E-Evidence-VO und Datenschutz: Ring frei zur rechtlichen Auseinandersetzung über Beweismittel über die Grenze hinweg

von Dr. Axel Spies, veröffentlicht am 12.12.2018

Der frühere Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar beschäftigt sich in der MMR Heft 11, 705 f. in seinem Editorial mit der E-Evidence-VO und äußert scharfe Kritik an den Plänen. Die E-Evidence-VO ist, mit einigen Abstrichen und Unterschieden, das Gegenstück zum US CLOUD Act (diskutiert im Blog hier). Zur E-Evidence-VO gibt es interessante Neuigkeiten vom EU Rat. Die Diskussion nimmt an Fahrt auf, so viel steht fest.

Hintergrund:

Das Thema ist für Datenschützer und Betroffene höchst brisant. Es geht um die Beweiserhebung in der EU über die Grenze weg. Die nationalen Ermittlungsbehörden wollen neue Werkzeuge, um Straftäter effektiv über die Grenze weg zügig verfolgen zu können. Umfasst von dem Entwurf werden Bestandsdaten wie Name und Anschrift oder Zugangskennungen und Passwörter sowie E-Mails, SMS und Chatnachrichten. Inhaltsdaten einschließlich Fotos oder Videos in der Cloud sind ebenfalls eingeschlossen, wenn sie der Verfolgung schwerer Straftaten dienen sollen und ein Gericht einen Antrag darauf genehmigt hat. Der Datenzugriff soll auch bei Delikten möglich sein, die in Deutschland nicht strafbar sind.

Als Sanktion gegen Firmen, die den kommenden Vorschriften prinzipiell nicht nachkommen, sind bis zu zwei Prozent des globalen Jahresumsatzes von Firmen vor.

Standpunkt des Rates:

Hierzu gibt es eine Presseerklärung des Rates vom 07.12.18: Den Justizbehörden der Mitgliedstaaten soll es gestattet werden, E-Beweismittel unabhängig vom Standort der jeweiligen Daten über die Grenze weg unmittelbar bei den Diensteanbietern anzufordern, die in der EU tätig sind. Betroffene Provider müssten dann innerhalb von zehn Tagen auf einen Antrag antworten. In Notfällen soll die Frist auf sechs Stunden verkürzt werden können. Mit einer Anordnung ist auch eine Vorgabe zur Vorratsdatenspeicherung verknüpfbar.

Die Justizminister der EU-Länder haben sich damit hinter einen Verordnungsentwurf der EU-Kommission zur e-Evidence VO vom 17.04.2018 gestellt, mit dem Polizei- und Justizbehörden der Mitgliedsstaaten letztlich weltweit auf elektronische Beweismittel zugreifen dürften. Gelten sollen die Regeln zudem erst nach einer Übergangsfrist (24 oder sechs Monate).

An einigen Punkten will der EU-Rat allerdings den vorliegenden Entwurf verschärfen. So schlägt er etwa vor, einen Artikel zu nationalen Möglichkeiten für den Widerspruch gegen eine "Vorlageanordnung" beispielsweise zum Schutz von Grundrechten komplett zu streichen und durch ein weniger striktes "Notifizierungssystem" für bestimmte Datenkategorien zu ersetzen.

Kritik von allen Seiten:

Staaten wie Deutschland, Finnland, Lettland, die Niederlande oder Ungarn stellten sich gegen die gemeinsame Ratsposition. Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder meinen, Grundrechte der Nutzer und der Provider würden mit der geplanten "E-Evidence-Verordnung" mit Füßen getreten und Schutzvorschriften zur Vorratsdatenspeicherung ausgehebelt. Sie befürchten u.a  laut einer Entschließung der DSK vom 7.11.18, dass Drittstaaten die Verordnung als Blaupause für vergleichbare Auflagen heranziehen werden.

Was halten Sie von dem Entwurf und der Kritik?

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Woraus ergibt sich denn, dass die Zusammenarbeit in Strafsachen (Art. 82 AEUV) eine unmittelbare Drittwirkung von "Urteilen" anderer Mitgliedstaaten zulässt und die EU nicht nur eine grundsätzliche Anerkennungs- und Umsetzungspflicht des ersuchten Mitgliedstaats begründen kann. 

Spricht nicht zudem einiges dafür, dass eine derartige Umsetzung durch den Mitgliedstaat, in dem die Maßnahmen wirken soll, in Deutschland auch wegen Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG notwendig ist. Denn nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG dürfen zwar auf die EU selbst die Ausübung von Hoheitsrechten übertragen werden, die dann unmittelbar in Deutschland wirken können (z. B. ein Bußgeld der EU-Kommission auf Grund des europäischen Wettbewerbrechts). Lässt Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG aber auch eine unmittelbare Wirkung von Einzelmaßnahmen eines anderen Mitgliedstaats zu? Z.B. das Herausgabeverlangen eines EU-ausländischen Ermittlungsrichters gegen einen nur in Deutschland tätigen/ansässigen E-Mail-Anbeiter.

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