BAG: Kein Nachteilsausgleich für Kabinenpersonal von Air Berlin

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 22.01.2020
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht1|2365 Aufrufe

Fast zweieinhalb Jahre nach der Insolvenz von Air Berlin hat das BAG Forderungen von Flugbegleitern nach Abfindungen zurückgewiesen. In einer Grundsatzentscheidung zu vier Streitfällen entschied der Erste Senat am Dienstag in Erfurt, dass dem Kabinenpersonal der einstigen Airline keine Zahlungen des Insolvenzverwalters als Nachteilsausgleich zustehen (Urteile vom 21. Januar 2020 - 1 AZR 149/19 - und - 1 AZR 295/19 - u.a., PM 2/20). Das BAG bestätigten damit Urteile der Landesarbeitsgerichte Düsseldorf und Berlin-Brandenburg.

Zum Hintergrund der Entscheidung: Für das Kabinenpersonal der Air Berlin war auf der Grundlage eines mit ver.di geschlossenen Tarifvertrags (TVPV) die Personalvertretung Kabine errichtet. Nach § 83 Abs. 3 TVPV ist den Arbeitnehmern ein Nachteilsausgleich zu zahlen, wenn eine geplante Betriebsänderung durchgeführt wird, ohne dass über sie ein Interessenausgleich mit der Personalvertretung Kabine versucht wurde, und sie infolge dieser Maßnahme entlassen werden. Anfang Oktober 2017 unterrichtete Air Berlin die Personalvertretung Kabine über die geplante Stilllegung des Geschäftsbetriebs zum 31. Januar 2018. Nachdem die Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs erfolgslos blieben, rief Air Berlin die Einigungsstelle an. Diese erklärte sich am 10. Januar 2018 für unzuständig. Ende Januar 2018 kündigte der Insolvenzverwalter den im Kabinenbereich Beschäftigten betriebsbedingt. Mit ihren Klagen haben die vormals als Flugbegleiterinnen tätigen Klägerinnen die Gewährung eines Nachteilsausgleichs verlangt. Sie haben geltend gemacht, die Betriebsänderung in Form der Stilllegung des Flugbetriebs sei bereits mit den Ende November 2017 erfolgten Kündigungen der Piloten durchgeführt worden; zu diesem Zeitpunkt sei der Interessenausgleich mit der Personalvertretung Kabine noch nicht hinreichend versucht gewesen.

Das BAG bestätigt die klageabweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen. § 83 Abs. 3 TVPV sanktioniere die Verletzung des personalvertretungsrechtlichen Verhandlungsanspruchs. Dieser beziehe sich ausschließlich auf kabinenpersonalbezogene Maßnahmen. Das folge aus einem gesetzeskonformen Verständnis des tariflich geregelten Beteiligungsrechts der Personalvertretung Kabine. Der TVPV gälte nach seinem persönlichen Geltungsbereich nur für das Kabinenpersonal. Könnte die für diese Gruppe errichtete Personalvertretung einen Sachverhalt gestalten, der auch das Cockpitpersonal beträfe, widerspräche dies der in § 4 Abs. 1 TVG angeordneten geltungsbereichsbezogenen Wirkung von Rechtsnormen eines Tarifvertrags über betriebsverfassungsrechtliche Fragen.

Die Vorsitzende des Ersten Senats, Gerichtspräsidentin Ingrid Schmidt, sagte, „das Problem bei Fluggesellschaften ist, dass es verschiedene Personalvertretungen für einzelne Beschäftigtengruppen gibt“. Damit sei die Entwicklung im Bereich Cockpit nicht ausschlaggebend. Bei ihren eigenen Belangen sei die Personalvertretung der Flugbegleiter mit dem Versuch eines Interessenausgleichs beteiligt worden.

Wie geht es nun weiter? Beim BAG seien etwa 450 Klagen von Flugbegleitern von Air Berlin auf Abfindungen eingegangen, sagte ein Gerichtssprecher. Die Kläger müssten jetzt entscheiden, ob sie ihr Anliegen weiter verfolgen wollten. Hunderte weitere Verfahren liegen noch bei den Arbeits- und Landesarbeitsgerichten. Zum Zeitpunkt der Insolvenz im August 2017 soll Air Berlin etwa 8.600 Mitarbeiter beschäftigt haben, darunter etwa 3.500 Flugbegleiter.

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Die LTO-Presseschau:

BAG zu Abfindung für Air-Berlin-Kabinenpersonal: Das Bundesarbeitsgericht hat die Zahlung von Abfindungen für das Kabinenpersonal der insolventen Fluglinie Air Berlin abgelehnt und damit Urteile der Landesarbeitsgerichte Düsseldorf und Berlin-Brandenburg bestätigt. Dies berichtet nun auch community.beck.de (Markus Stoffels). Die Personalvertretung der Flugbegleiter sei in Ansehung ihrer eigenen Belange mit dem Versuch eines Interessenausgleichs ausreichend beteiligt worden.

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