BAG: Kein Verwässerungsschutz für dividendenabhängige Vergütung bei effektiver Kapitalerhöhung

von Dr. Cornelius Wilk, veröffentlicht am 21.09.2018

Das BAG hat mit Urteil vom 27. Juni 2018 (10 AZR 295/17) entschieden, dass die für nominelle Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln geltenden Verwässerungsschutzregeln aus § 216 Abs. 3 S. 1 AktG nicht analog auf effektive Kapitalerhöhungen gegen Einlagen anwendbar sind.

Gegenstand der Entscheidung ist die Vergütungsabrede zwischen einer börsennotierten Gesellschaft und einem Angestellten. Danach sollte der Angestellte u. a. eine Tantieme in Höhe eines bestimmten Geldbetrags pro 1 % der von der Hauptversammlung beschlossenen Dividende erhalten. Die Höhe der Tantieme sollte u. a. von der auf eine Aktie entfallenden Dividende in Prozent ihres Nennwerts abhängig sein. In der Folgezeit führte die Gesellschaft mehrere effektive Kapitalerhöhungen durch, wodurch die Gesamtaktienzahl um 74 % anstieg.

In seinem Urteil bejaht das BAG die unveränderte Gültigkeit der Vergütungsabrede. Insbesondere sei die Vergütung nicht analog § 216 Abs. 3 S. 1 AktG um denselben Prozentsatz wie die Gesamtaktienzahl zu erhöhen. Nach dieser Vorschrift wird der wirtschaftliche Inhalt vertraglicher Beziehungen einer AG zu Dritten, die von der Gewinnausschüttung der Gesellschaft, dem Nennbetrag oder Wert ihrer Aktien oder ihres Grundkapitals oder sonst von den bisherigen Kapital- und Gewinnverhältnissen abhängen, durch eine nominelle Kapitalerhöhung nicht berührt. Hieraus ergibt sich anerkanntermaßen eine Anpassung von Vergütungsabreden der vorliegenden Art, um zu verhindern, dass sich die Vergütung bei gleichbleibender Gesamtdividende (aber aufgrund der Ausgabe neuer Aktien niedrigerer Dividende pro Aktie) verringert. Für effektive Kapitalerhöhungen dagegen, so das BAG, gelte dieser Verwässerungsschutz nicht.

Für eine Analogie fehle es zunächst an einer planwidrigen Regelungslücke. Das AktG regele den Verwässerungsschutz dividendenbezogener Rechte Dritter bei effektiver Kapitalerhöhung nicht, obwohl effektive Kapitalerhöhungen deutlich häufiger vorkämen als nominelle Kapitalerhöhungen. Das Problem möglicher Verwässerungen sei zudem schon lange bekannt. Es sei daher fernliegend anzunehmen, der Gesetzgeber habe bewusst für den Ausnahmefall eine Regelung eingeführt, den Regelfall dabei aber übersehen. Auch die Entstehungsgeschichte der Norm zeige, dass der Gesetzgeber die beiden Kapitalerhöhungsvarianten als grundlegend unterschiedliche Instrumente einordne.

Schließlich, so der Senat, sei eine Analogie auch nicht aus Wertungs- und Gleichbehandlungsgründen erforderlich. Denn bei der nominellen Kapitalerhöhung würden bereits vorhandene Werte bilanztechnisch umdeklariert, was zu einer proportionalen Verwässerung im Umfang der Kapitalerhöhung führe. Dagegen würden mit der effektiven Kapitalerhöhung neue Mittel zugeführt, die langfristig die Ertragslage verbesserten. Diese typischerweise verbesserte Ertragskraft erfordere schon grundsätzlich nicht dieselben Schutzmechanismen zugunsten Dritter wie bei nominellen Kapitalerhöhungen, die an der Ertragskraft der Gesellschaft nichts änderten.

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