LG Köln: Jetzt doch keine Bewährung nach Tod bei illegalem Straßenrennen (Raserfall 1)

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 24.03.2018

Illegale Autorennen führten in den vergangenen Jahren immer wieder zu schweren Unfällen teils mit tödlichem Ausgang (Übersicht im Anhang). Natürlich ist jeder Fall durch individuelle Umstände geprägt, gleichwohl reicht die Spannbreite der ergangenen Urteile bei tödlichen Folgen von fahrlässiger Tötung mit Bewährung und bis hin zur Verurteilung wegen Mords. Seit 13.10.2017 droht der neue § 315d Abs. 3 StGB eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren an, wenn der Täter durch die Tat den Tod eines anderen Menschen verursacht.

Heute zum tragischen Unfall im Jahr 2015 in Köln, der bundesweit Entsetzen auslöste (zum Berliner Fall demnächst): Die beiden in Deutschland geborenen Türken lieferten sich im Kölner Stadtzentrum ein spontanes Rennen. Bei Tempo 95 schleuderte einer der Wagen gegen eine 19-jährige Studentin, die mit dem Rad auf dem Nachhauseweg war, und an den Unfallfolgen verstarb.

Das LG Köln verurteilte die beiden Raser im Jahr 2016 wegen fahrlässiger Tötung zu Freiheitsstrafen von zwei Jahren sowie einem Jahr und neun Monaten jeweils mit Strafaussetzung zur Bewährung. Dieses milde Urteil kritisierte eine breite Öffentlichkeit heftig als verhängnisvolles Signal einer schlappen Justiz. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft beanstandete der 4. Strafsenat des BGH in seinem Urteil vom 6.7.2017 - 4 StR 415/16 - zwar nicht die Höhe der Strafe, aber ihre Aussetzung zur Bewährung. Die beiden jungen Männer hätten eine besondere Rücksichtslosigkeit an den Tag gelegt, zudem habe das angegriffene Urteil mit Blick auf § 56 Abs. 3 StGB nicht ausreichend erörtert, „wie sich unter dem Gesichtspunkt der Verteidigung der Rechtsordnung eine Strafaussetzung zur Bewährung auf das allgemeine Rechtsempfinden der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts auswirken würde.“

Am 22.03.2018 entschied nun das LG Köln, dass die Strafen nicht zur Bewährung ausgesetzt werden können. Das Gericht folgt dabei in weiten Teilen der Argumentation des BGH. Zwar sei die Sozialprognose der Angeklagten günstig. Doch zusätzlich fordere § 56 Abs. 2 StGB bei Freiheitsstrafen von über einem Jahr "besondere Umstände", die eine Bewährung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände konnte das Gericht nicht feststellen. Dass die Raser unter den psychischen Folgen der Tat litten und sich im Prozess entschuldigt haben, ändere daran nichts; denn die sei im Wesentlichen geprägt durch das bewusste Schaffen einer Gefahr, durch eine äußerst aggressive Fahrweise bei dem illegalen Rennen. „Einer der beiden Angeklagten habe sich vielmehr schon dadurch disqualifiziert, dass er seine Tat bei einem Termin auf dem Ausländeramt klein geredet habe, zudem sei er 2016 bei einer Raser-Kontrolle als Beifahrer erwischt worden. Die Angeklagten hätten in vollem Bewusstsein gehandelt, mit ihrem Rennen erhebliche Gefahr anzuschaffen. In einer Zeit, in der es in Deutschland immer wieder schwere Raser-Unfälle gebe, dürfe das Recht nicht dem Unrecht weichen“ (FAZ vom 23.3.2018 S. 10).

Der Staatsanwalt hatte in seinem Plädoyer gewarnt, dass Bewährungsstrafen ein falsches Signal in die Raserszene senden würden – nämlich, dass Täter sogar bei einem tödlichen Unfall mit Bewährung davonkämen. Einer der Verteidiger kritisiert dagegen, an seinem Mandanten solle ein Exempel statuiert werden.

Das Urteil des LG Köln ist noch nicht rechtskräftig. Die Verteidiger der Angeklagten ließen die Frage offen, ob ihre Mandanten in Revision gehen werden.

Anhang

AG Köln, Bewährungsstrafe für Raser nach Autorennen mit tödlichem Ausgang, Meldung der beck-aktuell-Redaktion vom 13.01.2016, becklink 2002111

LG Hagen verhängt Freiheitsstrafen für zwei Raser nach Unfall mit Verletzten, Meldung der beck-aktuell-Redaktion vom 04.07.2017, becklink 2007151

LG Hamburg verurteilt beide Fahrer nach tödlichem Autorennen:, Meldung der beck-aktuell-Redaktion vom 08.01.2018, becklink 2008739

BGH kippt Mordurteil für Raser

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Zu den rechtlichen Voraussetzungen, wann eine Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann, sind je nach der Strafhöhe drei Fallgruppen zu unterscheiden, von denen hier (weil für den ersten Blogeintrag einschlägig) nur auf dritte Fallgruppe näher eingegangen wird:

  1. Freiheitsstrafe unter sechs Monaten
  2. Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu einem Jahr
  3. Freiheitstrafe von mehr als einem Jahr aber nicht mehr zwei Jahren
  • Günstige Kriminalprognose, § 56 Abs. 1 StGB
  • Besondere Umstände bei Gesamtwürdigung Tat und Persönlichkeit des Täters, § 56 Abs. 2 StGB
  • Verteidigung der Rechtsordnung darf der Strafaussetzung zur Bewährung nicht entgegenstehen, § 56 Abs. 3 StGB

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