BFH v. 27.9.2018, V R 49/17: Das Spiel mit der Steuerschuldnerschaft - für den Fiskus gefährlich – für Bauträger einträglich

von Dr. Helge Jacobs, veröffentlicht am 16.11.2018
Rechtsgebiete: Steuerrecht|4460 Aufrufe

Der V. Senat des BFH setzt mit dieser Entscheidung einen Schlussstrich unter das Kapitel des Übergangs der Steuerschuldnerschaft nach § 13b Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 S. 2 UStG 2005 für vor dem 15. Februar 2014 erbrachte Bauleistungen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung (Abschn. sollte die Steuerschuld für entsprechende Leistungen auch dann gem. § 13b Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 S. 2  UStG 2005 auf den Leistungsempfänger übergehen, wenn Bauleistungen an einen Unternehmer erbracht wurden, der die bezogenen Bauleistungen selbst nicht für die Ausführung eigener Bauleistungen verwendete. Bereits in 2013 entschied der EuGH und in der Folge auch der BFH (BFH v. 22.8.2013, V R 37/10, BStBl. II 2014, 128), dass diese Verwaltungspraxis rechtswidrig sei. Bauunternehmer, die sich auf die Verwaltungspraxis in Abschn. 182a Abs. 10-12 UStR bzw. UStAE Abschn. 13b.3 Abs. 1-3 a.F. beriefen führten keine Umsatzsteuer ab und forderten nur den Nettopreis von ihren Kunden. Bauträger, die bebaute Grundstücke an Dritte steuerfrei gem. § 4 Nr. 9a UStG veräußerten, beriefen sich in der Folge auf diese höchstfinanzgerichtliche Rechtsprechung und meldeten keinen Übergang der Steuerschuld gem. § 13b Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 S. 2 UStG a.F. an. Der Fiskus befürchtete, dass dieses „Spiel mit dem Steuerschuldner“ zu milliardenschweren Einnahmenausfällen führen könnte und der Gesetzgeber reagierte mit der Einführung einer umstrittenen, den Vertrauensschutz des Bauleistenden beschränkenden Übergangsvorschrift (§ 27 Abs. 19 UStG). Die Verfassungskonformität der Norm hat der BFH zwischenzeitlich gebilligt (BFH v. 23.2.2017, V R 16, 24/6, DStR 2017, S. 777).

Ungeklärt war bislang jedoch, ob die Finanzbehörden berechtigt sind, Erstattungen an Bauträger davon abhängig machen dürfen, dass der jeweilige Bauträger seinerseits die Gegenleistung um den Betrag aufstockt, der auf die vom Bauleistenden geschuldete Umsatzsteuer entfällt, oder aber das Finanzamt gegen den Bauträger aufrechnen kann (so das BMF-Schreiben vom 26.7.2017, BStBl. I 2017, S. 1001, Rz. 15a).

Der BFH hat nun entschieden, dass die Finanzbehörde dem Verlangen des Leistungsempfängers nach Korrektur rechtswidrig festgesetzter Steuer nach § 13b UStG, nicht von diesen Bedingungen (Aufrechnungsmöglichkeit des Finanzamts gegen Erstattungsanspruch, Zahlung der „Steuer“ an den Bauunternehmer) abhängig machen darf. Denn § 27 Abs. 19 UStG verpflichtet die Finanzbehörde nur zur „Änderung der Festsetzung gegen den leistenden Unternehmer“. Das Finanzamt könne das Berichtigungsverlangen weder mit den Grundsätzen von Treu und Glauben noch unter Berufung auf den Neutralitätsgrundsatz ablehnen. Anders als bei einer Korrektur nach § 14c Abs. 1 S. 2 UStG verweise § 13b Abs. 2 UStG auch nicht auf § 17 UStG. Dann aber könne die Korrektur gerade nicht von der Zahlung des „Steuerbetrags“ an den Bauunternehmer abhängen.

In der ebenfalls beim V. Senat anhängigen Revision gegen das Urteil des Baden-Württemberg v. 17.1.2018, 12 K 2323/17 wird der BFH auch noch die Fragen zu beantworten haben, ob die abweichende Auslegung des § 13b UStG durch den BFH als ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 AO zu qualifizieren sowie ob § 233a Abs. 2a AO bei der Festsetzung von Erstattungszinsen im Zuge der Korrektur der Steuerfestsetzung des Bauträgers anzuwenden ist.

Hinzuweisen ist: Für nach dem 14.2.2014 und bis zum 30.9.2014 ausgeführte Leistungen gelten die Grundsätze der BFH-Entscheidung v. 22.8.2013 (V R 37/10, BStBl. II 2014, 128) sowie des BMF-Schreibens vom 5.2.2014 (BStBl. I 2014, 233) und v. 8.5.2014 (BStBl. I 2014, 823). Der Gesetzgeber hat dem „Spiel mit dem Steuerschuldner“ schließlich einen Riegel vorgeschoben: Für ab dem 1.10.2014 ausgeführte Bauleistungen greift § 13b Abs. 5 UStG in der Fassung durch das sog. „Kroatien-Anpassungsgesetzes (BGBl. 2014, S. 1266).

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