Fahren ohne Fahrerlaubnis: Beschlagnahme des Fahrzeugs droht!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 16.01.2018
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht2|12028 Aufrufe

Eigentlich ist die Einziehung des Fahrzeugs nach einem Delikt des Fahrens ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG) eine eher theoretische Möglichkeit. In der Praxis passiert das kaum. Hier habe ich anlässlich anderer Recherchen eine Entscheidung aus Kleve aus letztem Sommer gefunden. Das LG Kleve war mit der Beschlagnahme einverstanden. Trotz oder auch gerade wegen des Exotendaseins der Fahrzeugeinziehung nach § 21 StVG sicher auch interessant für Blogleser:

Die Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unbegründetverworfen.
 
 
Gründe: 
 
I.
 
Die Staatsanwaltschaft führt ein Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten und Beschwerdeführer wegen des Verdachts des Fahrens ohne Fahrerlaubnis sowie der Trunkenheit im Verkehr. Der Beschuldigte führte am 14.03.2017 in Emmerich unter anderem auf der B 220 den PKW BMW mit dem amtlichen Kennzeichen KLE-x …. Dabei wurde er von dem Zeugen Q van Os, der an jenem Tag Streifendienst verrichtete, beobachtet und konnte nach einer kurzen Verfolgungsjagd festgehalten werden. Der Beschuldigte ist als Halter des Fahrzeugs in den Kraftfahrzeugpapieren eingetragen.
 
In einer am Tattag bei dem Beschuldigten entnommenen Blutprobe wurden Tetrahydrocannabinol und Metabolite dieses Betäubungsmittels festgestellt.
 
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft ordnete das Amtsgericht Kleve mit Beschluss vom 12.05.2007 die Beschlagnahme des vorstehend beschriebenen Kraftfahrzeugs an. Seine Entscheidung stützte das Amtsgericht darauf, dass der Beschuldigte in den Jahren 2009 bis 2017 vier Mal (zuletzt am 06.02.2017) wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis bestraft worden ist und die Gefahr besteht, dass er auch in Zukunft mit seinem PKW beispielsweise von seinem Wohnort Emmerich zu seiner Ausbildungsstelle in Kleve fahren werde.
 
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Beschuldigten. Dieser macht geltend, dass das Fahrzeug im Sicherungseigentum der Tante seines Freundes stehe. Diese habe ihm für den Erwerb des Fahrzeugs ein Darlehen von 26.000 € gewährt; der Beschuldigte habe ihr zur Sicherung das Eigentum an dem Fahrzeug übertragen.
 
Das Darlehen sei inzwischen notleidend geworden. Aus diesem Grunde und weil sie nicht gewusst habe, dass der Beschuldigte keinen Führerschein habe, fordere die Tante des Beschuldigten das Fahrzeug von diesem nunmehr zurück.
 
II.
 
Die Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
 
Das tatbetroffene Fahrzeug durfte beschlagnahmt werden, weil die Annahme begründet ist, dass die Voraussetzungen für seine Einziehung im Verfahren zur Hauptsache vorliegen (vgl. § 111b Abs. 1 S. 1 StPO). Die Einziehung kommt hier nach Maßgabe des § 21 Abs. 3 StVG in Betracht. Denn der Beschuldigte ist nach dem Ergebnis der bisherigen Ermittlungen 14.03.2017 dringend verdächtig, das Fahrzeug geführt zu haben, ohne im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis zu sein. Dies rechtfertigt nicht nur nach § 21 Abs. 3 Nr. 1 StVG, sondern auch nach Absatz 3 Nr. 2 dieser Vorschrift die Einziehung des bei der Tat benutzte Fahrzeugs, weil der Beschuldigte in den letzten drei Jahren vor der Tat bereits wegen eines Vergehens nach § 21 Abs. 1 StVG bestraft worden ist: Das Amtsgericht Lünen hatte ihn am 25.11.2015 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe verurteilt.
 
§ 21 Abs. 3 StVG findet entgegen der im Schriftsatz des Verteidigers vom 30.06.2017 vertretenen Auffassung auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.04.2017 Anwendung, mit dem die Vorschriften des Siebenten Titel des Dritten B des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches neu gefasst worden sind. Richtig ist zwar, dass die sogenannten Beziehungsgegenstände nicht von dem Wortlaut des § 74 Abs. 1 a. F. StGB erfasst wurden. Gerade im Hinblick darauf ist die Einziehung von Kraftfahrzeugen, die bei Taten nach § 21 StVG benutzt worden sind, in der Sondervorschrift des § 21 Abs. 3 StVG geregelt worden. Nunmehr stellt § 74 Abs. 2 n. F. StGB ausdrücklich klar, dass sich die Einziehung der Beziehungsgegenstände („Tatobjekte“ nach dem Wortlaut der neuen Vorschriften) nach Maßgabe besonderer Vorschriften bestimmt. Das Gesetz vom 13.04.2017 hat § 21 Abs. 3 StVG unverändert gelassen.
 
Dass das Fahrzeug möglicherweise dem Beschuldigten nicht gehört, steht der im Ermittlungsverfahren getroffenen angefochtenen Maßnahme nicht entgegen. Bereits nach der bis zum 30.06.2017 geltenden Rechtslage war die Einziehung auch der nicht im Eigentum des Täters stehenden Gegenstände nach Maßgabe des § 74 Abs. 4 in Verbindung mit § 74 Abs. 2 Nr. 2 (beide a. F.) StGB zulässig, wenn die Gefahr besteht, dass sei der Begehung rechtswidriger Taten dienen werden (vgl. dazu Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 26. Mai 1994 – 2St RR 77/94 – und LG Bielefeld, Beschluss vom 24. August 2012 – 8 Qs 346/12 –, beide Entscheidungen zitiert nach juris). Diese Rechtslage hat sich nach der Neufassung der Vorschriften über die Einziehung durch das Gesetz vom 13.04.2017 nicht geändert (vgl. nunmehr § 74b Abs. 1 Nr. 2 n. F. StGB).
 
Hier liegen die Voraussetzungen für eine derartige Sicherungseinziehung nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen vor. Der Beschuldigte ist in den Jahren 2009 und 2011 vom Amtsgericht Emmerich und im Jahr 2015 vom Amtsgericht Lünen wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis sowie am 06.03.2017 vom Amtsgericht Kleve wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis bestraft worden. Nachdem er im vorliegenden Verfahren am 14.03.2017 von Polizeibeamten angehalten worden war, legte er zudem einen Führerschein vor, den er wegen der früheren Delikte hätte abgeben müssen. Jedoch hatte er eine eidesstattliche Versicherung des Inhalts abgegeben, dass er den Führerschein verloren habe; tatsächlich hatte der Beschuldigte das Dokument in seinem Besitz behalten. Das Amtsgericht Kleve hat darüber hinaus in der angefochtenen Entscheidung darauf abgehoben, dass nach seinen Feststellungen im Urteil vom 06.03.2017 noch für jedenfalls ein Jahr in der Berufsausbildung in der Einrichtung Theodor-Brauer-Haus in Kleve befinden werde. Angesichts dieser Umstände ist die Annahme des Amtsgerichts im Beschluss vom 12.05.2017 gerechtfertigt, dass der Beschuldigte „wie selbstverständlich“ auch in Zukunft mit dem PKW von Emmerich nach Kleve zu seinem B-Platz fahren werde, wobei dieser Gefahr durch die Beschlagnahme des Wagens begegnet werden müsse.
 
Die Frage, wie sich der Umstand auswirkt, dass das Fahrzeug im Sicherungseigentum einer dritten Person steht, braucht im vorliegenden Verfahren nicht beantwortet zu werden. Das Eigentum der dritten Person steht, wie bereits ausgeführt worden ist, einer Einziehung des Fahrzeugs nicht grundsätzlich entgegen; gegebenenfalls ist die Sicherungseigentümerin nach Maßgabe des § 74b Abs. 2 und Abs. 3 n. F. StGB zu entschädigen. Dies wird jedoch ebenso wie die Frage, ob hier tatsächlich das Eigentum an dem Fahrzeug der Tante des Freundes des Beschuldigten zusteht, in der Hauptverhandlung zu klären sein.
 
LG Kleve Beschl. v. 25.7.2017 – 120 Qs 51/17, BeckRS 2017, 124924, beck-online

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