BAG zum Vorbeschäftigungsverbot bei der sachgrundlosen Befristung im Anschluss an die Entscheidung des BVerfG

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 25.01.2019
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht6|5964 Aufrufe

Seit der Entscheidung des BVerfG (6.6.2018 – 1 BvL 7/14 und 1 BvR 1375/14, NZA 2018, 774) zum sog. Vorbeschäftigungsverbot bei der sachgrundlosen Befristung richten sich die Blicke wieder auf das BAG. Wie wird das BAG die Vorgaben des BVerfG umsetzen? Wird es der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung gelingen, Maßstäbe zu formulieren, die der Praxis einen verlässlichen Rahmen bieten? Zur Erinnerung: Das BVerfG hatte die Auslegung § 14 II 2 TzBfG durch BAG, wonach generell Vorbeschäftigungen, die länger als drei Jahre zurückliegen, einer neuerlichen sachgrundlosen Befristung nicht entgegenstehen sollen, als unzulässige Rechtsfortbildung verworfen. Allerdings hat das BVerfG hervorgehoben, dass Fälle vorstellbar seien, in denen die Gefahr von Kettenbefristungen nicht bestehe, so dass es des vom Vorbeschäftigungsverbot intendierten Schutzes nicht bedürfe. Das sei dann gegeben, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist. Dazu könne es etwa kommen bei geringfügigen Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studien- oder Familienzeit, bei Werkstudierenden und studentischen Mitarbeitern im Rahmen ihrer Berufsqualifizierung oder bei einer erzwungenen oder freiwilligen Unterbrechung der Erwerbsbiographie, die mit einer beruflichen Neuorientierung oder einer Aus- und Weiterbildung einhergeht. In einer solchen Konstellation müssten die Gerichte durch verfassungskonforme Auslegung den Anwendungsbereich von § 14 II 2 TzBfG einschränken.

Nunmehr hatte das BAG (Urteil vom 23. Januar 2019 - 7 AZR 733/16 – PM 3/19) im Anschluss an die Entscheidung des BVerfG erstmals Gelegenheit, seine Rechtsprechung neu zu justieren. Der Fall lag wie folgt: Der Kläger war vom 19. März 2004 bis zum 30. September 2005 als gewerblicher Mitarbeiter bei der Beklagten tätig. Mit Wirkung zum 19. August 2013 stellte die Beklagte den Kläger erneut sachgrundlos befristet für die Zeit bis zum 28. Februar 2014 als Facharbeiter ein. Die Parteien verlängerten die Vertragslaufzeit mehrfach, zuletzt bis zum 18. August 2015. Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt nicht geendet hat.

Das BAG schwenkt erwartungsgemäß auf die Linie des BVerfG ein und gibt dem klagenden Arbeitnehmer recht. In der Pressemitteilung wird die Quintessenz wie folgt formuliert: „Die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags ist nach § 14 II 2 TzBfG nicht zulässig, wenn zwischen dem Arbeitnehmer und der Arbeitgeberin bereits acht Jahre zuvor ein Arbeitsverhältnis von etwa eineinhalbjähriger Dauer bestanden hat, das eine vergleichbare Arbeitsaufgabe zum Gegenstand hatte. Im Anschluss an das BVerfG greift das BAG die vom BVerfG angedeutete Pflicht zur verfassungskonformen Auslegung in Ausnahmefällen auf. Das Verbot der sachgrundlosen Befristung – so das BAG - kann danach insbesondere unzumutbar sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist. Um einen solchen Fall handele es sich vorliegend jedoch nicht, insbesondere habe das vorangegangene Arbeitsverhältnis acht Jahre und damit nicht sehr lang zurückgelegen.

Die Beklagte könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Befristung im Vertrauen auf die im Jahr 2011 ergangenen Entscheidungen des BAG vereinbart zu haben. Sie musste bei Abschluss der Verträge mit dem Kläger jedenfalls die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die vom BAG vorgenommene verfassungskonforme Auslegung der Norm vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben könnte.

Die wesentliche Aussage der Entscheidung liegt in der Versagung des Vertrauensschutzes. Ansonsten handelt es sich um einen klaren Fall. Weitere Entscheidungen werden zeigen, wann tatsächlich eine verfassungskonforme Auslegung geboten ist. Bis dahin kann der Praxis nicht empfohlen werden, einen Arbeitsvertrag sachgrundlos zu befristen, wenn der Arbeitnehmer in der Vergangenheit bereits schon mal in einem Arbeitsverhältnis zum selben Arbeitgeber stand.

 

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6 Kommentare

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Die wesentliche Aussage der Entscheidung liegt in der Versagung des Vertrauensschutzes.

Vertrauensschutz zu versagen, weil man damit rechnen muß, dass das Bundesverfassungsgericht mit einer anderen Sicht der Dinge daher kommt, ist wahrlich nicht unmittelbar überzeugend. Dann gäbe es niemals mehr Vertrauensschutz, weil mit dem Bundesverfassungsgericht immer zu rechnen ist.

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Allerdings war bei der letzten Befristung das Verfahren am BVerfG bereits anhängig. Ich gehe davon aus, dass sich die Versagung des Vertrauensschutzes auf diesen Umstand stützt.

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Irgendwie hätte man seitens des Bundesarbeitsgerichts auch eine Entschuldigung dafür erwarten können, dass man seit Jahren verfassungswidrig verfuhr und vor allem ein Versprechen, sich künftig an Gesetz und Recht und an das judicial self restraint zu halten, also nicht Gesetzgeber gegen das Gesetz zu spielen und alles besser wissen wollen als dieser. Solch ein großes Indianerehrenwort wäre wirklich ein Hoffnungsschimmer am Horizont gewesen...

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Es ist erschreckend, wie sich Gerichte anmaßen, sich über das Gesetz zu stellen, damit das gewünschte Ergebnis passt. Da kommt auf einmal wieder der Begriff des ‚Rechtsmissbrauchs‘ in Mode oder man erfindet einfach eine Frist, für die das Vorbeschäftigungsverbot nicht gelten soll. Wenn es dann Kritik vom BVerfG gibt, dann soll man nicht einmal mehr Vertrauensschutz genießen dürfen für den Quatsch, den das BAG entschieden hat

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Meine beiden Vor-Kommentatoren weisen zurecht darauf hin, dass es erschreckend ist, wie sich selbst die obersten Gerichte immer wieder anmaßen, sich über das Gesetz zu stellen, damit das gewünschte Ergebnis passt. Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt aber erfreulicherweise in seiner in methodischer Hinsicht bahnbrechenden Entscheidung vom 6.6.2018 (NJW 18,2542) ganz deutlich zum Ausdruck gebracht, dass ein aus den Gesetzesmaterialien klar erkennbarer Wille des Gesetzgebers von den Gerichten immer beachtet werden muss. Dies sei Ausdruck demokratischer Verfassungsstaatlichkeit, trage dem Grundsatz der Gewaltenteilung Rechnung und verwirkliche auch die Bindung des Gerichts an das Gesetz. Leider ist diese Entscheidung in den gerade erschienen Neuauflagen 2019 der Beck´schen Großkommentare Baumbach, ZPO und Palandt, BGB in den Rubriken Auslegung bzw. Rechtsfortbildung nicht oder nicht ausreichend eingearbeitet worden. Beim Baumbach (Autor: Hartmann) wird die Entscheidung in der Einleitung III weder in der Rubrik Auslegung (Rn. 35 ff.) noch in der Rubrik Rechtsfortbildung (Rn. 50,51) erwähnt. In Rn. 42 führt Hartmann aus, dass die Entstehungsgeschichte hilfsweise beachtbar sei. Großzügiger seien diesbezüglich BVerfG, NJW 13,677, Wedel, JB 13,177 und Wischmeyer, JZ 15,957 sowie kaum noch hinnehmbar Wedel, JB 14,120. In meinem Aufsatz JB 14,120 lautete das Fazit: Der objektivierte Wille des Gesetzgebers früherer Prägung ist out. Wenn die Gesetzesmaterialien eine unmittelbare Antwort auf die zu entscheidende Rechtsfrage geben und auch der Wortlaut dem zumindest nicht entgegen steht sind die Gerichte hieran gebunden. Nach der BVerfG-Entscheidung vom 6.6.18 sind jetzt seine Ausführungen nicht mehr hinnehmbar. Wahrscheinlich hat er ja auch deshalb BVerfG, NJW 18,2542 nicht zitiert. Entgangen sein kann ihm diese Entscheidung, die großes Aufsehen erregt hat, eigentlich nicht. Beim Palandt wird die BVerfG-Entscheidung immerhin in der Einleitung (Autor: Grüneberg) in der Rubrik Rechtsfortbildung zitiert.(Rn. 54 ff.) In der Rubrik Auslegung (Rn. 40 ff.) wird die Entscheidung dagegen vom BGH-Richter Grüneberg mit keinem Wort erwähnt und das obwohl gerade die dort von ihm aufgestellte These, maßgebend sei die objektive Auslegungstheorie und nicht die auf den Willen des historischen Gesetzgebers abstellende subjektive Theorie, im Widerspruch zu den jetzt vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen steht. Das Bundesverfassungsgericht hat sich jetzt nämlich ganz eindeutig zur subjektiven Auslegungstheorie bekannt. Grüneberg hätte, wenn er dennoch an der Maßgeblichkeit der objektiven Theorie festhalten will, zumindest an dieser Stelle einfügen müssen: a.A. BVerfG, NJW 18,2542 oder die Entscheidung bei den genannten Vertreter der subjektiven Theorie mit nennen müssen.

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Unglaublich ist es wenn das Bundessozialgericht in einer mehr als 3 Monate nach der BVerfG-Entscheidung vom 6.6.18  ergangenen Entscheidung (B 1 KR 10/18) ausführt, dass es dem aus den Gesetzesmaterialien erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht folgen könne, da Gesetzesmaterialien mit Vorsicht und nur unterstützend heranzuziehen seien. Dass es dies dann auch noch trotz der gegenteiligen BVerfG-Entscheidung als ständige Rechtsprechung bezeichnet setzt dem Ganzen dann noch die Krone auf.  

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