Wahlkampfspenden als Vorteilsannahme? Die Hauptverhandlung gegen den Oberbürgermeister von Regensburg hat begonnen

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 26.09.2018
Rechtsgebiete: StrafrechtKriminologieMaterielles Strafrecht11|8884 Aufrufe

Der Oberbürgermeister der Stadt Regensburg steht seit Montag vor Gericht. Er muss sich neben drei Mitangeklagten gegen den Vorwurf verteidigen, er habe in größerem Umfang Parteispenden und andere Vorteile des mitangeklagten Unternehmers angenommen, die im Zusammenhang mit Entscheidungen zu dessen Bauvorhaben standen.

Vieles erinnert in der Ausgangsbasis an den Prozess gegen den ehemaligen Oberbürgermeister der Stadt Wuppertal, der schließlich freigesprochen wurde. Zweimal hat sich der 3. Senat des BGH mit diesem Fall befasst. Auch damals ging es um Wahlkampfspenden eines Immobilienunternehmers in sechsstelligem (DM-)Umfang, und auch damals ging es darum, ob diese Spenden positive Entscheidungen des OB fördern sollten bzw. gefördert haben.

Neben und unabhängig von den in der Hauptverhandlung noch umstrittenen Tatsachenfragen sowie Fragen des Prozessrechts wird man im Regensburger Fall die zwei Entscheidungen des BGH zum Wuppertaler Fall im Auge behalten müssen.

In Wuppertal bewarb sich der OB um die Wiederwahl. Das heißt, §§ 331, 333 StGB fanden deshalb Anwendung, weil zum Zeitpunkt der vorgeworfenen Beeinflussung durch Wahlkampfspenden der OB bereits im Amt war. Der BGH machte in seiner ersten Revisionsentscheidung (Kremendahl I) deutlich, ein Amtsträger dürfe bei der Finanzierung seines Wahlkampfs gegenüber einem Nicht-Amtsträger nicht zu stark benachteiligt sein. Da ein Nicht-Amtsträger straffrei mit konkreten Versprechungen für den Fall seiner Wahl Spenden eintreiben dürfe, müsse § 331 StGB beim Amtsträger teleologisch einschränkend ausgelegt werden.

Zitat: BGHSt 49, 275  (lexetius-Link)

„Wäre demgegenüber der sich um die Wiederwahl bewerbende Amtsträger rechtlich völlig davon ausgeschlossen, sich für die Dienstausübung nach der Wahl im Wahlkampf von Dritten finanziell unterstützen zu lassen, würde sein grundrechtlicher Anspruch auf gleiche Wahlchancen in verfassungsrechtlich nicht mehr zu rechtfertigender Weise eingeschränkt, da er gegenüber sonstigen Mitbewerbern generell in den Möglichkeiten der Wahlkampffinanzierung und damit in der Effizienz seines Wahlkampfes benachteiligt wäre.

Die Korruptionsdelikte müssen daher für diese Sondersituation in einer Weise ausgelegt werden, die der grundrechtlich garantierten Gleichheit des passiven Wahlrechts gerecht wird.

Dies bedeutet indessen nicht, daß der Amtsträger für die Einwerbung von Wahlkampfmitteln sonstigen Bewerbern uneingeschränkt gleichgestellt werden müßte. Er befindet sich aufgrund seiner Amtsposition in einer besonderen Pflichtenstellung, die eine Differenzierung erlaubt und erfordert. (…) Die tatbestandliche Einschränkung kann damit nur § 331 Abs. 1 StGB betreffen. Sie muß sich daran ausrichten, welche finanziellen Leistungen zur Förderung einzelner Politiker bzw. Parteien der Gesetzgeber in anderen Zusammenhängen als mit demokratischen und rechtsstaatlichen Maßstäben für vereinbar, wenn nicht sogar erwünscht erachtet.“

Das Fazit lautete:
 

„Ein Amtsträger macht sich nicht wegen Vorteilsannahme strafbar, wenn er sich erneut um das von ihm derzeit ausgeübte, aufgrund einer Direktwahl zu erlangende Wahlamt bewirbt und für seinen Wahlkampf die finanzielle oder sonstige Unterstützung eines Dritten für sich und/oder die ihn tragende Partei bzw. Wählervereinigung fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, sofern diese Förderung allein dazu dienen soll bzw. dient, daß er nach erfolgreicher Wahl das wiedererlangte Wahlamt in einer Weise ausübt, die den allgemeinen wirtschaftlichen oder politischen Vorstellungen des Vorteilsgebers entspricht. In diesem Fall ist wegen des vorrangigen Verfassungsprinzips der Chancengleichheit bei der Wahl das erforderliche rechtswidrige Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen Vorteil und Dienstausübung, die Unrechtsvereinbarung, zu verneinen.“

Allerdings soll § 331 StGB im Wahlkampf nicht etwa völlig außer Kraft treten:

„Zeigt sich der Amtsträger dagegen bereit, als Gegenleistung für die Wahlkampfförderung im Falle seiner Wahl eine konkrete, den Interessen des Vorteilsgebers förderliche Entscheidung zu dessen Gunsten zu treffen oder zu beeinflussen, macht er sich der Vorteilsannahme schuldig, obwohl wegen der Unsicherheit des Wahlausgangs noch gar nicht feststeht, ob er überhaupt in die Lage versetzt werden wird, im Interesse seines Förderers aktiv zu werden.

Hier überwiegt die Pflichtenbindung des Amtsträgers aus seinem bisherigen Amt sein Interesse, seine Chancengleichheit mit anderen Wahlbewerbern gegebenenfalls auch dadurch herzustellen, daß er seine Wahlkampffinanzierung durch Zusagen einwirbt, die zwar kein pflichtwidriges oder ermessensfehlerhaftes Vorgehen in Aussicht stellen, aber dennoch den Makel der Käuflichkeit amtlicher Entscheidungen tragen und daher unlauter und verwerflich sind.“

Der Freispruch im Wuppertaler Fall (basierend auf der mangelnden Kenntnis des OB über die Projekte des Vorteilsgebers) wurde vom BGH in Kremendahl II akzeptiert. Allerdings hat der Senat zugleich seine restriktive Interpretation des § 331 StGB wieder etwas zurückgenommen:

Zitat BGH NJW 2007, 3446 (lexetius-Link)

„Die im Einzelfall erforderliche Abgrenzung zwischen erlaubter und unerlaubter Einwerbung von Wahlkampfmitteln kann – wie der Senat schon in seinem ersten Revisionsurteil in dieser Sache näher ausgeführt hat (BGHSt 49, 275, 295) – je nach den Umständen schwierig sein. Diese Schwierigkeiten ergeben sich unabhängig von dem rechtlichen Begründungsansatz; eindeutige Ergebnisse kann weder der Ansatz des Senats noch der abweichende von Teilen des Schrifttums bieten.

(…)

Der Anschein der Käuflichkeit amtlicher Entscheidungen, dessen Vermeidung Schutzzweck des § 331 StGB auch mit Blick auf Fälle der vorliegenden Art ist (vgl. BGHSt 49, 275, 294), entsteht auch dann, wenn Spender und Amtsträger davon ausgehen, dass dieser im Laufe der künftigen Amtszeit mit Entscheidungen zu diesem oder jenem Vorhaben des Spenders – sei es schon projektiert oder noch nicht – befasst sein wird und ein unbeteiligter Betrachter den Eindruck gewinnt, dass jener mit der Spende Einfluss auf anfallende Entscheidungen nehmen will. Insbesondere bei Spenden von außergewöhnlicher Höhe wird es regelmäßig nahe liegen, dass der Spender nicht nur – straffrei – die allgemeine Ausrichtung der Politik des Wahlbewerbers unterstützen will, sondern sich – strafbar – dessen Gewogenheit auch im Blick auf eigene konkret geplante oder zu erwartende Vorhaben sichern und seine Individualinteressen fördern will.“

Die überwiegende Meinung im Schrifttum folgt dem BGH in dieser grundsätzlichen Ausrichtung. Jedoch zeigen sich die vom BGH angedeuteten Schwierigkeiten nun auch im Regensburger Fall: Der OB Regensburgs war, anders als der Wuppertaler OB, nicht bereits vor der Wahl in diesem Amt. Er war allerdings bereits dritter Bürgermeister, also Amtsträger. Hier wird das Gericht ggf. entscheiden müssen, inwieweit § 331 für denjenigen Amtsträger eingeschränkt gilt, der sich auf ein anderes Wahlamt bewirbt, wenn die Spende erst die Dienstausübung in dem neuen Amt beeinflussen soll. Eine durchaus beachtliche Meinung zu dieser Konstellation vertreten Beckemper/Stage (NStZ 2008, 35): Eine Wahlkampfspende, die im Hinblick auf die Dienstausübung des erst künftigen Amtes gewährt werde, werde von § 331 StGB gar nicht erfasst. Insofern bestehe auch kein Unterschied zwischen Amtsinhabern und anderen Kandidaten um ein Wahlamt. In Regensburg flossen allerdings auch nach der Wahl des OB Wolbergs noch Spenden wg des außergewöhnlich teuren Wahlkampfes (der insgesamt mehr als 800.000 Euro kostete).

Bejaht man mit der h.M. wie im Wuppertaler Fall die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 331 StGB in Regensburg, stellt sich ebenso wie dort die Frage, ob die Spendentätigkeit und (möglicherweise) andere Vorteilsgewährungen des mitangeklagten Unternehmers überhaupt mit einem Wohlwollen bei der Dienstausübung insbesondere zu künftigen Projekten des Vorteilsgebers verknüpft sein sollten (Unrechtsvereinbarung).

Als Indizien für eine solche Unrechtsvereinbarung werden in der Literatur übereinstimmend genannt (vgl. MüKo-Korte, § 331 Rz. 130; Schönke/Schröder-Heine § 331, Rz. 28, 29c):

- die Anzahl und außergewöhnliche Höhe der Spenden,

- ein geringer zeitlicher Abstand zwischen Zuwendung und Dienstausübung,

- ein hoher Grad der personellen Verflechtung zwischen Geber und Nehmer,

- die Heimlichkeit der Handlung.

Laut Anklage sollen mehrere dieser Indizien im Regensburger Fall vorliegen.

Nicht ausgeschlossen wird die Anwendung des § 331 StGB dadurch, dass die Annahme als Parteispende formal dem Parteiengesetz entspricht. Es soll aber immerhin ein Gegenindiz gegen eine Unrechtsvereinbarung darstellen, wenn das Parteiengesetz hinsichtlich des Transparenzgebots eingehalten wurde. Daran bestehen in Regensburg aber erhebliche Zweifel, denn erst die außergewöhnliche Spendentätigkeit von Mitarbeitern bzw. Angehörigen des mitangeklagten Unternehmers knapp unterhalb der Grenze von 10.000 Euro hat ja überhaupt zum Verdacht geführt.

Lassen sich die äußerlichen, objektiven Voraussetzungen einer Unrechtsvereinbarung in der kommenden Hauptverhandlung belegen, kann aber auch noch die subjektive Komponente fraglich sein: Eindeutige schriftliche Vereinbarungen gibt es ja in den seltensten Fällen, und auch hier wohl nicht. Daher wird man den Vorsatz der Verknüpfung von Vorteil und Dienstausübung nur aus dem Verhalten und der Kenntnis der Beteiligten indirekt schließen können. Es kommt dabei nicht darauf an, ob sich der Vorteilsnehmer subjektiv als käuflich empfindet oder eine Bevorzugung des Vorteilsgebers gerade aufgrund der Vorteilsgewährung beabsichtigt hat. Vielmehr genügt es, dass die Spenden bzw. sonstigen Vorteile in Bezug auf die Dienstausübung (nach der engeren Fassung bei Wahlkampfspenden: in Bezug auf Vorhaben des Spenders) gewährt wurden und dem Amtsträger dies bewusst war.

Wegen der enormen Bedeutung der schwierig zu beweisenden Unrechtsvereinbarung wird auch verständlich, dass der angeklagte Regensburger OB in seiner fünfstündigen Einlassung am zweiten Tag der Hauptverhandlung Wert darauf legte, die Annahme der Spenden einerseits und die Entscheidung zugunsten eines großen Bauprojekts des mitangeklagten Unternehmers als völlig voneinander getrennte Angelegenheiten zu schildern.

In Bezug auf § 332 StGB, der ja trotz der beschränkten Zulassung aus Sicht der Staatsanwaltschaft weiterhin im Raum steht, ist es auch durchaus sinnvoll, die Entscheidung für das Bauprojekt als die im Ergebnis „richtige Entscheidung“ für Regensburg darzustellen. Für die Vorteilsannahme ist dies aber nicht relevant, da auch eine insoweit rechtmäßige Dienstausübung den Vorwurf der Vorteilsannahme nicht beseitigen würde.

Nach meiner Einschätzung werden die angedeuteten „Schwierigkeiten“ mit einiger Wahrscheinlichkeit auch im Regensburger Fall dazu führen, dass das Urteil des LG, egal wie es ausfällt, wiederum den BGH beschäftigen wird.

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11 Kommentare

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Eigentlich ist die Anforderung des § 331 StGB an einen Amtsträger ziemlich klar: Nehme kein Geld/ keine anderen Gefälligkeiten in Bezug auf Deine Dienstausübung an - vermeide schon jeden "Anschein der Käuflichkeit"! Daher wurden auch schon Lehrer/innen verfolgt, die ein Abschiedsgeschenk der Eltern ihrer Klasse entgegengenommen haben, das mehr als 10 Euro kostete. Dass das Gesetz (insbes. seit 1997) so streng ist, weiß eigentlich jeder Beamter und jede Beamtin.

Kompliziert wird es dadurch, dass seitens des BGH (aus verfassungsrechtlichen Gründen) quasi  ein Privileg der Wahlkampfspendeneinwerbung eingeführt wurde, s.o. Dass man dann bei diesem Privileg aber auch peinlich genau darauf achten muss, dass Spenden nicht mit künftigen Entscheidungen zugunsten des Spenders in Verbindung gebracht werden können, ist m.E. eigentlich keine zu hohe Anforderung. Wir (und das Gericht) werden diesbezüglich die Beweisaufnahme abwarten müssen, um dann klarer zu sehen, ob es in Regensburg eine Unrechtsvereinbarung gab oder nicht.

 

 

 

Die Verteidigung meint ja ( laut den Zitaten aus dem opening statement) dass diese Rechtsprechung des BGH lebensfremd sei und überholungsbedürftig und überhaupt mache das doch jeder so, da solle man sich nicht so haben.

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Das mit der Lebensfremdheit ist sicherlich ein Argument. Das LG Regensburg  müsste aber dann quasi das Gesetz noch stärker korrigieren als der BGH, also z.B. die Annahme von Wahlkampfspenden ganz herausnehmen aus dem Anwendungsbereich des § 331 StGB. Dafür gibt es möglicherweise gute Argumente, andererseits könnten dann Wahlbeamte regelmäßig Wahlkampfspenden als "Schlupfloch" für Vorteilsannahmen nutzen.

Deshalb meine Einschätzung am Ende des Beitrags oben: Egal, wie das LG Regensburg diese Frage entscheidet (vorausgesetzt natürlich, nach der Beweisaufnahme bedarf es noch dieser rechtlichen Entscheidung), dies wird dann in der Revision vom 1. Senat des BGH, möglicherweise auch erst vom BVerfG abschließend geklärt werden.

Wem die Auseinandersetzung mit ein paar grundlegenden Vorschriften wie dem Verbot der Annahme von "Geschenken" scheut, hat im öffentliche Dienst nichts verloren, und zwar gleichgültig, ob aufgrund Qualifikation oder aufgrund Wählergunst eingestellt. Und gerade für letztere gilt eine gewisse Vorbildfunktion. Wie soll der Lehrer, die Straßenwärterin oder jemand im Polizeidienst ein schlechtes Gewissen dafür entwickeln, seine Entscheidungen zu verkaufen, wenn es die Politik so vorlebt?

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Spontan will man Ihnen gern zustimmen, aber das Problem der Wahlkampfspenden (wer schon Amtsträger ist, dürfte sie nicht annehmen, wer kein Amtsträger ist, schon) ist damit nicht gelöst. Wie würden Sie dazu plädieren?

Wie würden Sie dazu plädieren?

Wie wäre es, Wahlkampfspenden zwingend anonym über einen Treuhänder laufen zu lassen und damit dem Bedachten die Kenntnis vorzuenthalten, von wem sie stammen? Das würde dem Problem ggf. die Spitze nehmen...

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Erstens muss ich sagen, dass ich es nicht als zwingend ansehe, bei diesem Punkt für eine Art Waffengleichheit zwischen Amtsinhaber und Bewerber zu sorgen. Denn ansonsten herrscht die auch nicht. Der Amtsinhaber kann beispielsweise - faktisch - den Verwaltungsapparat und die Bekanntheit aufgrund seines Amtes nutzen, um seinen Wahlkampf zu stützen. Die "Informationskampagne" des Ministeriums wird nicht ganz zufällig mit Bild und Name des Ministers oder der Ministerin verknüpft. Der Bürgermeister ist kurz vor der Wahl ein wenig häufiger mit Spatenstichen, Urkundenverleihungen und Bürgerdialogen in der Zeitung als danach. Der Kanzlei weiß ein ganz klein wenig besser um die Wünsche der Wirtschaft, weil man immer erst bei ihm anklopft, nur im Nachgang vielleicht beim Oppositionsführer. Der Bewerber hat hingegen u. a. den Vorteil, auch mit bloßer Kritik punkten zu können, ohne eigene Konzepte zu bringen. Wenn der Amtsinhaber sein Amt nutzen kann, ist es m. E. nur gerecht, wenn er auch die sich aus dem Amt ergebenden negativen Konsequenzen zu tragen hat.

Zweitens meine ich, dass es nicht Aufgabe der Rechtsprechung ist, Ausnahmen von Straftatbeständen aus bloßen Gerechtigkeitserwägungen heraus zu schaffen. Und eine Herleitung aus so allgemeinen Prinzipien, wie es hier erfolgt ist, ist bloßer Euphemismus dafür, d. h. für Rechtssetzung durch die Rechtsprechung.

Dazu kommt, dass die Rechtsansicht des BGH in der Anwendung sehr schwierig ist, da sie kaum lösbare Beweisprobleme auslöst. Denn sie stellt letztlich allein auf Detailfragen in der Motivation der Beteiligten ab. Wenn ein Spender erkennbar gegen seine politische Einstellung spendet und später sehr konkrete Vorteile erhält, mag man sich noch zusammenreimen, was hier passiert ist. Aber wenn ein Parteifreund den anderen erst finanziell unterstützt, der andere später aus dem Amt heraus, ist das kaum nachweisbar.

Die Schwierigkeit der Anwendung ist kein zwingendes Gegenargument für eine Regelung. Hier aber führt sie - so befürchte ich jedenfalls - zu hohen Anforderungen an die Staatsanwaltschaft, eine Staftat nachzuweisen, m. a. W. zu einen Freifahrtschein für Korruption. 

Insofern würde ich persönlich hier überhaupt keine Ausnahme machen.

Mein Kommentar allerdings war nur als Replik auf den ersten Kommentar gemeint, der - vielleicht nicht ganz ernst - kritisierte, dass die Rechtslage zu kompliziert sei. Denn das ist sie nicht: Wer sichergehen will, nimmt halt einfach gar nichts an: kein Bobby-Car, keine Hotelübernachtung, keinen Millionenvorschuss auf eine Biographie, keinen Beratervertrag zu amtlich zu bearbeitenden Themen, keine lukrative Vortragstätigkeit vor Unternehmen, über die man regelmäßig als Richter zu urteilen hat. Denselben Maßstab sollten Staatsdiener in politischen Ämtern auch beachten und beachten müssen.

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Nach BGH soll also eine restriktive Auslegung des Tatbestandes der Vorteilsannahme mit Rücksicht auf die verfassungsrechtlich garantierte Wahlrechtsgleichheit geboten sein - jedenfalls bei Parteispenden. Denn ein Bewerber für ein Amt - hier des OB, der kein Amtsträger ist, mache sich bei Annahme einer Wahlkampfspende nicht strafbar und habe insoweit gegenüber dem Bewerber im Amt einen Wahlkampfvorteil.

Rein theoretisch könnte man aber umgekehrt auf den Gedanken kommen, den Tatbestand der Vorteilsannahme extensiv auszulegen, so dass der Bewerber, der zunächst kein Amtsträger ist, aber später zu einem Amtsträger wird, sich ebenfalls strafbar macht. Gefühlt begeht er doch das gleiche Unrecht wie der Amtsträger. Täter kann nur ein Amtsträger sein, ja, und zwar zum Zeitpunkt der Tatbegehung. Es heiß im Gesetz auch: "Ein Amtsträger, [...] der [...] annimmt".

Die Frage, die sich stellt, ob ein Nicht-Amtsträger, der eine Wahlkampfspende angenommen hatte, sie dann immer noch annimmt, wenn er zum Amtsträger wird. Es fragt sich also, ob die extensive Auslegung der Annahmehandlung dahingehend noch möglich ist, ohne die Grenzen des Gesetzeswortlauts zu verlassen.

Der BGH hält das nachträgliche Annehmen jedenfalls dann für möglich, wenn "ein Amtsträger einen Vorteil, den er zunächst gutgläubig erlangt hat, auch noch nachträglich annehmen und damit tatbestandsmäßig handeln, wenn er die auf den Abschluss einer Unrechtsvereinbarung gerichtete Absicht des Gebers erst nach Erhalt des Vorteils erkennt, diesen aber gleichwohl behält und dadurch zu erkennen gibt, dass er den Vorteil nunmehr für die Diensthandlung behalten will, oder eine Übereinkunft mit dem Geber erzielt" (BGH 3 StR 212/07 - Urteil vom 28.8.2007, Rn.24). "Ein solchermaßen 'verspätetes" Annehmen des Vorteils kommt jedoch nur in Betracht, wenn der gewährte Vorteil in dem Zeitpunkt, zu dem der Amtsträger die Hintergründe der Zuwendung erkannt hat, noch vorhanden ist, wobei es ausreicht, wenn der Vorteil zwar nicht in der ursprünglichen, jedoch in einer anderen Form zur Verfügung steht" (BGH 3 StR 212/07 - Urteil vom 28.8.2007, Rn.25).

Der BGH legt das tatbestandliche Annehmen des Vorteils also im Sinne von (bereicherungsrechtlichen) Erlangen aus. Der Nicht-Amtsträger erlangt den Vorteil zwar nicht gutgläubig, denn er erfährt die Absicht des Gebers nicht erst später - jedenfalls nicht als Nicht-Amtsträger. Aber als Amtsträger erfährt er davon später. Denn er wird erst später Amtsträger. Es dürfte doch keinen erkennbaren Unterschied machen, ob der Täter vorher schon Amtsträger ist und erst später Kenntnis von der Unrechtsvereinbarung bekommt oder ob er umgekehrt zunächst die Kenntnis von der Unrechtsvereinbarung hat und erst später Amtsträger wird, wenn der Vorteil immer noch zur Verfügung steht.

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Sehr geehrter Herr Kolos,

darüber habe ich auch schon nachgedacht, aber bin zu einem anderen Ergebnis gekommen. Für die Vorteilsannahme ist entscheidend der Zeitpunkt der Annahme, in diesem Zeitpunkt muss der Annehmende Amtsträger sein und der Vorteil muss sich auf seine Dienstausübung beziehen. Die h.M. geht schon weiter insofern, als auch die Dienstausübung im künftigen Amt gilt (also nach der Wahl) und der Annahmezeitpunkt etwas erweitert wird. Aber dies auch auf Nicht-Amtsträger zu beziehen, würde die Tatbestandsauslegung sicher sprengen. Im Fall Kremendahl wurde vom BGH der Freispruch akzeptiert, der darauf beruhte, dass der OB von den Projekten des Spenders (im Zeitpunkt der Annahme) nichts wusste, sondern erst längere Zeit  nach  der Wahl davon erfuhr.

Neben dem Einwand, dass ein dolus subsequens nicht als Vorsatz zählt, gilt auch: Wenn das Geld im Wahlkampf bereits verprasst ist, dann kann man auch nicht mehr von einem noch vorhandenen Vorteil sprechen, denn dieser kann ja nicht in der gewonnenen Wahl liegen, die den Annehmenden ja erst in die Position versetzt, überhaupt einen Dienst auszuüben.

Besonderheit im hier besprochenen Fall: Wahlkampfspenden flossen hier auch noch nach der Wahl. Der Bürgermeister hatte seinem Ortsverein einen Kredit zur Wahlkampffinanzierung gegeben, der durch einzuwerbende Spenden ausgeglichen werden sollte. Den verbleibenden Rest wollte er dann der eigenen Partei spenden. Durch diese Konstruktion wurden die Wahlkampfspenden (eigentlich für die Partei) quasi personalisiert, weil sie den Bürgermeister unmittelbar von einer künftigen Schuld befreiten.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

Wenn also ein Bauunternehmer, der von der Stadt gerne ein Großprojekt bekommen möchte, einfach beiden Kandidaten eine großzügige Spende von einigen hundertausend Euro zukommen lässt, so hat er den Auftrag fast sicher in der Tasche (egal wer gewinnt) und unfaire Vorteile gegenüber seinen Mitbewerbern. Der Amtsinhaber darf sich nur nicht verquatschen und muss jeglichen Zusammenhang mit der Vergabepraxis ausschließen, und der Herausforderer hat nach gegenwärtiger Rechtslage ohnehin nichts zu befürchten.

So kann das nicht gehen, das wäre ja vom Staat legitimierte Bestechung.

Hier muss eine Gesetzesänderung her. Egal, ob Bewerber oder Herausforderer: wer sich um ein Amt bewirbt, eine Großspende annimmt und dann auch noch ein Großprojekt an den Spender vegibt, macht sich der Bestechlichkeit schuldig.

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