BGH: Zur Organhaftung für Schäden im Ressort eines Mitgeschäftsführers und zur Gesamtwirkung eines Einzelvergleichs

von Achim Kirchfeld, veröffentlicht am 11.02.2019

Der BGH hat mit Urteil vom 6. November 2018 (II ZR 11/17) u. a. die Voraussetzungen präzisiert, unter denen ein Geschäftsführer die Ressortverteilung als Einwand gegen die eigene (Mit-)Haftung für Schäden im fremden Ressort geltend machen kann.

Mithaftung des künstlerisch verantwortlichen Geschäftsführers für finanzielle Fehler?

Die Entscheidung betrifft eine von zwei Geschäftsführern geleitete TV-Produktions-GmbH. Ein Geschäftsführer kümmerte sich hauptsächlich um die Finanzen, der andere um künstlerische Belange. Nach Eintritt der Insolvenzreife leistete die Gesellschaft noch einzelne Zahlungen. Der Insolvenzverwalter nahm deswegen sowohl den die Finanzen verwaltenden Geschäftsführer einzeln als auch – für eine Teilmenge der Zahlungen – beide Geschäftsführer als Gesamtschuldner aus § 64 GmbHG in Anspruch. Der die Finanzen verwaltende Geschäftsführer zahlte letztlich nach Vergleich einen Teilbetrag des geforderten Schadensersatzes. Der Vergleich enthielt neben dem Ausschluss einer Erlasswirkung nach § 423 BGB keine Tilgungsabrede. Der künstlerisch tätige Geschäftsführer wendete ein, er habe aufgrund der Ressortverteilung und des bewussten Zurückhaltens von Informationen durch seinen Mitgeschäftsführer keine Kenntnis von der Insolvenzreife gehabt.

Verteilung muss klar, vollständig, geeignet und von allen Organmitgliedern getragen sein

In seiner zurückverweisenden Entscheidung präzisiert der Senat die Anforderungen, die ein Geschäftsführer erfüllen muss, um eine fehlende eigene Ressortzuständigkeit gegen das für § 64 GmbHG vermutete Verschulden einzuwenden. Voraussetzung sei eine klare und eindeutige Abgrenzung der Geschäftsführungsaufgaben aufgrund einer von allen Organmitgliedern getragenen Aufgabenzuweisung, die die vollständige Wahrnehmung der Geschäftsführungsaufgaben durch fachlich und persönlich geeignete Personen sicherstelle und ungeachtet der einzelnen Ressortkompetenzen die Zuständigkeit des Gesamtorgans insbesondere für nicht delegierbare Angelegenheiten der Geschäftsführung wahre. Eine schriftliche oder ausdrückliche Absprache sei nicht zwingend, aber regelmäßig das naheliegende und geeignete Mittel. Undeutlichkeiten, etwa wegen faktisch-stillschweigender Zuweisungen, gingen zu Lasten der betroffenen Geschäftsführer, denen der Nachweis einer auf die Überwachung des Mitgeschäftsführers beschränkten Verantwortung obliege.

Keine Erfüllungswirkung der vergleichsweise geleisteten Zahlung für Mitgeschäftsführer

Die auf den Vergleich geleistete Zahlung des Mitgeschäftsführers entfalte für den künstlerisch tätigen Geschäftsführer keine Erfüllungswirkung gemäß § 422 Abs. 1 S. 1 BGB. Eine prozentual gleichmäßige Tilgungswirkung gemäß § 366 Abs. 2 Var. 5 BGB in Hinblick auf alle verbotenen Zahlungen – einschließlich derer, für die beide Geschäftsführer in Anspruch genommen worden waren – ergebe sich nicht. Einschlägig sei vielmehr § 366 Abs. 2 Var. 1 BGB. Danach wird bei Zahlung auf mehrere Forderungen zunächst diejenige Forderung getilgt, die dem Gläubiger geringere Sicherheit bietet. Vorliegend ergebe sich eine Tilgungswirkung daher vorrangig in Hinblick auf denjenigen Teil der verbotenen Zahlungen, für den allein eine Haftung des die Finanzen verwaltenden Geschäftsführers in Betracht komme.

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1 Kommentar

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Vielen Dank, diese einschränkende Rechtsprechung zu 64 GmbHG war mir neu. Was versteht der BGH unter „der Zuständigkeit des Gesamtorgans insbesondere für nicht delegierbare Aufgaben“. Die Kontrolle des Nichtvorliegens der Insolvenzreife hätte ich als nicht delegierbar angesehen. Groetjes, Jan Dwornig 

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