Nichts ist klar im Glücksspielrecht

von Prof. Dr. Marc Liesching, veröffentlicht am 14.11.2017

Im Kielwasser der Berichterstattung zu den Paradise Papers hat der Journalismus wieder einmal die seit Jahren unveränderten Gegebenheiten des Online-Glücksspiels als berichterstattungswürdig entdeckt. Im Beitrag „Die deutschen Banken und das Online-Glücksspiel“ der Tagesschau wird z.B. ausgeführt: „Zahlreiche deutsche Banken und Zahlungsdienstleister verstoßen offenbar systematisch gegen deutsche Gesetze, indem sie Zahlungen für illegale Internet-Casinos abwickeln“.

Auch wenn gemeinhin bekannt ist, dass in der journalistischen Diktion „offenbar“ nichts anderes bedeutet als „möglicherweise, genau wissen wir es nicht“, erscheint es sinnvoll, zum aktuellen journalistischen Schlaglicht folgende Informationen nachzureichen:

  • Den für die Regulierung des Glücksspielrechts zuständigen Bundesländern ist es bis heute nicht gelungen, eine kohärente Glücksspielgesetzgebung auf den Weg zu bringen, welche den Schwarzmarkt einer effektiven Regulierung zuführt. Das GlüStV-Konzessionsmodell für Sportwetten im Internet unter Beteiligung der Glücksspielkommission ist von der Rechtsprechung als rechtswidrig erachtet worden. Zudem hat die EU-Kommission mehrfach Zweifel an der EU-Rechtskonformität geäußert.
  • Der mühsam erarbeitete Entwurf eines zweiten Glücksspieländerungsstaatsvertrags, welcher sich schon auf minimale Änderungen beschränkte, wird aufgrund fehlenden Konsenses aller Bundesländer nicht umgesetzt werden. Auf Antrag der Fraktionen von CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und den Abgeordneten des SSW (SH LT-Drs. 19/165) hat das Land Schleswig-Holstein sich gegen den 2. GlüÄndStV gestellt und gefordert, das Glücksspielrecht europarechtskonform auszugestalten und damit eine tragfähige, transparente und diskriminierungsfreie Glücksspielregulierung in Deutschland zu schaffen.
  • Der Vorstoß Schleswig-Holsteins postuliert auch eine Aufhebung des Totalverbots für Online-Casinospiele und Online-Pokerspiele, um endlich eine europarechtskonforme regulatorische Gleichbehandlung von Online-Sportwetten einerseits sowie Online-Casino- und Online-Pokerspielen andererseits zu erreichen.
  • Die in dem Tagesschau-Beitrag als „illegal“ bezeichneten Internet-Casinos verfügen in der Regel in anderen EU-Staaten über eine gültige Glücksspielerlaubnis. Insoweit ist die Dienstleistungsfreiheit zu beachten, die nach der Rechtsprechung des EUGH grundsätzlich auch für EU-ausländische Lizenznehmer gilt, die über keine Konzession im Inland verfügen (EuGH, Urt. v. 8.9.2010 – C-46/08).
  • Vor diesem Hintergrund ist erst recht nicht geklärt, ob zahlungsabwickelnde Banken gegen Glücksspielrecht „verstoßen“, wie es in dem Beitrag der Tagesschau heißt. Die Landesregierung Baden-Württemberg stufte Finanzdienstleister schon 2012 eher als "Nichtstörer" ein, bei denen Maßnahmen allenfalls "ausnahmsweise innerhalb der Grenzen der Verhältnismäßigkeit und der Zumutbarkeit" möglich seien (LT-Drs. Ba-Wü 15 / 1707, S. 12 f.). Hieraus erklärt sich auch, warum weder die Bundesfinanzmarktaufsicht Bafin noch die Glücksspielaufsicht bisher gegen Bankinstitute vorgegangen ist.
  • Überdies bestehen gegen Eingriffe in den Zahlungsverkehr von Bankkunden und die Abwicklung durch die Banken selbst erhebliche datenschutzrechtliche Bedenken, von einer praktischen Umsetzbarkeit einer Zahlungsverkehrsunterbindung ganz zu schweigen. Gerade in diesem Punkt haben die durch das Auftauchen der Paradise Papers motivierten Journalisten ihre Hausaufgaben noch nicht gemacht, wird doch stillschweigend davon ausgegangen, dass ein Financial Blocking ganz einfach möglich sei.
  • Als Denk- und Rechercheanstoß ist etwa auf die ausführliche Darstellung des Leiters des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein hinzuweisen, welcher wegen der weitgehenden praktischen Unmöglichkeit zur Umsetzung eines Financial Blocking gemäß dem GlüStV auch die datenschutzrechtliche Verhältnismäßigkeit in Zweifel zieht. Auch von der baden-württembergischen Landesregierung wurde auf die kaum mögliche praktische Umsetzung des Financial Blocking bereits 2012 ausführlich hingewiesen (Ba-WÜ LT-Drs. 15 / 1707, S. 11 f.). Im Gegensatz zu der aktuellen journalistischen Berichterstattung gehen weder BaFin noch die Glücksspielaufsicht leichtfertig hierüber hinweg.

Die Politik ist aufgefordert, endlich einen Regulierungsrahmen zu schaffen, der Rechtssicherheit schafft und vor allem das Online-Glücksspiel faktisch einer regulativen Überwachung zur effektiven Vermeidung von Glücksspielsucht und Manipulationsgefahren zuführt. Ein dem Gleichbehandlungsgrundsatz Rechnung tragendes Lizenzierungsmodell, wie es nunmehr das Land Schleswig-Holstein vorschlägt, erscheint zumindest besser hierfür geeignet, als das bisherige, auf faktisch nicht einhaltbare Monopolstrukturen und Internet-Totalverbote setzende Glücksspielrecht.

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