Berufung: Keine Verböserung durch erstmaliges Fahrverbot, wenn Geldstrafe geringer ist und auch die FE-Entziehung mit Sperre wegfällt

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 20.08.2017
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|3133 Aufrufe

Der Angeklagte wird vom AG verurteilt. Geldstrafe, Fahrerlaubnisentziehung und Sperre. Dagegen geht er in Berufung. Da gibt`s gefühlt weniger: Geringere Geldstrafe und "nur" ein Fahrverbot. Dagegen die Revision, die sich mit einem Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot befassen musste und einen solchen im Ergebnis (m.E. richtigerweise) verneint hat:

 
1.
Die vom Amtsgericht verhängte Strafe und die des Landgerichts (einschließlich der Nebenstrafe des Fahrverbots) sind in ihrer Gesamtheit gegenüberzustellen, wenn es um die Beurteilung eines Verbots gegen das Verschlechterungsverbot geht, denn zwischen Strafe und Nebenstrafe besteht eine Wechselwirkung.
2.
Das Strafübel eines dreimonatigen Fahrverbots ist nicht vergleichbar mit dem Strafübel einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen.
 
Tenor:
Die Revision wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Angeklagte (§ 473 Abs. 1 StPO).
 
1
Zusatz:
2
Dass das Landgericht zusätzlich zur Geldstrafe auf ein dreimonatiges Fahrverbot nach § 44 StGB erkannt hat, verstößt nicht gegen das Verschlechterungsverbot, welches von Amts wegen zu prüfen ist (Meyer-Goßner in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl.,  § 358 Rdn. 13 m.w.N.). Das Landgericht hat die Zahl der Tagessätze von 100 auf 50 verringert und dafür und an Stelle einer Entziehung der Fahrerlaubnis mit Sperrfrist auf ein dreimonatiges Fahrverbot erkannt. Die vom Amtsgericht verhängte Strafe und die des Landgerichts (einschließlich der Nebenstrafe des Fahrverbots) sind in ihrer Gesamtheit gegenüberzustellen, wenn es um die Beurteilung eines Verbots gegen das Verschlechterungsverbot geht, denn zwischen  Strafe und Nebenstrafe besteht eine Wechselwirkung (BayObLG , Beschl. v. 03.10.1977 – RReg 1 St 136/77- juris). Bei einer Gesamtbetrachtung ist der Angeklagte aber durch die vom Landgericht verhängte Bestrafung nicht schlechter gestellt als durch das amtsgerichtliche Urteil. Die Geldstrafe, bei der auch die Gefahr der Verbüßung in Form einer Ersatzfreiheitsstrafe besteht (vgl. OLG Düsseldorf NZV 1993, 123, 124), wurde deutlich abgesenkt. Das Strafübel des dreimonatigen Fahrverbots, welches lediglich eine Erschwerung der Mobilität des Angeklagten bedeutet, überschreitet jedenfalls nicht den Umfang dieser Absenkung. Es kann nicht etwa ein Monat Fahrverbot mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen gleichgesetzt werden (offengelassen in BayObLG a.a.O.). Hinzu kommt, dass die Maßregel komplett entfallen ist (vgl. OLG Hamm, Beschl.v. 02.07.1973 – 4 Ss 464/73 – juris LS). Dass der Angeklagte durch das Fahrverbot etwa größeren wirtschaftlichen Schaden erleiden würde als durch eine höhere Geldstrafe (vgl. dazu: OLG Düsseldorf, ZfSch 2006, 587), ergeben die Feststellungen ebenfalls nicht.
3
Aus den vorgenannten Gründen kann der Senat vorliegend auch ausschließen, dass das Landgericht die Wechselwirkung zwischen Strafe und Nebenstrafe aus dem Auge verloren hat – auch wenn diese in der Strafzumessung nicht ausdrücklich erwähnt wird.
 
 

Oberlandesgericht Hamm, Beschl. v. 11.7.2017 - 4 RVs 77/17

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