Rechtsanwälte: Übernahme Pflichtbeiträge als geldwerter Vorteil?

von Prof. Dr. Claus Koss, veröffentlicht am 11.06.2018
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Eine Rechtsanwaltssozietät übernahm für eine angestellte Rechtsanwältin Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung, zur Rechtsanwaltskammer und zum Deutschen Anwaltsverein sowie die Umlage für das besondere elektronische Anwaltspostfach. Nach einer Lohnsteueraußenprüfung wollte das Finanzamt Lohnsteuer auf die übernommenen Beiträge. Das Finanzgericht Münster  (Urteil v. 01.02.2018 - 1 K 2943/16, Rev. eingel.) folgte der Rechtsauffassung der Finanzbehörde, dass es hier Arbeitslohn vorliege. Die Übernahme habe nicht im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse der Klägerin als Arbeitgeberin gelegen:

  • Eine Berufshaftpflichtversicherung sei unabdingbar für die Ausübung des Anwaltsberufs und decke das persönliche Haftungsrisiko der Anwältin ab. Die Pflicht zum Abschluss einer solchen Versicherung diene neben dem Schutz der Mandanten auch der unabhängigen und eigenverantwortlichen Tätigkeit des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege. Nur durch diesen Versicherungsschutz sei eine interessengerechte Mandantenvertretung möglich.
  • Auch die Übernahme der Beiträge zur Rechtsanwaltskammer führe zu Arbeitslohn. Die Anwaltszulassung der Arbeitnehmerin habe zwar auch im betrieblichen Interesse der Klägerin gelegen. Sie sei jedoch auch zwingende Voraussetzung für die selbstständige Ausübung einer Anwaltstätigkeit und könne daher auch im Fall einer beruflichen Veränderung der Anwältin von Vorteil sein.
  • Da die Einrichtung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs nicht für die Sozietät der Klägerin, sondern für jeden Rechtsanwalt einzeln erfolge, stünden die Kosten für das für die angestellte Rechtsanwältin eingerichtete Postfach in ihrem eigenen beruflichen Interesse.
  • Schließlich stelle auch die Übernahme der Beiträge zum Deutschen Anwaltsverein Arbeitslohn dar. Die Vorteile der Mitgliedschaft, insbesondere die berufliche Vernetzung sowie der vergünstigte Zugang zu Fortbildungsangeboten und zu Rabattaktionen wirkten sich für die Rechtsanwältin unabhängig von ihrem Anstellungsverhältnis aus.

Die Argumentation des Finanzgerichts und dem vorausgehend der Finanzverwaltung überzeugt nicht in allen Punkten. Bei der Übernahme der Mitgliedsbeiträge für den Deutschen Anwaltsverein e.V. kann der Verfasser eine private Mitveranlassung nachvollziehen.
Bei den übrigen Beiträgen führt der Verweis auf ein Parallelbeispiel jedoch zu einem sachgerechten Ergebnis: Wenn ein Bauunternehmen einem Bauarbeiter Schutzkleidung zur Verfügung stellt, z.B. einen Bau-Schutzhelm, oder ein Feuerwehrmann Schutzkleidung tragen muss, würde wohl niemand steuerpflichtigen Arbeitslohn ernstlich annehmen. Auch wenn es in der Arbeit eines Rechtsanwalts manchmal heiß hergeht, er braucht keine Schutzkleidung, aber eine Berufshaftpflichtversicherung und muss Mitglied in der Rechtsanwaltskammer sein, um für seinen Arbeitgeber arbeiten zu können. Wie der Bauunternehmer niemanden ohne Helm auf die Baustelle, die Kommune den Feuerwehrmann zum Einsatz lassen darf, darf auch eine Rechtsanwaltssozietät einen Rechtsanwalt nicht ohne Versicherungsschutz oder ohne Mitgliedschaft in der Kammer zum Mandanten lassen. Wo soll da der geldwerte Vorteil und damit Arbeitslohn sein?

Die betroffene Rechtsanwaltsozietät hat Revision, damit der BFH Klarheit herstellen kann.

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11 Kommentare

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Stimmt! Und in der Titelzeile fehlt inmitten "Übernahme Pflichtbeiträge", was offenbar ein Genitiv sein soll, ein "der". Dass der Tod des Genitives vorhergesagt und stattdessen der "Vonitiv" erfunden wurde, rechtfertigt nicht, jetzt beim Genitiv gleich gar nichts mehr zu schreiben, also quasi die Erfindung des "Nixitivs". Schweigen Lämmer ein Roman...

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Lieber Himbeer Toni,

vielen Dank für den Hinweis auf die offenbare Unrichtigkeit. Der Verfasser hat den Text korrigiert.

Man sollte eben nichts   o h n e  drittes Durchlesen veröffentlichen.

Es wäre mir auch lieber, wenn es nicht als Arbeitslohn gälte, aber ich finde den Vergleich nicht ganz treffend.

Der Arbeitgeber des Bauarbeiters ist gesetzlich verpflichtet, Vorkehrungen zum Schutz seiner Arbeitnehmer zu treffen. Stellt er Helme zur Verfügung, kommt er seinen eigenen Pflichten nach.

Die Verpflichtung zur Berufshaftpflicht trifft aber die individuellen Anwälte selbst. Der Arbeitgeber hier übernimmt also unentgeltlich die Erfüllung einer Pflicht seiner Angestellten. Außerdem kann sich ein Anwalt nicht darauf beschränken, sich für die Tätigkeit für einen bestimmten Arbeitgeber zu versichern. Wenn die Anwältin im Fall also nebenbei noch tätig wird, sind diese Tätigkeiten auch versichert, selbst wenn sie nicht im Zusammenhang mit der Anstellung stehen.

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Nach Auffassung des Verfasser schützt die Verpflichtung zur Berufshaftpflicht in erster Linie den Mandanten. Denn er soll zum Verlust einer Rechtsposition nicht auch noch die finanziell geschädigt werden. In zweiter Linie ist es auch eine Form von Arbeitnehmerschutz. Denn ein Fehler soll den betroffenen Anwalt nicht ruinieren. Insoweit sehe ich auch die Parallele zum Schutzhelm.
 

Aber der Arbeitnehmer (angestellter Anwalt) haftet gegenüber dem Mandanten mangels Vertragsbeziehung gar nicht für Vermögensschäden. Und gegenüber dem Arbeitgeber gelten die allgemeinen Einschränkungen der Arbeitnehmerhaftung, hier hat der angestellte Anwalt also schon einen Schutzhelm. Außerdem: Deckt die Berufshaftpflicht überhaupt Schäden aus einem Arbeitsverhältnis ab?

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Ich finde es befremdlich, dass auf der einen Seite Arbeitslohn vorliegen soll, aber auf der anderen Seite Werbungskostenabzug gewährt wird. Sämtlicher anderer Aufwendungsersatz wird doch auch (über den Wortlaut von § 3 Nr. 16, Nr. 30, Nr. 31 EStG hinaus) als Aufwendungsersatz und nicht als Einnahme des Arbeitnehmers qualifiziert.
 

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Um welchen Berufshaftpflichtversicherungsbetrag geht es genau? Diejenige über die Sozietät (innerhalb einer Gruppemversicherung) oder diejenige, die man zusätzlich noch selbst abschließen muss, weil man außerhalb des Arbeitsverhältnisses theoretisch tätig sein könnte? Erstere liegt m.E. Im ureigensten Interesse des AG.

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Aus den mir vorliegenden Unterlagen ist leider nicht erkennbar, ob es sich um die Berufshaftpflichtversicherung der Sozietät oder eine (zusätzliche) individuelle handelt.
 

Die Fragen sind doch schön längst höchstrichterlich entschieden (vgl. BFH, U. v. 26.7.2007 - VI R 64/06; U. v. 17.01.2008, VI R 26/06). Die Revision wurde gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, "um dem BFH die Gelegenheit zu geben, sich mit den im hiesigen Verfahren vorgebrachten Argumenten gegen eine Lohnsteuerpflicht der Übernahme der Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung, insbesondere dem Sinn und Zweck des § 51 BRAO, nochmals auseinanderzusetzen". Das ist kein Revisionszulassungsgrund und begründet keine "grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache", da wegen der bereits erfolgten höchstrichterlichen Klärung die nötige Klärungsbedürftigkeit fehlt. Neue Argumente gibt es nicht. Das FG Münster hat die Revion völlig zu Unrecht zugelassen. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist keine willkürlich zu handhabende ABM-Maßnahme für den BFH nach Gusto der Instanzgerichte!
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Warum wird eigentlich bei der Äußerung eigener Ansichten nicht zumindest auf die gefestigte a. A. des BFH hingewiesen?
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