Aktualisierte Glass Lewis Proxy Paper Guidelines für deutsche Hauptversammlungen

von Dr. Cornelius Wilk, veröffentlicht am 07.12.2018
Rechtsgebiete: WirtschaftsrechtHandels- und Gesellschaftsrecht1|22654 Aufrufe

Nach Aktualisierung der ISS Proxy Voting Guidelines (hierzu der Beitrag von Dr. Klaus von der Linden vom 30. November 2018) hat nun auch der Stimmrechtsberater Glass Lewis am 29. November 2018 eine aktualisierte Version seiner Proxy Paper Guidelines Germany veröffentlicht. Die Änderungen betreffen Aufsichtsratswahlen sowie das Vergütungsvotum der Hauptversammlung gemäß § 120 Abs. 4 AktG.

Frauenanteil im Aufsichtsrat

Wird bei der Wahl von Mitgliedern eines im Vorfeld der Wahl rein männlich besetzten Aufsichtsrats nicht mindestens eine weibliche Kandidatin nominiert, stellt Glass Lewis die Empfehlung in Aussicht, gegen die Wiederwahl des Vorsitzenden des Nominierungsausschusses zu stimmen. Das soll nur dann nicht gelten, wenn (i) sich die Gesellschaft ein Ziel zur Erhöhung des Frauenanteils im Aufsichtsrat gesetzt hat und der Aufsichtsrat überzeugende Gründe darlegt, warum bei der betreffenden Wahl keine Frau vorgeschlagen wird, oder (ii) dem Aufsichtsrat weniger als sechs Mitglieder angehören. Praktisch relevant ist dies nur für Gesellschaften, die nicht bereits der gesetzlichen Geschlechterquote gemäß § 96 Abs. 2 AktG, § 17 Abs. 2 SEAG unterliegen.

Kompetenzprofil für den Aufsichtsrat und Unabhängigkeitsklassifizierung

Darüber hinaus stellt Glass Lewis eine Empfehlung gegen die Wiederwahl des Vorsitzenden des Nominierungsausschusses in Aussicht, wenn (i) den Aktionären im Vorfeld einer Aufsichtsratswahl kein aussagekräftiges Kompetenzprofil für den Aufsichtsrat und keine Unabhängigkeitsklassifizierung der amtierenden Aufsichtsratsmitglieder zur Verfügung gestellt werden und (ii) die Gesellschaft dem DAX, MDAX oder SDAX angehört. Dabei lehnt sich Glass Lewis ausdrücklich an die aktuellen Empfehlungen zu Unabhängigkeit und Kompetenzprofil in Ziffer 5.4.1 des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) an.

Unabhängigkeit der Anteilseignervertreter in Prüfungs- und Vergütungsausschüssen

Glass Lewis hält weiter an der Ansicht fest, dass die Mehrheit der dem Prüfungs- und dem Vergütungsausschuss angehörenden Anteilseignervertreter grundsätzlich unabhängig von der Gesellschaft und wesentlichen Aktionären sein sollte. Vor dem Hintergrund, dass den betreffenden Ausschüssen in mitbestimmten Gesellschaften häufig eine gerade Zahl von Anteilseignervertretern angehört, lässt Glass Lewis nunmehr jedoch auch einen Unabhängigenanteil von genau 50 % genügen, wenn der Ausschussvorsitz bei einem unabhängigen Anteilseignervertreter liegt.

Say on Pay bei wesentlichen Änderungen oder erheblicher Aktionärsopposition

Schließlich stellt Glass Lewis eine Empfehlung gegen die Entlastung des Aufsichtsrats in Aussicht, wenn der Hauptversammlung kein Beschlussvorschlag zur Vorstandsvergütung gemäß § 120 Abs. 4 AktG vorgelegt wird, obwohl (i) im zurückliegenden Jahr eine wesentliche Änderung der Vorstandsvergütung stattfand oder vorgeschlagen wurde oder (ii) das Vergütungsvotum zuletzt negativ ausfiel oder auf erheblichen Widerstand bei Freefloat-Aktionären traf. Als erheblichen Widerstand sieht Glass Lewis grundsätzlich einen Nein-Stimmenanteil von über 20 % an, berücksichtigt im Einzelfall jedoch die Aktionärsstruktur und die individuellen Umstände des Beschlusses. Die erheblichen Änderungen, die die Hauptversammlungskompetenzen zur Vorstandsvergütung im Zuge der Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie erfahren werden (hierzu der Beitrag von Dr. Klaus von der Linden vom 12. Oktober 2018), lassen erwarten, dass dieser Teil der Guidelines auch Gegenstand der nächsten Aktualisierung Ende 2019 sein wird.

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1 Kommentar

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So langsam könnte man Ideen beipflichten, wonach Menschen jederzeit durch Eigenerklärung ihr Geschlechtszugehörigkeit, auch wechselnd,  deklarieren dürfen können sollen.  Dogmatisch wäre dann zu klären, ob die Grundsätze der Relativität von Rechtsverhältnissen anzuwenden sind. Das hieße: für den AR der A-AG deklariere ich mich als Mann, für den Aufsichtsrat der B-AG erkläre ich mich als Frau. Einmal durchstrukturiert, wäre dann eine durch das Weistum des BVerfG für das Abendland ganz wesentliche Problematik bewältigt: Die relativ wirkende Selbsteinordnung würde auch eine beliebige Anzahl von Geschlechtern umfassen können. Im Sinne der Einheit der Rechtsordnung wären damit zugleich auch Probleme der Quotenbildung für Parteien, Fraktionen, Abgeordnete elegant aus dem Wege geräumt. 

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