OVG Saarlouis: Cannabismedikation muss schon bei Überprüfung der Fahreignung vernünftig dargelegt werden!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 20.02.2020
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|2435 Aufrufe

Heute einmal etwas Verkehrsverwaltungsrecht. Es geht um die Fahreignung und die Prüfung deren Fehlens infolge von Cannabiskonsum:

 

Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht im Einzelnen zutreffend aufgezeigt, dass eine die Fahreignung nicht aufhebende Cannabismedikation nur unter engen Voraussetzungen angenommen werden kann, deren Vorliegen nicht im mindesten dargelegt ist und allein durch Vorlage eines Cannabis-Rezepts nicht nachgewiesen werden kann. Aus der zitierten Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage im Bundestag kann die Antragstellerin nichts zu ihren Gunsten herleiten, da sie nicht ansatzweise den Anforderungen des § 296 ZPO gerecht werdend glaubhaft gemacht hat, sich zumindest inzwischen in einer notwendig ärztlich begleiteten und kontrollierten Cannabismedikation zu befinden. Die lediglich abfotografierten, mithin nicht im Original eingereichten, Atteste sind zur Glaubhaftmachung eines von Ziffer 9.6.2 der Anlage 4 zur FeV vorausgesetzten Nachweises nicht geeignet, zumal sie nicht einmal von dem Arzt stammen, der ihr angeblich Cannabis zur Therapie verordnet.

 Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem - zumal nur erstinstanzlich in Bezug genommenen - Beschluss des Senats im Verfahren 1 B 221/18(OVG des Saarlandes, Beschluss vom 3.9.2018 - 1 B 221/18 -, juris Rdnrn. 3-5). Ausgehend von dem dort zu beurteilenden Sachverhalt hat der Senat festgestellt, dass ohne weitere Sachaufklärung nicht von einer fehlenden Fahreignung des damaligen Antragstellers ausgegangen werden konnte. Dieser hatte auf den Vorhalt von Zweifeln an seiner Kraftfahreignung bereits im Verwaltungsverfahren durch persönliche Vorsprache, Vorlage eines ärztlichen Attestes mit konkreten Diagnosen und über mehrere Monate hin ausgestellter Verordnungen ein- und derselben Ärztin glaubhaft gemacht, dass er an einer ärztlich begleiteten Therapie mit Cannabisprodukten teilnimmt. Dennoch hatte die Verwaltungsbehörde es unterlassen, mit Blick auf die Regelungen in § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV i.V.m. Vorbemerkung 3 und Ziffer 9.6.2 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV tragfähige Feststellungen dazu zu treffen, ob bei dem Antragsteller eine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen unter das erforderliche Maß gegeben ist. Vielmehr wurde die behördlicherseits dem Amtsarzt unterbreitete Fragestellung offensichtlich den Umständen des Einzelfalls ebensowenig gerecht wie der ergangene, einen „gewöhnlichen“ regelmäßigen Cannabiskonsum abhandelnde Bescheid betreffend die Erziehung der Fahrerlaubnis, der sich nicht ansatzweise mit der ärztlich verordneten Einnahme von Cannabisprodukten auseinandergesetzt hatte, weswegen der Senat eine weitere Aufklärung der Eignungsfrage anmahnen musste.

 Dass der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin schließlich den gutgemeinten Hinweis des Verwaltungsgerichts auf etwaige Handlungsmöglichkeiten im noch anhängigen Widerspruchsverfahren nicht verstanden haben will, ist nicht nachvollziehbar. Die weitere Behauptung, die Antragstellerin fahre in einem akut intoxikierten Zustand kein Auto, ist angesichts ihres am 19.6.2019 polizeilich festgestellten Verhaltens schlicht wahrheitswidrig. Ebenso dürfte ihrer seit dem gerichtlichen Verfahren verfolgten Darstellung, Cannabis seit 2016 zur Linderung von Ängsten infolge einer posttraumatischen Belastungsstörung in besonderen Stresssituationen einzunehmen, bereits entgegenzuhalten sein, dass sie mit sehr hohen Cannabinoidkonzentrationen im Blut auffällig geworden ist, als sie in geselliger Runde von einem Urlaubsaufenthalt zurückgekehrt ist.

OVG Saarlouis, BeckRS 2020, 564

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