LG Nürnberg-Fürth: Bedeutender Schaden nach Unfallflucht = 2500 Euro-Grenze!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 12.12.2018
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht1|3715 Aufrufe

Da ist das LG Nürnberg-Fürth doch recht großzügig. Woanders wird es wohl eher bei 1500 Euro bleiben:

 

Ein bedeutender Fremdschaden liegt ab einem Betrag von 2.500,00 € netto vor (vgl. z.B. die Beschlüsse der Kammer vom 10.04.08 - Az. 5 Qs 23/18 und vom 05.11.18, Az. 5 Qs 69/18). Die Kammer hat die Änderung von § 44 Abs. 1 StPO und damit die seit dem 24.08.2017 geschaffene Möglich-keit der Verhängung von Fahrverboten von bis zu sechs Monaten anstelle von drei Monaten zum Anlass genommen, ihre Rechtsprechung zum Begriff des bedeutenden Fremdschadens Anfang 2018 zu ändern (bis 2017: 1.800,00 € netto, vgl. z. B. Beschluss vom 11.04.2008, Az. 5 Qs 61/08). Im Hinblick auf die in § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB angeordnete Gleichsetzung des bedeutenden Fremdschadens mit der Tötung bzw. nicht unerheblichen Verletzung eines Menschen einerseits und der wirtschaftlichen Entwicklung in den letzten zehn Jahren andererseits hat die Kammer im Interesse der Rechtssicherheit eine großzügige Anpassung der Wertgrenze nach oben vorgenommen. Die Kammer hat dabei die Entwicklung der Einkommen und der Kosten für die Beseitigung der Folgen von Verkehrsunfällen berücksichtigt und sich an einer groben Schätzung der wirtschaftlichen Entwicklung orientiert. Eine exakte Ermittlung der Kostenentwicklung bei der Beseitigung von Unfallfolgen ist nicht zuletzt wegen der Vielfältigkeit der Unfallszenarien von geringer Aussagekraft. Die Kammer hat deswegen davon abgesehen anhand von einem Musterunfallgeschehen auf eine insoweit singuläre Kostenentwicklung abzustellen (vgl. aber zu diesem Ansatz, LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 13.05.2008, Az. 5/9a Qs 5/08). Die Verbraucherpreise für die Wartung und Reparatur von Fahrzeugen sind allein in den Jahren von 2010 bis 2016 um 11,6% angestiegen (vgl. Statistisches Bundesamt, Verbraucherpreisindex für Deutschland, Klassifikation CC 0723). Im gleichen Zeitraum steigerte sich der Reallohnindex lediglich um 7,8% (vgl. Statistisches Bundesamt, Verdienste und Arbeitskosten, Reallohnindex und Nominallohnindex, 4. Vierteljahr 2017). Auch im Bereich der Bergungs- und Abschleppkosten ist es zu deutlichen Preissteigerungen gekommen. So sind beispielsweise die Preise für ein Standard-Bergungsfahrzeug zum Abtransport von liegen gebliebenen Pkws bis 7,49 t zwischen den Jahren 2006 und 2016 um 35,5% angestiegen (vgl. VBA, Preis- und Strukturumfrage im Bergungs- und Abschleppgewerbe, Ergebnisse 2006 bis 2016). Eine großzügige Anpassung der Wertgrenze war im Interesse der Rechtssicherheit geboten, um eine wiederholte Anpassung um kleinere Beträge in kürzeren Zeitabständen möglichst zu vermeiden.

 

LG Nürnberg-Fürth Beschl. v. 12.11.2018 – 5 Qs 73/18, BeckRS 2018, 30496

 

Ach so: Gerade ist die Neuauflage von Himmelreich/Staub/Krumm/Nissen, Verkehrsunfallflucht erschienen! Da kann man alles zum bedeutenden Schaden im Detail nachlesen.

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Für den Bereich des Oberlandesgerichts Stuttgart ist folgende Tendenz erkennbar:

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat in seinem Urteil vom 27. April 2018, 2 Rv 33 Ss 959/17, festgestellt, dass es sich bei der Grenze zum bedeutenden Schaden nicht um eine starre, sondern  vielmehr veränderliche Wertgrenze handle. Anhaltspunkte hierfür seien der jährlich berechnete und veröffentlichte Verbraucherpreisindex und die allgemeine Einkommensentwicklung. Eine Anhebung der Wertgrenze solle aus verfassungsrechtlichen Gründen allerdings nur bei einer grundlegenden Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse in Betracht kommen.

Trotz des Umstandes, dass sich diese Werte über mindestens ein Jahrzehnt verändert haben, hält das Landgericht Tübingen in einem Beschluss vom 21.11.2018, 9 Qs 197/18 beharrlich an der „starren Wertgrenze“ von 1300 € fest, was sich mit der Erfahrung des Unterzeichnendenzur Rechtsprechung des Landgerichts Tübingen in anderen Beschwerdeverfahren deckt. Zur Begründung führt die 9. Große Strafkammer aus, dass die Kammer keinen Anlass sehe, von der bislang von der überwiegenden Mehrheit der Gerichte festgesetzten Grenze von 1300 € bei der Beurteilung eines Schadens von bedeutendem Wert im Rahmen des § 142 StGB abzurücken.

Demgegenüber neigt das Amtsgericht Reutlingen dazu, sich der Rechtsprechung des Landgerichts Nürnberg-Fürth anzuschließen und sieht die Wertgrenze bei einem Nettoschaden von 2500 € (so ein Referatsrichter (Richter am Amtsgericht) in Ausführungen im Rahmen einer Hauptverhandlung).

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Tübingen neigt die Staatsanwaltschaft dazu, die Wertgrenze bei 2000 €-2500 € festzusetzen.

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