OLG Köln: Keine Aussetzung der LG-Verfahren in Sachen „Postbank/Deutsche Bank“ wegen faktischer Vorgreiflichkeit des OLG-Berufungsverfahrens

von Dr. Cornelius Wilk, veröffentlicht am 12.10.2018

Das OLG Köln hat mit Beschluss vom 16. August 2018 (4 W 34/18) zur Frage Stellung genommen, ob beim LG Köln anhängige Verfahren in Sachen Postbank/Deutsche Bank bis zur Entscheidung des OLG-Berufungsverfahrens zum selben Sachverhalt ausgesetzt werden können.

Sachverhalt und Stand der Verfahren

Hintergrund der Entscheidung ist das im Jahr 2010 von der Deutschen Bank an die Aktionäre der Postbank abgegebene Übernahmeangebot. In dessen Nachgang machten mehrere ehemalige Postbankaktionäre, die das Angebot angenommen hatten, Nachforderungen gemäß § 31 Abs. 1 S. 1 WpÜG geltend, da – so die Ex-Aktionäre – der Angebotspreis unangemessen niedrig gewesen sei. Mehr als 40 dieser Nachforderungsverfahren sind derzeit beim LG Köln anhängig, das zuletzt mit Urteil vom 20. Oktober 2017 (82 O 11/15; hierzu mein Beitrag vom 8. Januar 2018) einen Nachforderungsanspruch bejahte. Ein weiteres, im Instanzenzug bereits fortgeschrittenes Verfahren („Effecten-Spiegel/Deutsche Bank“) wurde vom BGH mit Urteil vom 29. Juli 2014 (II ZR 353/12) zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das OLG Köln zurückverwiesen. Den Termin zur mündlichen Verhandlung in diesem Verfahren bestimmte der zuständige OLG-Senat zuletzt auf den 27. März 2019. An diesem Tag plant das OLG Köln auch, über die Berufung gegen das Urteil des LG Köln vom 20. Oktober 2017 zu verhandeln (13 U 231/17). Um die Entscheidung des OLG abzuwarten, setzte das LG Köln die bei ihm derzeit in erster Instanz anhängigen Verfahren mit Beschluss vom 9. Mai 2018 aus. Nur ein Teil der Kläger stimmte dem zu. Ein anderer Teil wendete sich mit sofortiger Beschwerde gegen den Aussetzungsbeschluss.

§ 148 ZPO weder unmittelbar noch analog anwendbar

In seiner Entscheidung verneint das OLG Köln die vom LG angenommene Möglichkeit einer Aussetzung nach § 148 ZPO. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht ein Verfahren aussetzen, wenn die Entscheidung von dem Bestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet.

Unmittelbar einschlägig sei § 148 ZPO nicht. Aufgrund des gleichgelagerten Sachverhalts spreche zwar viel dafür, dass die Verfahren gleich zu entscheiden seien. Diese faktische Vorgreiflichkeit erreiche jedoch nicht die Qualität einer Abhängigkeit i. S. d. § 148 ZPO.

Auch eine Aussetzung analog § 148 ZPO scheide aus. Die Entscheidung darüber, ob ein Abwarten der Berufungsentscheidung praktisch vorteilhaft sei, liege zunächst bei den Parteien. Teilten diese die Erwägungen des Gerichts nicht, komme die gleichwohl erfolgte Aussetzung einer Rechtsverweigerung gleich, für die es keine hinreichende Grundlage gebe.

Nichts anderes ergebe sich aus der höchstrichterlich bislang offen gelassenen Möglichkeit einer Aussetzung analog § 148 ZPO in Hinblick auf ein „Musterverfahren“, wenn „das Gericht mit einer schlechthin nicht zu bewältigen Vielzahl von gleichgelagerten Verfahren befasst ist“. Denn ein derart nicht zu bewältigender Ausnahmefall liege hier nicht vor.

Gegen eine Aussetzungsmöglichkeit spreche schließlich der mit Wirkung zum 1. November 2018 neu eingefügte § 148 Abs. 2 ZPO. Danach kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag eines Klägers, der nicht Verbraucher ist, eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens anordnen. Mit der Vorschrift, so der Senat, werde deutlich, dass der Gesetzgeber das Problem der Parallelität von Klagen mit einer „Musterklage“ erkannt und sich dafür entschieden haben, eine zusätzliche Aussetzungsmöglichkeit nur für einen eng umgrenzten Bereich zu schaffen.

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