BAG kippt Überstundenregelung für Gewerkschaftssekretäre

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 14.07.2019
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|2373 Aufrufe

Auch Gewerkschaften haben mitunter Schwierigkeiten, die Arbeitsbedingungen ihrer Mitarbeiter rechtskonform auszugestalten. Das zeigt ein jüngst vom BAG (Urteil vom 26.6.2019 - 5 AZR 452/18, PM 27/19) entschiedener Fall, in dem es um eine zwischen der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und ihrem Gesamtbetriebsrat abgeschlossene Gesamtbetriebsvereinbarung ging. Geklagt hatte ein Gewerkschaftssekretär mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden. Die Parteien hatten „Vertrauensarbeitszeit“ vereinbart, d.h. der Kläger hat über Beginn und Ende der Arbeitszeit grundsätzlich selbst zu entscheiden. Auf das Arbeitsverhältnis finden die in Form einer Gesamtbetriebsvereinbarung abgeschlossenen „Allgemeinen Arbeitsbedingungen für die ver.di-Beschäftigten“ (AAB) Anwendung. Diese sehen vor, dass Gewerkschaftssekretäre, die regelmäßig Mehrarbeit leisten, als Ausgleich neun freie Arbeitstage im Kalenderjahr erhalten. Die anderen Beschäftigten haben dagegen für jede geleistete Überstunde Anspruch auf einen Freizeitausgleich von einer Stunde und achtzehn Minuten (= 30 % Überstundenzuschlag) bzw. auf eine entsprechende Überstundenvergütung. Der Kläger hat für vier Monate, in denen er neben seinen sonstigen Aufgaben in einem Projekt arbeitete, die Vergütung von Überstunden in Höhe von 9.345,84 Euro brutto verlangt. Unter Berufung auf von seinen Vorgesetzten in dieser Zeit abgezeichnete Zeiterfassungsbögen hat er vorgetragen, er habe in diesen Monaten insgesamt 255,77 Überstunden geleistet. Im Gegensatz zu den Vorinstanzen hält das BAG die AAB insoweit für unwirksam, als sie für bestimmte Gewerkschaftssekretäre eine Pauschalvergütung von Überstunden vorsehen. Der Anwendungsbereich der Norm verstoße mit der Voraussetzung „regelmäßiger Mehrarbeit“ gegen das Gebot der Normenklarheit, weil für die Beschäftigten nicht hinreichend klar ersichtlich sei, in welchem Fall eine solche anzunehmen ist und in welchem Fall nicht. Außerdem genüge die Regelung nicht dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Eine - wie auch immer geartete - „Regelmäßigkeit“ von Überstunden sei kein taugliches Differenzierungskriterium dafür, ob die Vergütung von Überstunden pauschaliert oder „spitz“ nach den tatsächlich geleisteten Überstunden gezahlt wird. Der Kläger habe deshalb Anspruch auf Vergütung der Mehrarbeitsstunden zzgl. des in den AAB vorgesehenen Zuschlags von 30 %.

 

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