"Rheinbrücke": OLG Köln erstmals zum neuen Regelfahrverbot Nr. 250a BKat

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 10.11.2018
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|5597 Aufrufe

Bislang war das neue Regelfahrverbot der Nr. 250a BKat wohl noch nicht Gegenstand einer veröffentlichten OLG-Entscheidung. Das OLG Köln musste sich jetzt damit befassen. Es geht dabei um die Frage, ob ein atypischer Verstoß gegeben ist. 

Zunächst muss man dafür einmal in die entsprechende BKat-Nr. schauen, die ein zweimonatiges Fahrverbot und eine Geldbuße von 500 Euro vorsieht:

Vorschriftswidrig ein Verbot für Kraftwagen mit einem die Gesamtmasse beschränkenden Zusatzzeichen (Zeichen 251 mit Zusatzzeichen 1053-33) oder eine tatsächliche Höhenbeschränkung (Zeichen 265) nicht beachtet, wobei die Straßenfläche zusätzlich durch Verkehrseinrichtungen (Anlage 4 lfd. Nr. 1 bis 4 zu § 43 Absatz 3) gekennzeichnet ist.

§ 41 Absatz 1 i.V.m.
Anlage 2 lfd. Nr. 27 Spalte 3, lfd. Nr. 29 (Zeichen 251) Spalte 3, lfd. Nr. zu 36 bis 40, 
lfd. Nr. 39 (Zeichen 265)
§ 43 Absatz 3 Satz 2
§ 49 Absatz 3 Nummer 4, 6

 

 

Das AG hatte in einem Fall zwar einen Verstoß bejaht, nicht aber den Regeltatbestand des Fahrverbots ausgelöst gesehen. Der Sachverhalt des AG:

 

Der Betroffene befuhr am 28.10.2017 gegen 08:26 Uhr die Jstraße in L an der Anschlussstelle L - O als Führer des Lkw mit dem Kennzeichen … 3114, Fabrikat E in Fahrtrichtung E2. Das Fahrzeug hat ein zulässiges Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t.

Im fraglichen Teilstück ist die Jstraße durch Zeichen 251 mit Zusatzzeichen 3,5 t (VZ 253) für Kraftfahrzeuge mit mehr als 3,5 t zulässigen Gesamtgewicht gesperrt, da es sich hierbei um eine Autobahnauffahrt zur BAB 0 handelt. Die Autobahn führt der Anschlussstelle L-O, ohne Absatzmöglichkeiten im direkten Weg über die Mer Autobahnbrücke = die Mer Rheinbrücke.

Aufgrund des maroden baufälligen Zustandes der Brücke, ist die Brücke durchgehend seit dem 25.06.2014 für Kraftfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 3,5 Tonnen gesperrt. Spätestens seit dem 25.06.2014 war die Sperrung für Kraftfahrzeuge mit mehr als 3,5 t zulässigen Gesamtgewicht weiträumig ausgeschildert, und zwar derart, dass gleich von welcher Zufahrt man in Richtung Sperrung fuhr, man jedenfalls zwei Ankündigungbzw. Verbotsschilder passierte, bevor man zu dem gesperrten Teilstück kommt. Auf der Jstraße wird mehrfach darauf hingewiesen, dass eine Auffahrt auf die BAB 0 nur für Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht unter 3,5 t erlaubt ist. Die Verkehrsführung ist an der Stelle so geregelt, dass zwei Spuren nach rechts auf die Autobahn 1 Richtung E2 gehen, Lkws mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t müssen dagegen gerade aus, auf dem ganz linken Fahrstreifen der an dieser Stelle dreispurigen Jstraße fahren. (…).

(…) Aufgrund einer Vielzahl von Missachtung der bestehenden Verkehrsvorschriften wurde zum Schutz der Mer Brücke im September 2017 eine Schrankenanlage rund um die Brücke installiert. Damit ist für den Schwerlastverkehr, d. h. für Fahrzeuge schwerer als 3,5 Tonnen, nicht mehr möglich die Brücke zu benutzen. Die Anlage besteht aus einer Wiegevorrichtung und einer automatischen Schrankenschließanlage mit Lichtzeichenregelung. Auch auf der Jstraße an der Anschlussstelle L-O ist eine Schrankenanlage errichtet worden. Die Schrankenanlage reagiert derart, dass die Schrank auf Gewicht reagiert und sich beim zulässigen Gesamtgewicht von über 3,5 t schließt. Diese Schrankenanlage ist der Betroffene rein gefahren.

 

 

Dem OLG fehlten hier Feststellungen. Und offenbar will es wohl auch nicht das allzuleichte Absehen vom Fahrverbot in derartigen Fällen. Man muss die nachfolgende Entscheidung einmal in Ruhe lesen:

1. Die unterbliebene Anwendung der Ziff. 250a BKatV durch das Tatgericht wird von den bislang getroffenen Feststellungen nicht getragen.

Danach verwirkt - soweit hier in Betracht zu ziehen - eine Regelgeldbuße von 500,- € sowie ein Regelfahrverbot von zwei Monaten, wer vorschriftswidrig ein Verbot für Kraftwagen mit einem die gesamtmassebeschränkenden Zusatzzeichen (Zeichen 251 mit Zusatzzeichen 1053-33) nicht beachtet, wobei die Straßenfläche zusätzlich durch Verkehrseinrichtungen (Anlage 4 lfd. Nr. 1 bis 4 zu § 43 Abs. 3 StVO) gekennzeichnet ist. Die Vorschrift statuiert daher ein - gegenüber dem durch Zeichen 251 angeordneten „schlichten“ - ein gleichsam „qualifiziertes“ Durchfahrverbot. Die gemeinten Verkehrseinrichtungen sind dabei Schranken, Leitbaken, Leitschwellen und Leitborde.

a) Das Tatgericht führt aus, dass die hier in Rede stehende Straßenfläche durch eine Schrankenanlage sowie durch Leitschwellen gekennzeichnet ist. Dabei sei die Schrankenanlage erst zu einem Zeitpunkt erkennbar, da ein Hineinfahren in diese unvermeidlich sei (UA 11). Die Frage, ob der Tatbestand aufgrund der Kennzeichnung der in Rede stehenden Straßenfläche durch die Leitschwellen erfüllt sei, lässt das Tatgericht zunächst ausdrücklich offen (UA 7), um dann (UA 11) darzulegen, für den Betroffenen sei „allenfalls“ der zur Schrankenanlage hinführende „Trichter“ und hier „nur“ die diesem vorausgehenden Leitschwellen erkennbar. Ersichtlich wegen der von ihm vorgenommenen teleologischen Reduktion der Ziff. 250a BKatV - auf diese wird zurückzukommen sein - hat das Tatgericht sich in erster Linie mit der Schrankenanlage befasst und sich damit den Blick auf die mögliche Bedeutung der gleichfalls vom Tatbestand erfassten Leitschwellen verstellt. Damit bleiben die Urteilsfeststellungen in rechtsbeschwerderechtlich bedeutsamer Weise lückenhaft:

Auch wenn das Tatgericht (UA 7 4. Abs. aE) von einer Möglichkeit spricht, „den Bereich“ zu verlassen, bleibt mangels diesbezüglicher konkreter Urteilsfeststellungen nämlich letztlich offen, ob der Betroffene in dem Zeitpunkt, da ihm die Wahrnehmung der besonders gekennzeichneten Straßenfläche erstmals möglich ist, deren Befahren (etwa durch verkehrsgerechtes Ausweichen auf die nach Süden führende Fahrspur Richtung BAB 0) noch vermeiden kann. Sollte der Betroffene im Zeitpunkt der ersten Wahrnehmungsmöglichkeit der besonders gekennzeichneten Straßenfläche gleichsam gezwungen sein, in diese und in der Folge dann auch in die Schrankenanlage hineinzufahren, würde ihn der Normbefehl erst zu einem Zeitpunkt erreichen, da er über keine rechtmäßige Handlungsalternative mehr verfügte. Eine (gesteigerte) Bebußung wäre daher mangels möglicher Erreichung eines legitimen Zwecks unverhältnismäßig. Sollte er indessen in diesem Zeitpunkt noch über die Möglichkeit verfügen, das Befahren der besonders gekennzeichnete Straßenfläche verkehrsgerecht zu vermeiden, stünden der Anwendung des Tatbestandes aus Sicht des Senats durchgreifende Bedenken nicht entgegen.

b) Soweit das Tatgericht solche (UA 7, 4. Absatz aE) aus dem Umstand herleiten will, dass in dem Zeitpunkt, da ein Betroffener gegen das „qualifizierte“ Durchfahrtverbot verstößt, dieser notwendig bereits das „einfache“ Durchfahrtverbot verletzt hat und damit gleichsam „in die Qualifikation hineinfährt“, teilt der Senat sie nicht. Es gibt keinen Rechtssatz, der die Durchfahrtverbote in ein Alternativitätsverhältnis dergestalt setzt, dass die Straßenverkehrsbehörde nur entweder das „einfache“ oder aber das „qualifizierte“ Durchfahrtverbot anordnen dürfte. Ausweislich der Verordnungsbegründung (BR-Drs. 556/17, S. 35) hat die Kontrolle von Lkw-Verkehrsverboten auf Autobahnbrücken gezeigt, dass dort Verkehrsverbote zum Schutze der Infrastruktur in erheblichem Umfang missachtet werden. So verstießen beispielsweise auf der hier in Rede stehenden Rheinbrücke bis zu 1000 Lkw-Fahrer täglich trotz eines räumlich weit gestaffelten Hinweisund Umleitungskonzepts und wiederholter Polizeikontrollen gegen entsprechende Verkehrsverbote. Dies deckt sich mit den Erfahrungen des für die Tätigkeit der Bußgeldbehörden in diesem Bereich ausschließlich zuständigen Senats. Vor diesem Hintergrund wäre die Alternative zu der hier gewählten Beschilderung entweder die - ersichtlich ineffiziente - Beibehaltung eines „einfachen“ Durchfahrtverbots, oder aber eine unmittelbare besondere Kennzeichnung der zu befahrenden Straßenfläche gewesen. Ein Sachgrund für letzteres ist indessen nicht ersichtlich. Vielmehr kann die besondere Kennzeichnung nach Anordnung eines „einfachen“ Durchfahrtverbots im Sinne einer Eskalationsstrategie als gleichsam allerletzte Warnung dienen, den geschützten Bereich nunmehr zu verlassen. Gerade umgekehrt könnte man ggf. unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten Bedenken gegen die umstandslose Anordnung des „qualifizierten“ Durchfahrtverbots anmelden.

c) Es liegt des Weiteren auf der Hand, dass die vorstehenden Überlegungen zur konkreten Ausgestaltung der Kennzeichnung der in Rede stehenden Straßenfläche, deren Erkennbarkeit und dem Vorhandensein einer Handlungsalternative maßgebliche Bedeutung auch für die Frage gewinnen, ob der Betroffene den Verstoß vorsätzlich begangen hat.

2. Der Senat teilt die Auffassung des Tatgerichts, Ziffer 250a BKatV sei teleologisch zu reduzieren, nicht.

a) Anlass für die Einführung der genannten Vorschrift waren für den Verordnungsgeber nicht zuletzt die Situation auf der hier in Rede stehenden Mer Rheinbrücke und der Befund, dass die bisherige Anordnung „einfacher“ Durchfahrtverbote die gewünschte Wirkung des Schutzes der Infrastruktur jedenfalls nur unvollkommen hat erreichen können. Vor diesem Hintergrund erscheint es bereits im rechtlichen Ansatz bedenklich, wenn das Tatgericht den Anwendungsbereich der Vorschrift einzuschränken sucht. Diese Einschränkung ist aber auch in der Sache nicht überzeugend:

b) In erster Linie argumentiert das Tatgericht bei seiner einschränkenden Auslegung des Tatbestands mit der aufgrund der vorhandenen Schrankenanlage gegebenen Unmöglichkeit für die betroffenen Lkw-Fahrer, die Mer Rheinbrücke tatsächlich befahren. Diese kämen nicht einmal „in den räumlichen Nähebereich“ dieses Bauwerks. Das übersieht, dass es zu erheblichen Verkehrsbehinderungen führt, wenn ein Lkw-Fahrer die Wiegeeinrichtung befährt und aufgrund dessen die Schranke auslöst. In der Zeit, bis der betroffene Lkw-Fahrer rangiert hat und auf die Richtung L2 führende Fahrspur gelenkt werden kann, staut sich hinter ihm der Verkehr auf der jeweiligen Fahrspur. Dies zu verhindern dient die besondere Kennzeichnung der betroffenen Straßenfläche bei - unterstellt - vorhandener Möglichkeit, noch vor Erreichen der Schrankenanlage die Fahrtrichtung L2 zu wählen.

c) In dieselbe Richtung geht die Argumentation des Tatgerichts, die erheblichen Sanktionen sprächen dafür, nur solche Fälle zu erfassen, in welchen die Verkehrsinfrastruktur konkret gefährdet werde. Der in diesem Zusammenhang angestellte Vergleich mit anderen Sanktionen im Gefüge des Verkehrsordnungswidrigkeitenrechts trägt nicht: Wenn der Verordnungsgeber sich von einer - zugegebenermaßen drastischen - Verschärfung der Rechtsfolgen eine Abschreckungswirkung bei gleichzeitiger Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs (eben dadurch, dass die Schrankenanlage nicht in Anspruch genommen werden muss) verspricht, hält sich dies jedenfalls im Rahmen des diesem eingeräumten Beurteilungsspielraums. Dass der Verordnungsgeber die möglichen beruflichen Folgen für die betroffenen Fahrer nicht im Blick gehabt haben sollte, ist demgegenüber nicht zu erkennen.

d) Schließlich kann für die Argumentation des Tatgerichts auch nichts aus dem Umstand gewonnen werden, dass sich der Verordnungsgeber ausweislich der Begründung (S. 37 f.) bei der Höhe des Bußgeldes an der Missachtung einer geschlossenen Schranke bei Bahnübergängen orientiert hat. Zum einen ist die dort vorgesehene Sanktion nicht bruchlos übernommen worden. Zum anderen stellt das Tatgericht in diesem Kontext wiederum ausschließlich auf die Schrankenanlage ab, ohne die an dieser Stelle gleichfalls vorhandenen Leitschwellen in die Überlegungen einzubeziehen. Diese mögen aber - im Zusammenwirken mit dem von dem Tatgericht gleichfalls erwähnten „Trichter“ - ein vergleichbares körperliches Hindernis errichten, wie dies eine geschlossene Bahnschranke darstellt. Jedenfalls liegt auch die diesbezügliche Erwägung des Verordnungsgebers innerhalb des diesem eingeräumten Beurteilungsspielraums.

OLG Köln Beschl. v. 4.10.2018 – 1 RBs 217/18, BeckRS 2018, 26049

 

 

 

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