Letztes Wort und Plädoyer nochmals nach Zeugenentlassung? Nein!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 20.11.2017
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|3375 Aufrufe

Am Ende der Hauptverhandlung stehen die Schlussvorträge und das Recht des Letzten Wortes. Steht auch so im Gesetz:

§ 258 StPO
Schlussvorträge; Recht des letzten Wortes

(1) Nach dem Schluß der Beweisaufnahme erhalten der Staatsanwalt und sodann der Angeklagte zu ihren Ausführungen und Anträgen das Wort.
(2) Dem Staatsanwalt steht das Recht der Erwiderung zu; dem Angeklagten gebührt das letzte Wort.
(3) Der Angeklagte ist, auch wenn ein Verteidiger für ihn gesprochen hat, zu befragen, ob er selbst noch etwas zu seiner Verteidigung anzuführen habe.

Wird zwischendurch wieder in die Beweisaufnahme eingetreten, so ist danach wieder nach § 258 StPO zu verfahren.

Das OLG Hamm musste sich jetzt damit befassen, wie denn zu verfahren ist, wenn zwischendurch Zeugen entlassen werden:

Der Betroffene kann mit der Rüge der Verletzung der §§ 258 Abs. 1 und Abs. 2 StPO; 46 Abs. 1 OWiG, mit der er geltend macht, dass ihm (bzw. seinem ihn in eigener Abwesenheit in der Hauptverhandlung vertretenden Verteidiger) das letzte Wort nicht erneut gewährt worden, nachdem das Gericht erst nach den Schlussvorträgen den zuvor in der Beweisaufnahme vernommenen Zeugen und den Sachverständigen entlassen habe, nicht durchdringen. Zunächst weist die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend darauf hin, dass das Recht auf Gewährung des letzten Worts nicht übertragbar ist, etwa von dem – nicht anwesenden -  Betroffene auf den ihn vertretenden Verteidiger (vgl.: Meyer-Goßner in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 258 Rdn. 20 m.w.N.). Insbesondere hat aber auch kein Wiedereintritt in die Beweisaufnahme stattgefunden, der die erneute  Gewährung der Möglichkeit zum Schlussvortrag oder zum letzten Wort erforderlich gemacht hätte. Einen ausdrücklichen Wiedereintritt in die Beweisaufnahme gab es nicht. Auch ein konkludenter Wiedereintritt liegt nicht vor. Wann von einem konkludenten Wiedereintritt auszugehen ist, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Insbesondere liegt ein Wiedereintritt vor, wenn der Wille des Gerichts zum Ausdruck kommt, im Zusammenwirken mit den Prozessbeteiligten in der Beweisaufnahme fort-zufahren oder wenn Anträge mit den Verfahrensbeteiligten erörtert werden (BGH, Urt. v. 27.02.2004 – 2 StR 146/03 –, juris). Ein entsprechender Wille kommt hier in der Entlassung von Zeugen und Sachverständigen gerade nicht zum Ausdruck. Vielmehr zeigt die Entlassung, dass aus Sicht des Gerichts diese Beweismittel gerade nicht mehr benötigt werden. Auch enthält die Entlassung nicht gleichzeitig eine konkludente Entscheidung über die Frage einer Vereidigung oder Nichtvereidigung. Die Nichtvereidigung ist der Regelfall. Einer (ausdrücklichen) Entscheidung hierüber be-darf es grds. (es sei denn, ein Verfahrensbeteiligter hat eine solche beantragt, was hier aber nicht der Fall war) nicht. Mit einer Entlassungsverfügung wird dann lediglich zum Ausdruck gebracht, dass der Vorsitzende keinen Anlass gesehen hat, vom regelmäßigen Verfahrensgang abzuweichen (BGHSt 50, 282, 283;  BGH, Beschl. v. 07.07.2009 – 1 StR 268/09). Entsprechendes gilt auch bzgl. eines Sachverständigen, bei dem die Nichtvereidigung ebenfalls den Regelfall darstellt (vgl.: Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. § 79 Rdn. 2 m.w.N.).

 
Oberlandesgericht Hamm, Beschl. v. 19.9.2017 - 4 RBs 349/17

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