Pressefreiheit und der Grundsatz der Staatsferne der Presse

von Dr. iur. Fiete Kalscheuer, veröffentlicht am 29.05.2020
Rechtsgebiete: Öffentliches RechtStaatsrechtMedienrecht6|6199 Aufrufe

Wer den Accounts von Heiko Maas und des Auswärtigen Amtes auf Twitter folgt, braucht sich keine "Bunte" mehr zu kaufen. Zahlreiche "I am sexy and I know it"-Fotos sowie Eindrücke aus dem Leben eines Menschen, der es geschafft hat, schmücken deren Accounts. Nicht nur der Neid veranlasst mich, dies für problematisch zu halten, sondern auch das Verfassungsrecht, - der Grundsatz der Staatsferne der Presse. Der BGH hat im Hinblick auf kommunale Amtsblätter im Urteil vom 20.12.2018 näher ausgeführt, was er unter dem Grundsatz der Staatsferne der Presse versteht:

Presseunternehmen müssen sich im gesellschaftlichen Raum frei bilden können. Sie stehen miteinander in geistiger und wirtschaftlicher Konkurrenz, in die die öffentliche Gewalt grundsätzlich nicht eingreifen darf (...). Eine ausufernde hoheitliche Öffentlichkeitsarbeit birgt Gefahren für die Neutralität der Kommunikationsprozesse; die öffentliche Hand muss sich in Art, Frequenz und Umfang in Zurückhaltung üben (...), zumal staatlichen Druckschriften eine erhöhte Glaubwürdigkeit und damit ein besonderes Beeinflussungspotenzial zukommt (...).

Im Hinblick auf Gemeinden heißt es dann speziell:

 Die Staatsferne der Presse verlangt unter Berücksichtigung des Grundsatzes einer vom Volk ausgehenden Meinungsbildung sowie des staatlichen Sachlichkeitsgebots, dass sich die Gemeinde in ihren Publikationen wertender oder meinungsbildender Elemente enthält und sich auf Sachinformationen beschränkt. Dazu gehört auch, dass sich gemeindliche Publikationen keiner (boulevard) pressemäßigen Illustration bedienen und das Layout nicht nach Art einer Tages- oder Wochenzeitung gestalten dürfen, um schon den Eindruck eines freien, von einem privaten Unternehmen stammenden Presseerzeugnisses zu vermeiden. Staatliche Publikationen müssen eindeutig als solche erkennbar sein; andernfalls wird die Unabhängigkeit der Informationsfunktion der Presse gefährdet (...).

Diese Ausführungen des BGH lassen sich auf die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung übertragen: Boulevardhafte Illustrationen haben etwa auf dem offiziellen Twitter-Account des Auswärtigen Amtes nichts zu suchen!

 

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6 Kommentare

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Selbstdarstellung, Personenkultisches sowie PR und Sympathie-Werbung von Politikern haben in staatlichen Veröffentlichungen nichts zu suchen.

Es ist sehr bereits bedenklich, wenn private Massenmedien Politiker so als wären sie Könige (oder Königinnen) oder Kult gewordene Pop-Stars inszenieren und hofieren, aber wenn staatliche Publikationen das auch noch machen, geht sowas zweifelsfrei zu weit.

Nicht bedenklich oder nur wenig bedenklich finde ich sachliche Information und Faktendarstellungen durch staatliche Publikationen (wenn sie denn wahrheitsgemäß sind).

Irgendeine private Zeitung oder irgendein privater Fernsehsender kann ganz leicht von jemandem der Geld oder Macht oder beides hat mittels Zuckerbrot und Peitsche zu manipulativer Berichterstattung und Stimmungsmache gelenkt werden. Sowas ist zwar bei staatlichen Publikationen auch möglich, aber doch sehr viel schwieriger, da bei staatlichen Publikationen die Wahrscheinlichkeit, irgendwann zur Verantwortung gezogen zu werden, doch etwas höher ist als im Privaten Bereich. Daher sind meine Vorbehalte gegen staatliche Publikationen, wenn sie denn sachlich und wahrhaftig sind, nicht größer, als gegen leichter manipulierbare private Medien.

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Nunm die Dinge sind ja erforscht und belegt: 

HallerMichael

Die „Flüchtlingskrise“ in den Medien

Tagesaktueller Journalismus zwischen Meinung

und Information

Eine Studie der Otto Brenner Stiftung

Frankfurt am Main 2017

S. 120: "Die hier nachgewiesene, dem politischen System
stets zugewandte und darin konsonante Berichterstattung
der einflussstarken Leitmedien
ist die eine Seite. Die andere betrifft deren Beitrag
zur Meinungsbildung durch Kommentare,
Leitartikel, Glossen und Essays – Darstellungsformen,
die klassischerweise dem Genre der
„meinungsbetonten Texte“ zugeordnet werden."   Es hat schon seinen guten Grund, wenn manche von "Systempresse" sprechen.

Systempresse

Ich bin ganz froh über die für meine Begriffe einzig glaubwürdige "Systempresse". Man darf nämlich die "nicht aus dem Blick verlieren, die große Mitte, all jene, die nicht offensichtlich benachteiligt sind, sondern die eher unter dem Radar ein normales Leben leben" (Voßkuhle). Wer an den Rändern steht, soll sich ruhig die Ränderpresse antun...

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In früheren Zeiten waren den Pluralismus faktisch unterdrückende oder einschränkende Machtmassierungen daurch zu beobachten, daß Regierungen die Medien kontrollierten, oder zumindest den ganz überwiegenden Teil der Medien kontollierten.

Manche Leute glauben, daß so etwas auch heute noch vorkommen würde.

Fast niemand denkt an die Möglichkeit umgekehrter Fälle, nämlich an Konstellationen, wo die (nicht demokratisch legitimierten) Medien eine (demokratisch legitimierte) Regierung vor sich hertreiben, oder wo Politiker in Sorge um ihre Wiederwahl dazu neigen alles oder fast alles zu tun um den Medien zu gefallen und um die Medien der Regierung gewogen zu machen.

Inhalte der Politik können dann für Politiker zweitrangig werden, und das Erstreben des Wohlwollens der Medien kann Priorität bekommen.

Von Außen sieht es dann für manche Leute vielleicht so aus, als habe die Regierung die Medien gleichgeschaltet, aber der Wirklichkeit kommt es vielleicht eher näher, daß Regierungspolitiker sich gegenüber der Presse wie Untergebene verhalten.

Eine Gleichschaltung der Presse durch eine Regierung wäre zwar ein Super-Gau, aber eine unterwürfige Haltung einer Regierung gegenüber der Presse würde auch nicht dem Ideal und dem Geist der Demokratie und des Grundgesetzes entsprechen.

Regierung und Medien sollten grundsätzlich eine gewisse Distanz wahren, und neben den privatwirtschaftlichen Medienkonzernen sollte es begrenzte aber gut zugängliche und informative staatliche Medien sowie freie alternative und unabhängige Graswurzel-Medien geben.

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Auf das Thema "Pressefreiheit und der Grundsatz der Staatsferne der Presse" fällt aktuell in Österreich etwas Licht.

Siehe dazu zum Beispiel hier: https://www.tagesschau.de/ausland/durchsuchungen-oevp-101.html

Es wäre wohl nicht unbedingt weltfremd, auch in anderen Ländern Dunkelfelder für möglich zu halten.

Siehe dazu zum Beispiel hier: https://www.nachdenkseiten.de/?p=76829

Allzuviele Hinweise wird man in Zukunft aber wohl nicht erwarten dürfen, denn diejenigen die etwas zu verbergen haben wehren sich nicht selten so effektiv gegen Whistle-Blower, das diejenigen, die etwas wissen, mehrheitlich wohl eher wenig Lust verspüren werden, auszusprechen was sie wissen.

Diejenigen, die faule oder anrüchige Dinger drehen, haben wohl in der Regel daher weniger Angst entdeckt zu werden, als diejenigen, die etwas wissen, Angst davor haben, es auszusprechen und dann damit den Unmut der Mächtigen auf sich zu ziehen.

Wer bei anrüchigen Dingern ertappt wird, verliert in der Regel nur sein aktuelles Amt, während derjenige, der plaudert, alle seine Kontakte und Freunde verliert, nie mehr irgendwo Vertrauen gewinnt, und sein Leben lang fast überall ausgegrenzt und quasi geächtet wird.

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