Die Haftung des Mediators, Warnhinweis zugleich an alle Rechtsanwälte

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 23.10.2017
Rechtsgebiete: Familienrecht|4880 Aufrufe

Die Eheleute X und Y wünschten eine kostengünstige und einvernehmliche Ehescheidung. Sie wandten sich daher an die (jetzt) beklagte Rechtsanwältin, die in R. eine Schlichtungsstelle betreibt. Die Eheleute erteilten der Beklagten u.a. Vollmacht, Auskünfte bei den Rentenversicherungsträgern einzuholen.

Die Beklagte holte diese Auskünfte nicht ein.

Da die Beklagte mit dieser Beratungstätigkeit für beide Eheleute als Rechtsanwältin für das Scheidungsverfahren „verbrannt“ war, beauftragte der Ehemann eine weitere Anwältin, nämlich Rechtsanwältin K, mit seiner Vertretung.

Rechtsanwältin K reichte für den Ehemann einen Scheidungsantrag ein.

In dem Scheidungsantrag heißt es unter Ziff. V. Folgesachen:

Der Versorgungsausgleich soll nicht durchgeführt werden. Antragsteller und Antragsgegnerin verzichten auf den Versorgungsausgleich, da ein Ausgleich bereits im Zusammenhang mit dem Zugewinn stattgefunden hat.

Ob dieser Scheidungsantrag tatsächlich von Rechtsanwältin K oder aber von der Beklagten formuliert worden ist, ist streitig geblieben, jedenfalls überwies Rechtsanwältin K einen Großteil des ihr zustehenden Honorars (1.519 von 1.819 €) an die Beklagte.

Bis zu dem Scheidungstermin kam ein notarieller Folgenvertrag nicht zustande. Hierauf wies die Beklagte Rechtsanwältin K kurz vor dem Termin per Email hin.

Im Termin stimmte die Ehefrau persönlich dem Scheidungsantrag. Erst als es an die Erörterung der Folgesachen ging,  betrat der jetzige Kläger, Rechtsanwalt X, den Saal.

Die Ehefrau bevollmächtige ihn und stellte ihn (mündlich!) von jeder Haftung frei.

Die Bevollmächtigten verzichteten zu Protokoll auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs. Das Gericht sprach die Scheidung aus und stellte fest, dass ein Versorgungsausgleich nicht sattfindet.

Die Bevollmächtigten verzichteten auf Rechtsmittel und Anschlussrechtsmittel.

Der Kläger stellte der Ehefrau für seine Tätigkeit 100 € in Rechnung.

Man ahnt, wie es kommen musste: Nach den anschließend endlich eingeholten Auskünften wäre die Ehefrau mit einem Saldo 94.263,33 € die Berechtigte im VA gewesen

Sie nahm den Kläger in Regress und einigte sich mit ihm vergleichsweise auf eine Schadenersatzzahlung in Höhe von 64.094 € (die Haftungsfreistellung ist mangels Schriftform nichtig, §§ 52 I Nr. 1 BRAO, 126 BGB!)

Der Kläger ließ sich die etwaigen Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte von seiner Haftpflichtversicherung rückabtreten.

Das OLG Stuttgart (Urteil v. 26.01.2017 – 11 U 4/16) verurteilte sie zur Zahlung von 32.047 €, also zur Zahlung der Hälfte des Schadens.

Der BGH hat die Entscheidung bestätigt (Urteil v. 21.09.17 – IX ZR 34/17):
 

1. Übernimmt es der anwaltliche Mediator, einvernehmliche rechtliche Lösungsvorschläge zu entwickeln, kann eine Rechtsdienstleistung vorliegen; die Haftung des Mediators bestimmt sich dann regelmäßig nach den Maßstäben der Anwaltshaftung.

2. Ein anwaltlicher Mediator, der von Eheleuten zu dem Zweck beauftragt wird, mit ihnen eine einverständliche Scheidungsfolgenvereinbarung auch über den Versorgungsausgleich zu erarbeiten, ist einem Ehegatten wegen des Verlusts des Versorgungsausgleichs zu Schadensersatz verpflichtet, wenn er die für den Versorgungsausgleich maßgeblichen Tatsachen nicht feststellt und der von ihm nicht ordnungsgemäß unterrichtete Rechtsanwalt des geschädigten Ehegatten in dem Ehescheidungsverfahren einen Verzicht auf den Versorgungsausgleich erklärt.

Zur Klarstellung: Rechtsanwältin K ist der Ehefrau nicht schadensersatzpflichtig. Sie war allein Interessenvertreterin des Ehemannes.

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