Da kommt was auf uns zu: Richtlinie 2019/1152/EU über transparente und vorhersehbare Beschäftigungsbedingungen

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 27.02.2020
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht8|5389 Aufrufe

Wer geglaubt hatte, die Richtlinie 2019/1152/EU vom 20.6.2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union erschöpfe sich in der Novellierung der Nachweis-Richtlinie 91/533/EWG, wird sich bei näherem Hinsehen die Augen reiben:

Nach Artikel 4 Abs. 2 Buchst. j muss der Arbeitgeber im Arbeitsvertragsnachweis unterrichten über

das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, einschließlich der formellen Anforderungen und der Länge der Kündigungsfristen, oder, falls die Kündigungsfristen zum Zeitpunkt der Unterrichtung nicht angegeben werden können, die Modalitäten der Festsetzung der Kündigungsfristen.

Nochmal in Ruhe lesen: "... einschließlich der formellen Anforderungen ...". Also inklusive des Verfahrens der Anhörung des Betriebsrats (§ 102 BetrVG - bekanntlich mit unterschiedlichen Fristen für ordentliche und außerordentliche Kündigung), ggf. der Schwerbehindertenvertretung (§ 178 Abs. 2 SGB IX), des Integrationsamtes (§ 168 SGB IX), der nach Landesrecht für die Erteilung der Erlaubnisse nach § 17 MuSchG und § 18 BEEG zuständigen Behörde, des Verfahrens bei Massenentlassungen nach § 17 KSchG etc.? Muss jetzt jedem Arbeitsvertrag ein Großkommentar zum Kündigungsrecht angeheftet werden?

Je genauer man sich die Richtlinie ansieht, desto mehr solcher Schönheiten findet man dort. Ergo: Für neue Streitigkeiten über die Auslegung des Unionsrechts ist gesorgt.

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8 Kommentare

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Art 4 Abs. 3 der Richtlinie lautet:

Die Informationen gemäß Absatz 2 Buchstaben g bis l und o können gegebenenfalls durch einen Hinweis auf die Rechts- und Verwaltungsvorschriften bzw. die Satzungsbestimmungen oder Kollektiv- bzw. Tarifverträge erteilt werden, die für die entsprechenden Bereiche gelten.

Reicht hiernach möglicherweise auch der ganz pauschale kautelarische Hinweis auf das BGB, das BetrVG... etc. aus?

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Dynamisch auf das Gesetz in seiner jeweils geltenden Fassung? Auch dann, wenn Regelungen komplett neu eingeführt oder grundlegend geändert wurden wie zuletzt im SGB IX bzw. im MuSchG? Dann wäre der Hinweis doch wertlos

Solche unvorhersehbaren Gesetzesänderungen müßten im Arbeitsvertragsnachweis ja auch vorbehalten werden. Ich sehe keinen Grund, der nach dem ausdrücklichen Richtlinienwortlaut gegen einen pauschalen Hinweis auf die entsprechenden Gesetze spräche. Insbesondere kann man vom Arbeitgebr nicht verlangen, die Rechtslage im Hinweis klarer zu fassen, als es der Gesetzgeber tut. Wozu der Gesetzgeber seit Jahrzehnten nicht in der Lage ist, kann man auch von keinem Arbeitgeber verlangen.

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Stellt sich die Frage, ob auch ein Hinweis auf die Klageerhebungsfrist des § 4 KSchG enthalten sein muss und welche Folgen  ein unterbliebener Hinweis hat, wenn der Arbeitnehmer nicht fristgerecht klagt .

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Wir werden noch zu Tode belehrt. Jedes Jahr per Brief von der Sparkasse darüber, dass sie immer noch der Einlagensicherung unterliegt, bei jeder Webseite über Cookies etc.
Manchmal habe ich ein gewisses Verständnis für einzelne Motive der Brexit-Befürworter.

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Wieso nur manchmal? Und nur für einzelne Motive? Ich wurde EU-ökoinduziert gezwungen  unter Zwansgandrohung,  in einem Haus eine voll funktionsfähige ältere Ölheizung, die jährlich beanstandungsfrei mit hyperkorrekten Abgaswerten geprüft wurde,  für 12.600 € durch - eine andere neuere zu ersetzen. So viel, um einmal konkret zu werden. Vielleicht  möchten die Briten auch einmal frei dazu entscheiden, ob sie Glühlampen kaufen dürfen. Die Befreiung von grEUlichen Zwangsterrorbevormundungsregeln des Gutigutihaften wäre schon eine Wonne ! Ich habe England seit 1967 mit 15 schätzen und lieben gelernt. Da waren die noch gar nicht in der EU, nicht einmal in der EWG. Und doch ging's, Reisen und Aufenthalt als Deutscher etwa. Auch 1970 in Cambridge Studienaufenthalt. Mehr als die alte EWG, Adenauer, Schuman , de Gasperi, Hallstein, Ludwig Erhard, braucht niemand und kein Mensch! Höchstens dazu etwas nach dem allerstrengsten Subsidiaritätsprinzip! Die deutsche Wirtschaft hat "Sorge" wegen Zulieferungen? Zum Preis liegt es doch bei uns, ob wir Importzölle erheben. Und zur Qualität von Zulieferteilen - da reichen vertragliche Regelungen wie bei Importen aus Tamtam, China, Indien. Und was die Briten verwenden ohne Völkersterben , können wir doch importieren - notfalls mit dem Warnhinweis wie "Legal in Great Britain" - ein Gütesiegel wie vormals "Made in Germany" - "ohne Regulationsterror von EU-Bürokraten".

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