Loveparade 2010 in Duisburg - acht Jahre später

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 24.07.2018
Rechtsgebiete: StrafrechtKriminologieMaterielles Strafrecht14|6900 Aufrufe

Heute jährt sich das Geschehen bei der Duisburger Loveparade, das 21 Tote und viele Verletzte forderte, zum achten Mal. Seit letzten Dezember findet im Düsseldorfer Messezentrum die Hauptverhandlung statt. Wie oft bei wichtigen und „großen“ Strafprozessen mit vielen Hauptverhandlungstagen ist das öffentliche Interesse am Anfang groß und lässt dann im Lauf der Zeit deutlich nach (vgl. WDR-Bericht von heute).

Der WDR betreibt allerdings nach wie vor seinen verhandlungstäglichen Blog, dem ich meine Informationen über den Prozessverlauf entnehme. Allerdings sind dies nur recht knappe Zusammenfassungen und Einschätzungen zu den jeweiligen Verhandlungstagen, ein Wortprotokoll gibt es nicht.

Etwas Aufsehen erregten vor einigen Wochen die Zeugenvernehmungen des damaligen Oberbürgermeisters Sauerland und des Chefs der Veranstalterfirma Lopavent GmbH, die von Vielen als zumindest politisch/moralisch Hauptverantwortliche wahrgenommen wurden und werden. Hier im Blog habe ich mehrfach erläutert, warum eine Anklageerhebung gegen diese beiden wahrscheinlich nicht erfolgte: Auch wenn sie grundsätzlich die treibenden Kräfte für die Veranstaltung waren, so ist eine unmittelbare Beteiligung an den konkreten Planungsdetails der Loveparade und damit an den Ursachen für die Tötungen und Verletzungen strafrechtlich kaum nachweisbar.

Bei seiner Zeugenaussage wies Sauerland nicht nur jegliche Einbeziehung seiner eigenen Person in die konkrete Planung zurück, er stellte sich auch vor „seine“ städtische Verwaltung insgesamt. Zitat WDR-Blog:

 „Wenn ich Fehler hätte erkennen können, die auf Seiten der Stadt Duisburg passiert wären, hätte ich mich im Nachgang der Loveparade anders verhalten.“ Der Zeuge Adolf Sauerland spricht im Konjunktiv, denn auch am zweiten Tag der Anhörung bleibt er bei seiner Linie. Er sei damals wie heute felsenfest davon überzeugt, dass bei der Stadt Duisburg keine Fehler gemacht wurden. Fehler habe es offensichtlich gegeben, „aber die müssen woanders liegen.“

Im Unterschied zu Sauerland hatte Rainer Schaller, der Chef der Veranstalterfirma, am Tag seiner Zeugenvernehmung eine Erklärung an die Nebenkläger bzw. Angehörigen der Opfer vorbereitet, in der er die „moralische Verantwortung“ übernahm. Aber in die konkrete Planung sei er nicht involviert gewesen, so dass er die technische/operative Verantwortung ablehnte. Zitat WDR-Blog:

„An konkreten Entscheidungen will er nicht beteiligt gewesen sein. Die Verantwortung gibt er weiter an seine ehemaligen Mitarbeiter, die auf der Anklagebank sitzen. Nach dem Unglück habe er wochenlang gemeinsam mit seinem Team die Videoaufzeichnungen studiert. Eine Schuld bei sich und seinen Leuten habe er bis heute nicht entdeckt.“

„Glaubt man Rainer Schaller, so vertraute er seinen Mitarbeitern und deren immer wiederkehrenden Versicherungen blind, man könne alle – auch die sicherheitsrelevanten – Probleme lösen. So gut wie gar nicht will sich Schaller um das gekümmert haben, was organisatorisch in seinem Namen als Geschäftsführer der Lopavent unternommen oder unterlassen wurde. Sein Mitarbeiter habe als Head of Operations quasi den Status als Geschäftsführer gehabt.“

Zuletzt ging es Anfang Juli  um die Zuständigkeiten für den Veranstaltungsort. So heißt es im WDR Blog über den damaligen Abteilungsleiter beim Ordnungsamt (Zitat WDR-Blog)

„Der 64-jährige war damals für die Sicherheit auf den öffentlichen Straßen zuständig, die zum Gelände führten. Bei der Planung war er von Anfang an dabei. (…) Als klar gewesen sei, dass das Gelände am Bahnhof eingezäunt werden müsse, sei ein Druck vom Ordnungsamt abgefallen. Denn damit sei man nicht mehr zuständig gewesen. Das Bauamt soll dann den Druck gehabt haben.“  (...) Auch die Verantwortung? Jedoch wird an diesem Verhandlungstag auch die Frage angesprochen, die möglicherweise mitentscheidend ist: Welche Behörde war eigentlich zuständig für die Überwachung der Sicherheitsvoraussetzungen am konkreten Unglücksort und wurden diese eingehalten?"

 Diese Frage ist seit 2010 – auch hier im Blog – diskutiert worden: Die Tunnelzuwege und die Zufahrtsrampe von den Tunneln nach oben zählten formal auf jeden Fall zum Veranstaltungsgelände, wurde aber offensichtlich nicht als solche Fläche behandelt. Dies betrifft gerade das „Nadelöhr“, das in der Planung zwar als solches thematisiert wurde, aber letztendlich in den wenigen Tagen vor der Genehmigung und insbesondere im „Sicherheitskonzept“ offenbar zu wenig Beachtung fand.

Nun kann es schlicht ein „Versehen“ gewesen sein, dass sich weder die eine noch die andere Seite für zuständig hielt bzw. man unterschiedlich interpretierte, wie die Grenze zwischen Veranstaltungsgelände und öffentlichem Straßenraum zu bestimmen war. Aber es kann auch eine Absicht dahinterstecken:

Zählt man Tunnel und Rampe nicht zum Veranstaltungsgelände, dann kann man sich bezüglich Brandschutz und Sicherheitskonzept auf das Gelände "oben" beschränken. Rampe und Tunnel werden dann als Fluchtwege, nicht aber als zum Veranstaltungsgelände gehörig erfasst, so dass insbesondere nicht auffällt, dass hier über hunderte Meter, in denen sich einige tausend Personen gleichzeitig aufhalten sollten, kein eigener Notausgang bzw. Fluchtweg befindet. Eine nähere Betrachtung dieser Situation hätte möglicherweise dazu geführt, dass man die Veranstaltung gar nicht an diesem Ort und mit dieser "Nadelöhr"-Eingangs/Ausgangslage hätte genehmigen bzw. durchführen können - und auch darüber haben Mitarbeiter des Veranstalters mit dem Anwalt bereits vor der Veranstaltung diskutiert.

Zum Brandschutz und damit zum Sicherheitskonzept gehörte auch die (schon früher hier im Blog mehrfach thematisierte) „Entfluchtungsanalyse“ der Firma TraffGo. Wie auch hier im Blog schon mehrfach diskutiert, zeigt auch eines der Szenarien der Entfluchtungsanalyse, dass durch die Tunnel maximal 60000 Personen pro Stunde in einer Richtung unterwegs sein könnten, und offenbart damit einen Widerspruch zur Zugangsplanung, nach der am Nachmittag innerhalb einer Stunde jeweils bis zu 145000 Personen in beiden Richtungen die Tunnel passieren sollten. Inwieweit die Planungen mit der Realität am 24.07.2010 übereinstimmten, ist allerdings bislang noch eine umstrittene Frage.

Noch ein weiterer Widerspruch hätte auffallen müssen: Auch die anderen Entfluchtungsszenarien enthielten die Rampe und die Tunnel jeweils als einen der Rettungswege/Fluchtwege. In den grafischen Darstellungen endete das Gelände schon am unteren Ende der Rampe, obwohl diese Lokalität noch eine erhebliche Tunnelstrecke vom eigentlichen Ausgang (vor den Tunneln) entfernt war. Außerdem wurde in diesen Szenarien nicht berücksichtigt, dass Rampe und Tunnel lt. Planung während der Veranstaltung nicht „frei“ waren, sondern ggf. von tausenden Menschen begangen wurden, die im Falle einer Entfluchtung erst einmal hätten umkehren müssen und wohl eine erhebliche Verzögerung und Stauung verursacht hätten. Das Entfluchtungsgutachten stellte also die Entfluchtung im „Normalfall“ dar, in dem während eines Konzerts bzw. einer Bühnenvorstellung alle Zuschauer vor Ort anwesend sind und bei einer notwendigen Flucht die Zugangswege frei sind. Geplant war aber eine Veranstaltung, die während des ganzen Ablaufs einen stetigen (und nachmittags sogar ansteigenden) Strom von neuen Zuschauern anziehen sollte (und zugleich viele Zuschauer schon wieder zurückgehen sollten).

Ein Schwerpunkt des Vorwurfs der Anklage ist, dass die Behörden sich mit dem in Teilen widersprüchlichen Gesamt-Sicherheitskonzept zufrieden gaben. Der rechtliche Standpunkt der Verteidigung ist, dass ihre Mandanten gar nicht zu einer Prüfung des Konzepts verpflichtet gewesen seien. Dieser Gegensatz brach schon in den ersten Stellungnahmen auf: Die Anwälte der Verwaltung legten dar, dass nur das Vorhandensein des Sicherheitskonzepts, nicht aber dessen inhaltliche Prüfung erforderlich gewesen sei. Diese Prüfung sei quasi im „Einvernehmen“ der Sicherheitsbehörden (Polizei/Feuerwehr) enthalten. Ob es ein solches Einvernehmen gegeben hat, wird ebenfalls kontrovers diskutiert. Die Staatsanwaltschaft hatte frühzeitig ein solches Einvernehmen verneint und daraus geschlossen, die Genehmigung sei rechtswidrig. Hier im Blog hatte ich die Auffassung vertreten, dass eine förmliche ausdrückliche Einvernehmenserklärung nicht erforderlich gewesen sei und dass das Verhalten der Feuerwehr- und Polizeivertreter in den Planungsgremien durchaus für ein positives (konkludentes) Einvernehmen spreche. Ob allerdings dieses Einvernehmen zugleich die Behördenmitarbeiter von einer eigenen Plausibilitätsprüfung des Sicherheitskonzepts entlasten, daran habe ich Zweifel.

Die genannten Fragen bzw. ihre Beantwortung sind fundamental auch für die strafrechtliche Bewertung, ob und welche Sorgfaltspflichten vorwerfbar von den Angeklagten verletzt wurden, die im ursächlichen und gefahrspezifischen Zusammenhang mit der Katstrophe stehen.

(Textkorrekturen am 27.07.2018)

Links zu früheren Beiträgen und Diskussionen hier im Beck-Blog und weiteren wichtigen Informationen, die im Netz verfügbar sind:

März 2018: Loveparade 2010 - Der Gullydeckel/Bauzaun-Komplex in der Hauptverhandlung (11 Kommentare, 3300 Aufrufe)

Dezember 2017: Loveparade 2010 - die Hauptverhandlung beginnt (69 Kommentare, ca. 9500 Aufrufe)

Juli 2017: Loveparade 2010 - sieben Jahre später: Hauptverhandlung in Sichtweite (61 Kommentare, ca. 5100 Aufrufe)

April 2017: Loveparade 2010 – OLG Düsseldorf lässt Anklage zu. Hauptverhandlung nach sieben Jahren (105 Kommentare, ca. 7500 Aufrufe)

Juli 2016: Loveparade 2010 - nach sechs Jahren noch kein Hauptverfahren (76 Kommentare, ca. 9200 Abrufe)

April 2016: Loveparade Duisburg 2010 - Fahrlässigkeiten, 21 Tote, keine Hauptverhandlung? (252 Kommentare, ca. 115000 Abrufe)

Juli 2015: Fünf Jahre und kein Ende – die Strafverfolgung im Fall Loveparade 2010 (98 Kommentare, ca. 11000 Abrufe)

Februar 2015: Was wird aus dem Prozess? (72 Kommentare, ca. 8000 Aufrufe)

August 2014: Zweifel am Gutachten (50 Kommentare, ca. 9000 Abrufe)

Februar 2014: Anklageerhebung (50 Kommentare, ca. 16000 Abrufe)

Mai 2013: Gutachten aus England (130 Kommentare, ca. 16500 Abrufe)

Juli 2012: Ermittlungen dauern an (68 Kommentare, ca. 14000 Abrufe)

Dezember 2011: Kommt es 2012 zur Anklage? (169 Kommentare, ca. 30000 Abrufe)

Juli 2011: Ein Jahr danach, staatsanwaltliche Bewertung sickert durch (249 Kommentare, ca. 39000 Abrufe)

Mai 2011: Neue Erkenntnisse? (1100 Kommentare, ca. 37000 Abrufe)

Dezember 2010: Fünf Monate danach (537 Kommentare, ca. 26500 Abrufe)

September 2010: Im Internet weitgehend aufgeklärt (788 Kommentare, ca. 43000 Abrufe)

Juli 2010: Wie wurde die Katastrophe verursacht - ein Zwischenfazit (465 Kommentare, ca. 51000 Abrufe)

Ergänzend:

Link zur großen Dokumentationsseite im Netz:

Loveparade2010Doku

speziell: Illustrierter Zeitstrahl

Link zur Seite von Lothar Evers: DocuNews Loveparade Duisburg 2010

Link zur Prezi-Präsentation von Jolie van der Klis (engl.)

Weitere Links:

Große Anfrage der FDP-Fraktion im Landtag NRW

Kurzgutachten von Keith Still (engl. Original)

Kurzgutachten von Keith Still (deutsch übersetzt)

Analyse von Dirk Helbing und Pratik Mukerji (engl. Original)

Loveparade Selbsthilfe

Multiperspektiven-Video von Jolie / Juli 2012 (youtube)

Multiperspektiven-Video von Jolie / September 2014 (youtube)

Interview (Januar 2013) mit Julius Reiter, dem Rechtsanwalt, der eine ganze Reihe von Opfern vertritt.

Rechtswissenschaftlicher Aufsatz von Thomas Grosse-Wilde: Verloren im Dickicht von Kausalität und Erfolgszurechnung. Über "Alleinursachen", "Mitursachen", "Hinwegdenken", "Hinzudenken", "Risikorealisierungen" und "Unumkehrbarkeitszeitpunkte" im Love Parade-Verfahren, in: ZIS 2017, 638 - 661.

Der Anklagesatz

Blog des WDR zur Hauptverhandlung (Berichte über jeden Prozesstag)

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14 Kommentare

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Wofür ist ein OB eigentlich da, wenn es sich um die grösste Veranstaltung in seiner Stadt nicht kümmert? Aber die "kleinen" Stadtmitarbeiter sollen verantwortlich sein? Warum eigentlich?

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Nun ja, was bedeutet "sich nicht kümmert"? Die zuständigen Fachabteilungen einschalten und werken lassen -so läuft das auch in Unternehmen , auch bei godd corporate governance. Wr habenuns in NRW dzu etnscheiden, OB durch Wahl, nach Parteigusto, zu bestimmen. Herr Sauerland war nach meiner Erinnerung Lehrer. Immerhin. Woanders snd es abschlusslose Politikaster erst recht ohne fundierte Ausbildung. Da liegt schon nahe, Fachämter, hoffentlich auch mit juristischem Sachverstand die Sache aktiv durchführen zu lassen. Adenauer als OB von Köln war noch Jurist. Es wirkt sich wohl eine demokratietheoretische Grundentscheidung aus. -  Und was sollen die "kleinen"sein? Amtsleiter? Hat Schulze nähere Kenntns von Behördenorgansation? Wo vermutet er einen Amtsleiter oder Dezernenten? - Klar, nicht jeder ist so lebensklug we der damalige Bochmer Polizeioräsident. Er oder ein anderer Leitender hatte dargelegt: in etwa, aber dem Inhalt nach: Ich habe mir in Berlin das angesehen, wie der dreckige Pöbel die Stadt vollkackt und vollkotzt. Bloß nicht!

 

Ein OB trägt natürlich die politische Verantwortung für solche Entscheidungen, die er, ohne rechtlich dazu verpflichtet zu sein, in seinem Amt trifft. Er war nicht verpflichtet, eine Loveparade in Duisbirg stattfinden zu lassen, weshalb er für diese Entscheidung auch pol. verantwortlich ist, der Rücktritt war die richtige Konsequenz daraus und hätte früher erfolgen sollen. Allerdings genügt das nicht für eine strafrechtliche Verantwortung, weil er eben nicht für konkrete Planungen und Genehmigungen zuständig ist. In unserer komplexen arbeitsteiligen Welt ist nur der (strafrechtlich) verantwortlich, der selbst eine eigene Sorgfaltspflicht verletzt (analog: wenn Sie Ihr Auto an einen Untergebenen verleihen, müssen Sie auch nicht für dessen Fehlverhalten im Straßenverkehr strafrechtlich haften).

Sofern der OB also dazu ausgebildete Behördenchefs/Abteilungsleiter mit den Einzelheiten betraut hat, ist er für deren Fehler nicht strafrechtlich haftbar zu machen. Das wäre anders, wenn er sich persönlich eingemsicht hätte, etwa indem er konkret angewiesen hätte, eine pflicht- bzw. rechtswidrige Genehmigung zu erteilen. Das ist aber nicht nachgewiesen. Und "kleine Stadtmitarbeiter" sind die nun Angeklagten im Behördenaufbau auch nicht.

Ihren Ausführungen, sehr geehrter Herr Professor Müller, stimme ich weitestgehend zu. Den juristischen komplett. Was die sogenannte"politische" Verantwortung angeht,  so kenne ich die  Mülheimer Verhältnisse nicht so genau. Ich meine mich zu erinnern, dass da eine breite Ratsmehrheit für die Love-Parade war. Was nach meiner Nachrichtenernnerung gewiss tolpatschig war, war des Herrn OB Auftreten am Abend vor Presse und Fernsehen.  Der OB hat aber doch wohl kaum "allein" die Durchführung der Love-Parade durchgedrückt. Oder? In Bochum hatte es zuvor auch ein breites Stimmenspektrum im politischen Raum gegeben, und es hat wohl auch Vorwürfe gegen "die Leitung" der Stadt gegeben, keine Loveparade zuzulassen . Wie manchmal, ist man hinterher klüger. Der von mir oben berichtete, in der Tat drastische Effarungsbericht betraf genau genommen auch nicht die Gefahrenfrage, sondern die Auswirkung für Bürger, Anwohner, Stadtbild ( und Kosten der Reinigung). Beides hängt bei solchen Ereignissen aber miteinander zusammen. Von Mülhei habe ich ochin Erinnerung, dass eine Polizeisperre(Sicherheitselement) von riesigen Horden gewalttätiger sturzbetrunkener Leute durchbrochen wurde. 

 

Ich finde, man sollte diese Frage nicht davon abhängig machen, ob es die typischen negativen Begleiterscheinungen von Großveranstaltungen gibt bzw. gegeben hat. Der Kölner oder Düsseldorfer Karneval hat jährlich auch solche Begleiterscheinungen (Stadtbild, Reinigung), aber es herrscht sicherlich eine breite Übereinstimmung, den Rosenmontagszug u.ä. weiterhin stattfinden zu lassen. Insofern war die Duisburger Loveparade schon eine Besonderheit: Man wollte auf einem bis dahin für solche Veranstaltungen überhaupt nicht erprobten Gelände mit problematischer Zugangssituation ohne Eintrittskarten, bei der die Planung/Genehmigung noch in den letzten Stunden und die bauliche Vorbereitung buchstäblich erst nach offiziellem Beginn der Veranstaltung abgeschlossen wurde und mit einer Organisation, die nicht einmal die minimalen Ansprüche erfüllte (zB fehlten zentral gesteuerte Lautsprecheranlage und die erforderliche  und zugesagte Anzahl der Ordner) ein solches Riesenspektakel durchführen.

 

 

Politisch verantwortlich=nicht verantwortlich=unverantwortlich? Musste Sauerland sich wirklich um nichts kümmern? Wenn es sich auf einem bis dahin für solche Veranstaltungen überhaupt nicht erprobten Gelände mit problematischer Zugangssituation ohne Eintrittskarten abspielen sollte, bei der die Planung/Genehmigung noch in den letzten Stunden und die bauliche Vorbereitung buchstäblich erst nach offiziellem Beginn der Veranstaltung abgeschlossen wurde und mit einer Organisation, die nicht einmal die minimalen Ansprüche erfüllte (zB fehlten zentral gesteuerte Lautsprecheranlage und die erforderliche  und zugesagte Anzahl der Ordner) ein solches Riesenspektakel durchzuführen - kann dann derjenige, in dessen Namen die Genehmigung erteilt wird, wirklich geltend machen, von allem nichts gewusst zu haben? Musste er sich wirklich um nichts kümmern? In einer arbeitsteiligen Welt ist es klar, dass ein Behördenleiter sich nicht um alles kümmern kann. So wird man ihm nichts vorwerfen können, wenn im Behördengang Millionen unterschlagen werden, wenn Baufachabteilungen bei Bauvorhaben schwere Fehler machen, auch wenn es dabei Todesopfer gibt. Aber eine höchst öffentlichkeitswirksame Veranstaltung - geht die einen OB wirklich nichts an? Ich sehe das anders.

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Sehr geehrter Herr Professor Müller, zu Ihren Erwägungen 26.7. 22:31 Uhr meine ich: Schon ich hatte darauf hingwiesen, dass der anderweitige aus Berlin geschöpfte Erfahrunstbericht zut Verdreckung nicht direkt die Sicherheitsfrage betrifft. Wohl alleridngs ndiziert siegewissesoziokulrtuele Zusammenhänge von Versammlungs- oder Veranstaktungsteilnehmern. Diese sind mE nicht näher mit Karnvalsveranstaltungen wie Zügen geichzusetzen. Karneval ist ein soziokulturell lang eingepflegter Brauch, der gewiss vermassende Veränderungen nach sich gezogen hat und wohl weiter hat. Aber die Interaktion, besichtigen, aber auch Kamelle werfen für Kinder usw., vereint eine jedenfalls langdauernd friedlich und gewaltarme Publikumshandhabung. Langer Zug und Zugstrecke -keine punktuelle Ansammlung. - Freilich - wie stets erst post festum wird ganz offenbar, was denn eigentlich zu den effektiven Rechtsverletzungen, hier immerhin Todesfällen, geführt hat. Und rechtlich ist von Belang: was war dabei vorhersehbar, steuerbar und wozu an Sicherungen bestand Rechtspflicht, und wenn ja , für wen. Nach der rechtlichen Kategorie war es keine politische Demonstration ( Meinugsfreiheit), sondern gewerblich( Art. 2, 13,14 GG), also einschränkbar, auch wenn allgemein als Veersammlg gesehen ( Art. 8 GG). Ähnlich Fußballspielen. Hier wird die unmittelbare ordnugsrechtliche Organisationspflicht  ( ggf. strafrechtich santioniert) keineswegs für die öffentlichen Zugangsgwege dem "Veranstalter" zugeordnet, sondern das soll allgemeine öff. Ordnung sein. Kann man so sehen - wenngleich der Begriff des "Zweckveranlassers" Ansatz böte, dem Veranstaltermehr als effektiven Leistungspflichten aufzuerlegen. Die Zuordnung in Duisbzrg  krankte nun mE daran, dass einerseits streng isoliert auf das "eigentliche Veranstaltungsgelände" geblickt wurde , die  allgeeine öffentliche Straße der Polizei überantwortet blieb, und die Frage präzise der Nahtstelle wenig klar durchstrukturiert war. Genau an dieser hat sich aber die Katastrophe realisiert. Es ist das nicht seltene Problem der Behandlung der MASSE, der MENGE. Wer hier erbarmungsvoll "Menschenwürde" und" FReiheit" hervorzieht, hat das  faktischWesentliche nicht imBlick: Mengen sind wie Wassermassen. Es scheint mir offen auf der Hand liegender Idiotismus zu sein, eine Masse wie einen  räudigen wilden Wasserfluss in einen Sack hineinströmen zu lassen und quasi nur auf demselben Weg wieder Auslass zu geben. Jeder Wasserbauingenieur, der das auch nur erwägen würde, würde Unfähigkeit offenbaren. Außerdem gilt: Abflüsse müssen im Querschnitt sich erhögen , NIEMALS verengen. Woher man das auch als Jurist wissen kann? Nun als Referendar mit einem verdeckten mittelalterlich-frühneuzeitlichen Wasserabfluss befasst, als Anwalt laufend in Debatten über Erschließung/Entwässerung. Und Abflüsse müssen FREI sein. Und schon gar nicht mit entgegenkommendem Schwall verstopft. Aus Presseberichten ist nicht recht klar geworden, inwieweit diese simplen aus dem Wasserbau rührenden Kenntnisse bedacht worden sind. - Wohl ist aus damaliger Presseberichterstattung erinnerlich, dass die Stadt Duisburg mit Polizei das auch ansatzweise gesehen hat. Es wurde mit großzahligem Anmarsch vom Hbf gerechnet. Gewünscht war eine Strecke im Halbkreis östlich, wenn ich rchtig einordne. Eine Westumgehung war erkennbar als freie Straße denkbar, wurde aber nicht gewünscht ( wohl auch wegen Anwohnern), aber auch nicht gesperrt. Von dieser Westrecke aus waren in der Annäherung zur Unterfahrung Sperren mit Einzeldurchlass errichtet, auch zur Vereinzelung des Durchgehens.( Dosierung de Waserzuflusses). Durch die brutale Wucht sturzbetrunkener gewlattätiger Leute konnte die Polizei diese Sperre nicht halten, Durchbruch. Nunmehr daher von BEIDEN Seiten massiver Zustrom in die Unterfahrung. Ürigens: was heißt "konnte" nicht halten? Mit Fassungslosigkeit sehe ich, dass anscheinend in diesem unserem Rechtsstaat die schlichte Anwendung geltenden Rechts, nämlich mit Schusswaffeneinsatz ( §§10-12 UZwG) tabuisiert ist. In noch viel konkreterer Kausalität als bei dem ja auch debattierten Schusswaffeneinsatz an der Grenze deutet sich hier an, dass Feigheit der Polizei(führung) vor der Pistole oder notfalls Maschinengewehr nicht etwa Blut erspart. Es gehen nur andere drauf.  Das einzige, was real interessiert: Wie hätte man den "Wasserfluss" so kanalisieren können, dass nur begrenzte Mengen, auf die Durchlasskapazität ( vgl. Kanalröhre) begrenzt, durchgeströmt wären? Eventuell: Eine Zuflussrichtung (nur von  Osten), , Westzustrom auf NULL sperren (ggf. mit Schlagstock und notfalls Schusswaffe), ZUstrom in die Unterführung und von dort: Aufgang in der Mitte hälftig massiv abgeteilt , nur der eine Teil als ZUgang. Absicherung Schlagstöcke, bei Renitenz und Gewalt: ggf. Schusswaffe; oben auf dem Platz mag man sich tummeln. Wer und wann immer will hat freien Rückweg nach "draußen" über den abgetrennten westlichen Teil des Abgangs und von dort nach Westen. Genau in diesem Auf-/Abgangsbereich ist es ja zu der tödlichen Anmassung mit Ausweglosigkeit für die Opfer gekommen. 

Ich hatte damals gelesen, eine Fachangestellte hätte ihre Unterschrift verweigert, weil sie die Loveparade nicht für sicher hielt. Um trotzdem an die benötigte Unterschrift zu kommen, wurde diese Mitarbeiterin ausgetauscht.

Der Bürgermeister ist der Chef der Verwaltung. Er muss von Personaländerungen gewußt haben. Das ist der Punkt, an dem er mir schuldig vorkommt.

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Zitat: "Er muss von Personaländerungen gewußt haben." So? Worauf beruht diese Annahme?

Meine Annahme ist, dass der Chef einer Stadtverwaltung über Änderungen beim Fachpersonal informiert ist.

P.S. Ich bin ein Roboter. Ich scheitere 10x an den Captchas.

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Laut wikipedia 2015: Bei der Duisburger Stadtverwaltung sind rund 6181 Mitarbeiter beschäftigt, .. Zitat Ende. Dann "nehmen Sue mal an", was Sie wollen. Sie wollen in Wahrheit unbedingt dem OB etwas anhängen. Das ist anzunehmen. Was übrigens die sog. "Personalveränderung" sein soll, ist völlig unklar. Kündigung? Entlassung? Zuwesisung anderer Kompetenzbereich? Vertretungsanordnung? 

Das neue Gutachten ist angeblich fertig:

https://www.waz.de/staedte/duisburg/loveparade-gutachter-unglueck-haette-verhindert-werden-koennen-id215955947.html

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In etwas mehr als 1 1/2 Jahren, mit dem 27. Juli 2020, wird der Prozess beendet sein.

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Ich habe eben den gestrigen ausführlichen Vermerk des Richters zum Rechtssgespräch am 16.1.19 im Netz gefunden:

http://www.bz-duisburg.de/Tagesakt_extra/2019_01_17_Vermerk_des_Richters_Lopa.htm

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