Gleichheit und Gemeinnützigkeitsrecht

von Prof. Dr. Claus Koss, veröffentlicht am 08.04.2018
Untersuchung zum Ausschluss von Ausländern bei Tafeln

Vox populi: "Haben Sie Verständnis für die Entscheidung, vorläufig keine Ausländer als Kunden bei der Essener 'Tafel' aufzunehmen?", fragte das Institut für Demoskopie Allensbach. 61% der rund 1.200 deutschen Beragten von 16 Jahren an antworteten: "Ja" - 20% "Nein" und 19% waren unentschieden (Quelle: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 8. April 2018, S. 21).

L'esprit des Loix:  § 51 Abs. 3 AO schließt extremistische Organisationen von den Steuervergünstigungen des Gemeinnützigkeitsrechts aus. Denn die Einstufung von extremistischen Körperschaften als steuerbegünstigte wäre ein Widerspruch in sich (BT-Drks. 16/10189, S. 79f.; BT-Drks. 16/11108, 48).  Bereits vor Einführung dieser Regelung durch das JStG 2009 war anerkannt, dass die Vergünstigung der Gemeinützigkeit nicht gewährt werden kann, wenn das Verhalten der Körperschaft auf einen Verstoß gegen die verfassungsmäßige staatliche Ordnung und auf ein Abweichen von den unter der Gesetzestreue stehenden Satzungsbestimmungen hinauslaufen würde (Martini, in: Winheller/Geibel/Jachmann-Michel, Gesamtes Gemeinnützigkeitsrecht, § 51 AO, Rz. 64 unter Hinweis auf BFHE 142, 243 = BStBl II 1985, 106, und BFHE 237, 22 = BStBl. II 2013, 146).

Es ist allgemein anerkannt, dass in der deutschen Rechtsordnung niemand aufgrund seiner Heimat oder Herkunft benachteiligt werden darf (Art. 3 Abs. 3 GG). Diese im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte gehören zum Schutzbereich der freiheitlich demokratischen Grundordnung (§ 4 Abs. 2 Bst. g) Bundesverfassungsschutzgesetz).
Ein Ausschluss von Ausländern, weil sie Ausländer sind, wäre damit ein Verstoß gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung und könnte damit einen Anwendungsfall des § 51 Abs. 3 AO darstellen.

Doch dann kommt das gleiche praktische Problem, das der Generalsuperintendent und Oberhofprediger in Weimar sowie Trauerredner zur Bestattung Johann Wolfgang von Goethes, Johann Friedrich Röhr (1777-1848), beschrieb: Wir können "der Wahrheit und dem Lichte, so viel wir können, Bahn und Raum machen; der Verblendung, dem Laster, der Bosheit steuern, so weit nur immer unser Arm reicht" (Christologische Predigten oder geistliche Reden über das Leben, den Wandel und die Lehre und die Verdienste Jesu Christi, Stuttgart 1833, S. 12).

Oder, um es als Ökonom zu sagen: die Ressourcen auch der Tafeln sind begrenzt. Die in steuerbegünstigten Körperschaften Verantwortlichen müssen also Kriterien finden, wie sie diese verteilen. Oder, um es juristisch zu formulieren: sie müssen sachliche Kriterien finden, warum sie bestimmte Hilfsbedürftige ausschließen und andere bevorzugen? Ein Parallelfall: Einem Krankenhaus wird niemand den Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung machen, wenn alle Betten und Operationssäle belegt sind.

Das Kriterium der Herkunft ist kein sachliches Kriterium, auch die Hautfarbe nicht. Wenn, wie es in der Presse beschrieben wurde, Besucher durch Pöbeleien oder die Belästigung anderer Kunden oder ehrenamtlicher Mitarbeiter negativ auffielen, dann ist im Einzelfall ein Ausschluss gerechtfertigt. Unflätigkeit oder Tätlichkeiten sind aber erfahrungsgemäß keine Frage der Herkunft. Ebenfalls gerechtfertigt sind nach hier vertretener Auffassung Scoring-Modelle. Menschen, die Kinder versorgen müssen, Alte, Kranke und Behinderte können m.E. bevorzugt bei der Tafel versorgt werden. Auch die örtliche Nähe des Wohnorts kann ein Kriterium für eine bevorzugte Versorgung darstellen. Bei der Beurteilung der Bedürftigkeit können sich die ehrenamtlichen Mitarbeiter auf äußere Beweisanzeichen abstützen. Ein neues, wertvolles Mobiltelefon kann dabei ebenso zählen wie die Tatsache, dass jemand mit einem größeren Auto einer gehobenen Preiskategorie vorfährt. Beide Beispiele wurden in den Tagesmedien angeführt.

Ein pauschaler Ausschluss bestimmter Personengruppen verstößt jedoch ebenso gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz wie der Ausschluss aufgrund von Vorurteilen oder 'unguter Gefühle'. Deren Förderung kann nicht mildtätig oder gemeinnützig sein.

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3 Kommentare

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Ich glaube, das greift etwas zu kurz. Erster Schritt ist zu prüfen, ob eine Ungleichbehandlung vorliegt. Wird das bejaht, ist zu prüfen, ob diese gerechtfertigt oder sogar geboten ist. Gleiches ungleich zu behandeln, ist unzulässig - aber auch, ungleiches gleich zu behandeln.

Wenn ein Frauenhaus nur Frauen aufnimmt, ist das eine Benachteiligung von Männern - aber gerechtfertigt. Nicht jeder Mann ist gewalttätig. Wenn eine Frau jeden Mann unter Generalverdacht stellt, ist das sexistisch. Aber den aufgenommenen Frauen soll das aufgrund ihrer spezifischen Erfahrung quasi erlaubt werden, was m. E. auch nachvollziehbar ist.

Das rechtliche (und politische) Problem steckt hier m. E. in der Frage, ob es gerechtfertigt ist, keine weiteren Ausländer in den Kundenkreis aufzunehmen, weil andere Kunden sich belästigt oder bedrängt fühlen. Nun muss man fragen: Ist das so? Ist der Ausschluss weiterer Ausländer geeignet, das Problem zu mildern? Gibt es mildere Mittel? Und last, but not least: Ist das trotz aller etwaigen Gründe dafür rechtlich hinnehmbar?

Man muss m. E. Acht darauf geben, hier wirklich den konkreten Einzelfall in seiner Komplexität zu würdigen. In 99 von 100 Fällen drehen sich Diskriminierungsfälle mit Ausländern darum, dass die Ausländer die schwächere, zu schützende Gruppe sind. Diese Fälle sind einfach nach schwarz-weiß zu lösen. Hier haben wir ein etwas komplexeres Bild.

Ein Männerhaus, in dem Männer vor keifenden Eherfrauen Zuflucht nehmen können, würde uns erst einmal verblüffen, weil wir darauf programmiert sind, Frauen als die Schwächeren, die schützenswerte Gruppe wahrzunehmen. Aber von diesem Gedanken haben wir uns rechtlich getrennt, und daher müsste man wohl denselben Maßstab anlegen wie bei einem Frauenhaus - auch das Männerhaus wäre okay.

Vielleicht gilt dasselbe hier: Falls man die Benachteiligung als gerechtfertigt ansieht, mag das kurios erscheinen, aber trotzdem richtig sein.

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Eben weil die Ressourcen begrenzt sind, gelten für ehrenamtliche/Gemeinnützige sicher andere Kriterien an die Zumutbarkeit. Soll die Tafel aus ihren (welchen?) Ressourcen einen Sicherheitsdienst bezahlen, der für Ordnung sorgt und individuell erteilte, sorgfältig abgewogene diskriminierungsfreie Hausverbote gegen ggf. renitente Besucher durchsetzt? Oder sich mal ein blaues Auge einfangen, falls man das ohne Security selbst versucht?  

Das mit der Security kann vielleicht ein Bundesligaverein, der sich dank Nebenzweckprivilegs dumm und dämlich verdient und sich zudem ausgiebig polizeilicher Ressourcen bedient, um seine Spiele spielbar zu machen,  so tun, aber sicher keine Tafel. 

Dank der Verrechtlichung aller Lebensbereiche bis hin in die ehrenamtliche soziale Tätigkeit mit Ermahnungen durch Bundesbeauftragte und Strafanzeigen durch Lobbyvereine bei etwaigen tatsächlichen oder vermeintlichen Fehltritten oder Rechtsverstößen braucht man sich nicht wundern, wenn die Leute irgendwann hinschmeißen und mit Friedrich August dem III. sagen: Macht doch eiren Drägg alleene.

 

 

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Aus Sicht eines jahrzehntelang auch ehrenamtlich Tätigen kann ich den Frust über die oft fehlende Anerkennung verstehen. Zumindest im Strafrecht sind die Leistungen der Ehrenamtlichen anerkannt. Das OLG Hamm, Beschluss vom 6. März 2018 - 4 RVs 19/18, ist der Rechtsauffassung des LG Paderborn gefolgt. Dieses hatte bei der Strafbemessung für die Körperverletzung und Beleidigung eines ehrenamtlichen Mitarbeiters im Dienst bei der Tafel Höxter strafverschärfend berücksichtigt, dass die ehrenamtlichen Mitarbeiter dem Täter ja eigentlich helfen wollen.

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