Chemotherapie ist „Domäne" der ambulanten Medizin – Keine Kostenübernahme bei stationärer Verabreichung von Zytostatika

von Dr. Michaela Hermes, LL.M., veröffentlicht am 19.08.2017
Rechtsgebiete: Weitere ThemenMedizinrecht|4507 Aufrufe

Chemotherapeutische Behandlungen gehörten zum ambulanten Bereich. Auch dann, wenn die Behandlung im Krankenhaus billiger ist. Eine stationär durchgeführte Chemotherapie, die auch ambulant hätte erfolgen können, werde nicht erstattet. Das urteilte das Sächsische Landessozialgericht, Urteil vom 30.05.2017 - L 1 KR 244/16, BeckRS 2017 116885 in seiner gerade veröffentlichten Entscheidung.

Vor dem obersten Sozialgericht in Sachsen stritten Krankenhaus und Krankenkasse um die Übernahme von Kosten für die stationäre Verabreichung von Zytostatika. Der Patient erhielt infolge eines Bronchialkarzinoms das Mittel Pemetrexed (Handelsname: Alimta®). Die bisherigen 27 Zyklen vertrug er gut. Die 28. Gabe des Medikamentes bekam er in der Klinik.  Die Krankenkasse war der Auffassung, die Chemotherapie hätte ambulant verabreicht werden müssen. Die stationäre Behandlung sei nicht im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich gewesen. Eine Erstattung scheide aus. Das Krankenhaus argumentierte, es sei nicht im Voraus abzusehen, ob die Chemotherapie komplikationslos verlaufen werde. Eine ambulante Behandlung sei außerdem günstiger gewesen. Die Vergütung aufgrund des Fallpauschalensystems stehe dem Krankenhaus zu. Zumindest aber hätte das Krankenhaus einen Zahlungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung für die verabreichten Arzneimittel.    

Das  Sächsische Landessozialgericht schloss sich der Auffassung der Krankenkasse an. Eine Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse sei nicht entstanden. Es handele sich um eine sogenannte Fehlbelegung. Denn die stationäre Behandlung sei nicht erforderlich gewesen (§ 39 Abs. 1 SGB V). Erforderlich sei die Krankenhausbehandlung nur, wenn die besonderen Mittel eines Krankenhauses eingesetzt würden. Dazu gehöre insbesondere die apparative Mindestausstattung, besonders geschultes Personal oder ein jederzeit präsenter Arzt. Andernfalls sei die ambulante Versorgung vorrangig zu nutzen. Ausschlaggebend seien allein medizinische Gründe. Diese verneinte das Gericht. Weder die möglichen Nebenwirkungen von Pemetrexed noch  die konkrete Behandlungssituation des 57-jährigen Patienten mache eine Überwachung mit den Mitteln eines Krankenhauses notwendig. Als gut verträgliche Standardtherapie sei  die Chemotherapie mit Pemetrexed eine „Domäne“ der ambulanten Medizin.  

Gründe, wie das Fehlen anderer Versorgungs- oder Unterbringungsmöglichkeiten reichten nicht, um die Erforderlichkeit zu begründen, betonten die Richter.  Unerheblich sei hier, ob die ambulante Verabreichung der Chemotherapie für die Krankenkasse kostengünstiger sei. Außerdem seien die öffentlichen Apotheken an die vorgegebenen Preise gebunden. Das gelte auch für die Fertigung von individuell hergestellten Zytostatika (§ 5 Abs. 6 Nr. 1 AMPreisV). Krankenhausapotheken sind nicht preisgebunden. Die Richter sehen hier die Gefahr, dass über die Abgabe günstigerer Medikamente aus der Krankenhausapotheke die Schutzvorschriften zugunsten der öffentlichen Apotheken unterlaufen würden. Weitere Verfahren dieser Art sind anhängig:  L 1 KR 233/16, L 1 KR 257/16, L 1 KR 23/17,  L 1 KR 49/17 und L 1 KR 50/17.  Dazu die Pressemitteilung des Sächsischen Landessozialgerichts.

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