Abkürzung eines Trunkenheitsregelfahrverbots: Fast nie!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 14.08.2018
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|2021 Aufrufe

Die Indizwirkung eines Regelfahrverbots umfasst anerkanntermaßen auch die Dauer des Fahrverbots. Will der Tatrichter diese Dauer verkürzen, muss er Feststellungen wie beim Absehen vom Fahrverbot treffen:

Das AG hat den Betr. wegen fahrlässigen Führens eines Kfz mit einer BAK von 0,5 0/00 oder mehr (§ 24 a I i.V.m. III StVG; Tatzeit: 14.07.2017) zu einer Geldbuße von 1.000 Euro verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot für die Dauer 1 Monats angeordnet. 

 
Mit ihrer wegen der in der Hauptverhandlung wirksam gemäß § 67 II OWiG erklärten Einspruchsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch nur noch diesen betreffenden, mit der Verletzung materiellen Rechts begründeten Rechtsbeschwerde beanstandet die StA, dass das AG gegen den Betr. nicht nach § 4 III BKatV i.V.m. lfd. Nr. 241.1 BKat wegen bereits einer einschlägigen Voreintragung nach § 24a StVG im Fahrerlaubnisregister entsprechend dem Bußgeldbescheid vom 21.08.2017 ein (qualifiziertes) Regelfahrverbot für die Dauer von 3 Monaten festgesetzt hat. 
 
Das Rechtsmittel hatte Erfolg und führte zur Zurückverweisung der Sache an das AG.
 
 
Aus den Gründen:
 
I. 
 
Die nach § 79 I 1 Nr. 1 OWiG ohne weiteres statthafte (BGH, Beschluss vom 31.01.1991 – 1 StR 338/90 = BGHSt 37, 316 = NJW 1991, 1367 = NStZ 1991, 289 = wistra 1991, 229 = VRS 81 [1991], 41 = VM 1991, Nr. 77; vgl. u.a. auch Göhler/Seitz OWiG 17. Aufl. § 79 Rn. 3; KK/Hadamitzky OWiG 5. Aufl. § 79 Rn. 11; BeckOK-OWiG/Bär [Stand: 01.03.2018] § 79 Rn. 14) und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet und zwingt den Senat zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
 
1. Im Ansatz zutreffend ist das AG davon ausgegangen, dass gem. §§ 24a I, III i.V.m. 25 I 2, 26a I Nr. 2, II StVG i.V.m. § 4 III BKatV i.V.m. Nr. 241.1 BKat neben der Anordnung einer Geldbuße in Höhe von 1.000 Euro an sich die Verhängung eines Regelfahrverbots für die Dauer von 3 Monaten geboten war. Allerdings hält die Begründung, aufgrund derer sich das AG abweichend hiervon zur Verhängung eines Fahrverbots für die Dauer nur eines Monats veranlasst gesehen hat, einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
 
a) Ebenso wie von der Verhängung eines Regelfahrverbots nur dann gänzlich abgesehen werden kann, wenn wesentliche Besonderheiten in der Tat oder in der Persönlichkeit des Betr. anzunehmen sind und deshalb der vom Bußgeldkatalog erfasste Normalfall nicht vorliegt, ist der Tatrichter vor einer Verkürzung der im Bußgeldkatalog vorgesehenen Regeldauer des Fahrverbots gehalten zu prüfen, ob der jeweilige Einzelfall Besonderheiten aufweist, die ausnahmsweise die Abkürzung rechtfertigen können und daneben gegebenenfalls eine angemessene Erhöhung der Regelbuße als ausreichend erscheinen lassen.
 
b) Auch die Abkürzung der Dauer eines verwirkten gesetzlichen Regelfahrverbots nach § 25 I 2 StVG kann wie ein gänzliches Absehens vom Regelfahrverbot (vgl. hierzu neben BGHSt 38,125/134 schon OLG Bamberg, Beschluss vom 29.10.2012 - 3 Ss OWi 1374/12 = BA 50 [2013], 27 = OLGSt StVG § 25 Nr. 53 und 20.08.2008 - 3 Ss OWi 966/08 = BA 45 [2008], 394 = DAR 2009, 39 = OLGSt StVG § 25 Nr. 43; vgl. auch OLG Saarbrücken, Beschluss vom 11.04.2002 - Ss (B) 13/02 = VRS 102 [2002], 458 = BA 41 [2004], 173) unbeschadet der Gültigkeit des rechtsstaatlichen Übermaßverbotes nur in Härtefällen ganz außergewöhnlicher Art in Betracht kommen oder dann, wenn wegen - hier nicht gegebener - besonderer Umstände das Tatgeschehen ausnahmsweise aus dem Rahmen einer typischen Ordnungswidrigkeit nach § 24a I StVG derart herausfällt, dass die Festsetzung der Regelfahrverbotsdauer als offensichtlich unpassend anzusehen wäre. Denn anders als bei den Katalogtaten nach § 4 I und § 4 II BKatV, in denen ein Fahrverbot lediglich in der Regel „in Betracht“ kommt, ist bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24a StVG gemäß § 25 I 2 StVG i.V.m. § 4 III BKatV in der Regel ein Fahrverbot zu verhängen. Den Gerichten ist deshalb in den Fällen des § 24a StVG bei der Entscheidung darüber, ob von einem Fahrverbot im Einzelfall ausnahmsweise abgesehen oder seine Dauer abgekürzt werden kann, ein geringerer Ermessensspielraum eingeräumt. Angesichts des höheren Unrechtsgehalts und der Gefährlichkeit der in Rede stehenden Bußgeldtatbestände versteht sich die grundsätzliche Angemessenheit des Fahrverbots und seiner vorgesehenen Regeldauer von selbst.
 
2. Zwar hat sich das AG vor diesem Hintergrund auch hinsichtlich der Frage der Fahrverbotsdauer zu Recht mit den persönlichen, beruflichen und wirtschaftlichen Folgen eines Fahrverbots für den Betr. auseinandergesetzt. Denn der Tatrichter bleibt in den Fällen des § 24a StVG auch dann, wenn schon eine einschlägige Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG entsprechend der Zumessungsvorschrift in Nr. 241.1 BKat voreingetragen ist, grundsätzlich verpflichtet, sich aus Gründen des rechtsstaatlichen Übermaßverbotes mit den möglichen Folgen eines Fahrverbots oder seiner Dauer für den Betr. zu befassen, da anderenfalls gegen den auch in Bußgeldsachen anwendbaren Rechtsgedanken des in § 46 III StGB geregelten Doppelverwertungsverbots jedenfalls dann verstoßen würde, wenn allein aus den die qualifizierten Regelfolgen nach Nr. 241.1 BKat begründenden Umständen gewissermaßen automatisch auf die Unerheblichkeit existentieller Härten für den Betr. und damit für eine unterschiedslose Beibehaltung des Fahrverbots oder seiner Regeldauer im Rahmen der Rechtsfolgenbemessung im engeren Sinne geschlossen würde (OLG Stuttgart, Beschluss vom 21.10.2013 – 5 Ss 337/13 = VM 2014, Nr. 9 = BA 51 [2014], 24 = VRS 125 [2013], 166 = NZV 2014, 535; zur Gültigkeit des Doppelverwertungsverbots in Bußgeldsachen vgl. zuletzt neben OLG Bamberg, Beschluss vom 19.03.2018 – 3 Ss OWi 270/18 und 01.02.2017 – 3 Ss OWi 80/17 schon Beschluss vom 05.12.2013 – 3 Ss OWi 1470/13 [jeweils bei juris]). Die Beschäftigung mit dieser Frage war schon deshalb unverzichtbar, weil der Betr. gerade eine von einem Fahrverbot mit dreimonatiger Dauer ausgehende unverhältnismäßige Härte in Gestalt eines beruflichen Existenzverlusts, nämlich die durch seinen Arbeitgeber als Zeuge in der Hauptverhandlung bestätigte Kündigung seines Beschäftigungsverhältnisses als Bäcker in einer Kleinbäckerei mit branchentypischen nächtlichen Arbeitszeiten vorgetragen hat.
 
3. Es entspricht andererseits ständiger obergerichtlicher Rspr., dass Angaben eines Betr., es drohe bei Verhängung eines Fahrverbots der Existenzverlust, nicht ungeprüft übernommen werden dürfen. Vielmehr ist ein derartiger Vortrag vom Tatrichter kritisch zu hinterfragen, um das missbräuchliche Behaupten eines solchen Ausnahmefalles auszuschließen. Zugleich wird das Rechtsbeschwerdegericht nur so in die Lage versetzt, die Rechtsanwendung nachzuprüfen (st.Rspr., vgl. zuletzt nur OLG Bamberg, Beschluss vom 04.05.2017 – 3 Ss OWi 550/17 = BA 54, 383 und v. 30.10.2017 – 3 Ss OWi 1206/17 = ZfS 2018, 114 = VM 2018, Nr 7, jeweils m.w.N.).
 
4. Dies ist hier zumindest nicht mit der gebotenen Sorgfalt geschehen:
 
a) So kann der Senat anhand der Urteilsgründe schon nicht übersehen, ob die vom Betr. vorgebrachte eingeschränkte Erreichbarkeit seines Arbeitsplatzes mit öffentlichen Verkehrsmitteln den Tatsachen entspricht. Insoweit ist überdies zu beachten, dass für den Betr. im Zweifel auch angesichts einer drohenden Fahrverbotsdauer von 3 Monaten eine tägliche Anfahrt zu seiner Arbeit zeitlich deutlich vor deren effektivem Beginn um 2.00 Uhr, als zumutbar anzusehen sein wird, gleichgültig ob der Betr. für einen Teilzeitraum eine Mitfahrgelegenheit in Anspruch nehmen könnte oder nicht.
 
b) Entsprechendes gilt, soweit der Betr. zum Beleg der Notwendigkeit einer alternativlosen eigenen Kraftfahrzeugnutzung vorbringt, erfolglos „versucht“ zu haben, am Ort der Bäckerei „vorübergehend eine kleine Wohnung anzumieten“, ohne dass das AG die insoweit vom Betr. unternommenen konkreten Anstrengungen im Urteil dargestellt oder nach den Urteilsgründen hinterfragt hätte. Auch in dieser Hinsicht wird dem Betr. im Zweifel auch die vorübergehende Einmietung etwa in einer Pension oder die Anmietung eines Ein-Zimmer-Appartements in Arbeitsplatznähe oder in einem benachbarten Ort auf eigene Kosten zuzumuten sein, und sei es nur, um so nach der Nutzung öffentlicher Verkehrsanbindungen die Zeiträume bis zum effektiven täglichen Arbeitsantritt zu überbrücken. Die in diesem Zusammenhang anfallenden Aufwendungen wären schon deshalb als grundsätzlich zumutbar anzusehen, weil ihnen die vom Betr. ersparten Aufwendungen aus der dann zumindest weitgehend entfallenden werktäglichen Pkw-Nutzung gegenüber zu stellen wären (OLG Bamberg, Beschluss vom 18.03.2009 – 3 Ss OWi 196/09 = DAR 2009, 401 = VM 2009, Nr. 63 = OLGSt StVG § 25 Nr. 46).
 
5. Nach alledem kann der Senat nicht ausschließen, dass das AG seine für den Rechtsfolgenausspruch bestimmenden Feststellungen letztlich einseitig den Angaben des Betr. ohne hinreichende Ausschöpfung sonstiger Beweismittel entnommen hat. Dies genügt den aus § 267 III StPO i.V.m. § 71 I OWiG resultierenden sachlich-rechtlichen Anforderungen an die Abfassung der Urteilsgründe regelmäßig nicht.
 
II. Aufgrund des aufgezeigten sachlich-rechtlichen Mangels ist auf die Rechtsbeschwerde der StA das angefochtene Urteil einschließlich der Kostenentscheidung aufzuheben. Wegen der Wechselwirkung zwischen Fahrverbot und Geldbuße betrifft die Aufhebung den gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen (§ 79 III Satz 1 OWiG, § 353 StPO).

 
OLG Bamberg Beschl. v. 2.7.2018 – 3 Ss OWi 754/18, BeckRS 2018, 15192

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