwürdigkeit falsch eingeschätzt haben? Da die Vorräte zum Stichtag bei EUR Mio. 600 standen, steht zu vermuten, dass die meisten Vorräte 'auf Pump' gekauft waren. Sie alle haben vermutlich das meiste ihrer Forderungen verloren.

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Weitere Enthüllungen zu dem Verfahren finden Sie auch in der "Koss-Kolumne: Unschuldig bei Verdacht" in Heft 7/2017 der "BC - Zeitschrift für Bilanzierung, Rechnungswesen und Controlling", S. 302-303.

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