EU-Kommission plant Verschiebung des Geltungsbeginns der neuen Medizinprodukteverordnung bis Mai 2021

von Dr. Christian Tillmanns, veröffentlicht am 26.03.2020
Rechtsgebiete: CoronaMedizinrecht2|2309 Aufrufe

Nach Mitteilung der EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides vom 25.03.2020 plant die EU-Kommission mit Blick auf die COVID-19-Krise, den Geltungsbeginn der am 25. Mai 2017 in Kraft getretenen neuen europäischen Medizinprodukteverordnung (EU) 2917/745 (am 26. Mai 2020 endet die Übergangsfrist und die bestehenden Medizinprodukterichtlinien 93/42/EWG und 90/385/EWG werden durch die neue Verordnung ersetzt) um 12 Monate – also bis Ende Mai 2021 - nach hinten zu verschieben. Dann kämen zunächst einmal weiterhin die Regelungen der vorgenannten Richtlinien sowie die umsetzenden Rechtsakte (Medizinproduktegesetz etc.) zur Anwendung. Ein erster Entwurf für eine entsprechende Regelung soll bereits Anfang April 2020 vorgelegt werden, damit sie – nach Annahme durch das Europäische Parlament und den Rat - noch im Mai verabschiedet werden kann.

Nicht zuletzt wegen des Skandals um fehlerhafte Brustimplantate des französischen Herstellers Poly Implant Prothèse („PIP“) sah man sich auf europäischer Ebene veranlasst, eine Medizinprodukteverordnung mit dem Ziel auf den Weg zu bringen, die Anwendung von Medizinprodukten sicherer zu machen. In der Verordnung werden u.a. einheitliche und verschärfte Kriterien für die Zulassung und Überwachung (u.a. unangekündigte Audits) der für die Zertifizierung der Medizinprodukte zuständigen sog. „Benannten Stellen“ festgelegt und es gelten auch neue – ebenfalls verschärfte - Risikoklassifizierungsregeln für Medizinprodukte. Auch die Anforderungen in Bezug auf die klinische Prüfung von Medizinprodukten wurden erhöht und die Rückverfolgbarkeit insbesondere von fehlerhaften Produkten soll durch die Zuordnung einer eindeutigen Produktnummer, der sog. „Unique Device Identification“ (UDI), verbessert werden.

Allerdings machte die Umsetzung der Verordnung große Probleme. So verläuft die Zertifizierung von Benannten Stellen unter dem Regime der neuen Verordnung äußerst schleppend, derzeit sind erst neun solche Stellen benannt und daher in der Lage Konformitätsbewertungsverfahren nach der neuen Verordnung durchzuführen. Damit hat sich ein „Flaschenhals“ gebildet, so dass bereits abzusehen war und ist, dass eine Vielzahl an neuen Produkten nicht bis zum 26. Mai 2020 von den benannten Stellen zertifiziert und bereits auf dem Markt befindliche Medizinprodukte nicht rezertifiziert werden können. Ferner fehlen noch relevante Durchführungsrechtsakte der Kommission und die nach der Verordnung einzuführende und anzuwendende europäische Datenbank für Medizinprodukte „Eudamed“ wird nach letzter Verlautbarung erst im Mai 2022 an den Start gehen. Angesichts der aktuellen Corona-Krise hatten verschiedene Fachverbände, darunter der Bundesverband der Medizintechnologie e.V., auf eine Aussetzung der Verordnung gedrängt, weil insbesondere in den betroffenen Unternehmen der Medizinprodukteindustrie in den letzten Jahren eine Vielzahl von Naturwissenschaftlern, Ingenieure und medizinischem Personal mit der Umsetzung der neuen gesetzlichen Vorgaben beschäftigt waren und sind, die aktuell dafür benötigt werden, um in der Coronavirus-Pandemie alle notwendigen Produkte für die medizinische Versorgung der Bevölkerung in ausreichender Zahl zur Verfügung zu stellen. Zudem müssten wegen der Pandemie erste Benannte Stellen schließen oder seien in ihrer Tätigkeit eingeschränkt bzw. es gebe keine Vor-Ort-Audits mehr. Auch die Behörden seien aufgrund der Corona-Schutzmaßnahmen betroffen.

Nun bleibt abzuwarten, ob die Europäische Kommission pauschal die Geltung der gesamten Verordnung um 12 Monate verschiebt oder aber nur einzelne Regelungen, die sie im Hinblick auf die aktuelle Corona-Krise als nicht umsetzungsfähig ansieht.

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