Kommunales Daseinsrisiko dauerdefizitäre Betriebe

von Prof. Dr. Claus Koss, veröffentlicht am 08.12.2019

Dauerdefizitäre Betriebe der Öffentlichen Hand sind eine Herausforderung: zunächst für deren Finanzreferent/innen (Kämmerer, Finanzminister/innen), dann für die Rechtsaufsicht. Bald könnten sie auch ein steuerliches Problem werden. Der Bundesfinanzhof möchte vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) wissen (BFH, Vorlagebeschluss an EuGH v. 03.07.2019 - I R 18/19, Az. EuGH: C-797/19), ob Steuerbegünstigung für dauerdefizitäre Tätigkeiten kommunaler Eigengesellschaften (§ 8 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 KStG i.d.F. JStG 2009) gegen die Beihilferegelung des Unionsrechts verstößt? Wenn ja, fällt die Steuervergünstigung - die Konsequenz: zu den Verlusten müssen die Betriebe auch noch die Ertragsteuerbelastung tragen.

Laut Presseberichten aus Bayern drohte den Kliniken Nordoberpfalz AG im Herbst 2019 die Insolvenz. Mit sechs Akutkrankenhäusern, zwei Rehabilitationskliniken, einer Pflegeeinrichtung und drei Medizinischen Versorgungszentren sichert die AG die medizinische Versorgung in der nördlichen Oberpfalz (Nordbayern). Die gemeinnützige Kapitalgesellschaft ist vollständig in kommunaler Hand der Stadt Weiden i.d.OPf. (51,0%), Landkreis Tirschenreuth (47,5%) und Landkreis Neustadt a.d. Waldnaab (1,5%). Laut letztem im elektronischen Bundesanzeiger verfügbaren Jahresabschluss zum 31. Dezember 2017 hat der Bilanzverlust in Höhe von EUR Mio. 8,2 rund ein Drittel des übrigen positivem Eigenkapitals (EUR Mio. 25,0) aufgebraucht. Die Flüssigen Mittel zum Stichtag in Höhe von TEUR 938 standen am 31. Dezember 2017 Lieferantenverbindlichkeiten in Höhe von EUR Mio. 7,5 plus Sonstigen Verbindlichkeiten in Höhe von EUR Mio. 6,5 (davon aus Steuern: EUR Mio. 1,8) gegenüber. Die Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten zum 31. Dezember 2017 valutierten mit EUR Mio. 27,1.

Im Oktober 2019 stand eine Frage der Kommunalaufsicht auf der Tagesordnung. Laut lokaler Tageszeitung dürften die Kommunen keine Bürgschaften mehr geben, weil diese von der Rechtsaufsicht, hier: Regierung der Oberpfalz, nicht mehr genehmigt würden. Die Journalisten verwiesen in ihren Artikeln auf eine Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH). Das wunderte den Verfasser. Nachfragen bestätigten wieder einmal die Erfahrung, dass Tagesmedien keine juristischen Fachzeitschriften sind. Richtig ist die Genehmigungspflicht von Bürgschaften, die Gebietskörperschaften gewähren (Art. 72 BayGO bzw. Art. 66 BayLkrO). Nach allgemeiner Ansicht hängt die Genehmigungsfähigkeit unter anderem von Leistungsfähigkeit der Gebietskörperschaften im Falle der Inspruchnahme und dem Ausfallrisiko ab. Ein Blick in den Jahresabschluss der Kliniken Nordoberpfalz AG zeigt, dass zum 31. Dezember 2017 zumindest das Ausfallrisiko hoch war: Die Eigenkapitalquote betrug 6,3%. Eine Genehmigung durch die Rechtsaufsicht war damit unwahrscheinlich.
Nachdem eine Bürgschaft nach Einschätzung des Verfassers damit offensichtlich nicht genehmigungsfähig war, gewährten die Kommunen laut Presseberichten in 2019 Gesellschafter-Darlehen, insgesamt in Höhe von EUR Mio. 50,0, jeweils in Höhe der Beteiligungsquoten. So verständlich das Anliegen der beteiligten Gebietskörperschaften an der medizinischen Versorgung ist, so sehr fragt sich der Betriebswirt, was der Unterschied zwischen der Genehmigung einer Bürgschaft durch die Rechtsaufsicht und dem fehlenden Einschreiten beim einer mit hoher Wahrscheinlichkeit ausfallgefährdeten Darlehensforderung ist? Es handele sich bei dem Kredit von EUR Mio. 50,0 "nicht um eine neue Finanzspritze, sondern um eine neue Art der Sicherstellung der Liquidität", wird der Vorstand der Kliniken Nordoberpfalz AG in der Weidener Tageszeitung zitiert. Diese Interpretation der Unternehmensleitung eines Krankenhauses in kommunaler Trägerschaft passt zu den außerbilanziellen Geschäften der gemeinnützigen AG. Laut Anhangsangabe zum 31. Dezember 2017 hat die AG Zins-SWAPs bis 2039 laufen. Es stellt sich die Frage, ob die damit verbundenen Risiken durch die Kommunalaufsicht geprüft wurden?

Mit dem Vorlagebeschluss des BFH v. 03.07.2019 - I R 18/19, Az. EuGH: C-797/19, kommen jetzt zusätzliche Herausforderungen insbesondere auf die Kommunen zu. Dauerhafte Verluste auch im Interesse der öffentlich-rechtlichen Gesellschafter sind grundsätzlich als „Liebhaberei“ und daher als verdeckte Gewinnausschüttung zu besteuern (BFH v. 22.08.2007 – I R 32/06, BStBl II 2007, 961; Nichtanwendungserlass BMF v. 07.12.07, BStBl I 2007, 905).
Doch dies verhinderte der Steuergesetzgeber durch die Gesetzesänderung im JStG 2009. Gemäß § 8 Abs. 7 KStG i.d.F. JStG 2009 sind die Rechtsfolgen einer verdeckten Gewinnausschüttung bei „Dauerverlustgeschäften“ nicht zu ziehen. Solche liegen vor, „soweit aus verkehrs-, umwelt-, sozial-, kultur-, bildungs- oder gesundheitspolitischen Gründen eine wirtschaftliche Betätigung ohne kostendeckendes Entgelt unterhalten wird“ (§ 8 Abs. 7 Satz 2 Alt. 1 KStG i.d.F. JStG 2009) oder bei einer Kapitalgesellschaft im Mehrheitsbesitz der Öffentlichen Hand „Ausfluss einer Tätigkeit ist, die … zu einem Hoheitsbetrieb gehört.“ (§ 8 Abs. 7 Satz 2 Alt. 1 KStG i.d.F. JStG 2009). Wenn der EuGH der Linie des BFH folgt, kommen auf die Dauerverlustbetriebe der Öffentlichen Hand zusätzliche steuerliche Belastungen zu.

Was sind da die Überlegung des Betriebswirts mit Erfahrungen in der Beratung von Wirtschaftsbetrieben der Öffentlichen Hand? Erstens, der Auftrag der Daseinsvorsorge hat oberste Priorität. Zweitens, auch die medizinische Versorgung in der Fläche ist aber keine Rechtfertigung für "Ineffizienz". Wenn beispielsweise eine Kommune Mehrheitsgesellschafter ein Krankenhaus in bester Innenstadtlage durchsetzt, dafür aber kleinere Einrichtungen geschlossen werden, mag das verständlich sein, es kann aber wirtschaftlich wenig sinnvoll sein und dem Primärziel einer wohnortnahen Versorgung widersprechen. Drittens, auch die Kommunalaufsicht sollte Jahresabschlüsse bei der rechtlichen Würdigung berücksichtigen.
 

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