LAG Düsseldorf: Haftung des Arbeitgebers für geringeres Elterngeld aufgrund verspäteter Lohnzahlung

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 04.06.2020
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|3093 Aufrufe

Gerät der Arbeitgeber mit der Zahlung des Arbeitsentgelts in Verzug, hat er dem Arbeitnehmer den hieraus entstehenden Schaden zu ersetzen (§ 280 Abs. 2, §§ 286, 251 BGB). Das kann bedeuten, dass der Arbeitgeber staatliche Sozialleistungen aufstocken muss, die höher ausgefallen wären, wenn er das Arbeitsentgelt rechtzeitig bezahlt hätte. Das hat das LAG Düsseldorf entschieden. Im konkreten Fall erhielt die Klägerin wegen der Berechnungsregel des § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG iVm. R 39b.2 Abs. 2 Nr. 8 LStR ein um rund 70 Euro monatlich geringeres Elterngeld, als es ihr bei rechtzeitiger Zahlung des Arbeitsentgelts zugestanden hätte. Diese Differenz muss der Arbeitgeber ausgleichen.

Aus der Pressemitteilung des Gerichts:

Der Arbeitgeber, ein Zahnarzt, hatte seiner schwangeren Arbeitnehmerin, einer zahnmedizinischen Mitarbeiterin, den monatlichen Bruttolohn für die Monate Oktober, November und Dezember 2017, die ihr aufgrund eines allgemeinen mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbotes zustand, erst im März des Jahres 2018 gezahlt. Dies führte dazu, dass diese drei Monate für die Berechnung des Elterngeldes der Arbeitnehmerin mit 0 Euro angesetzt wurden. Grund ist, dass gemäß § 2c Abs. 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz Einkünfte nicht für die Berechnung des Elterngeldes zu Grunde gelegt werden, die lohnsteuerrechtlich sog. „sonstige Bezüge“ sind. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch für eine monatliche Lohnzahlung, wenn diese dem Arbeitnehmer später als drei Wochen nach Ablauf des Kalenderjahres zufließt. Die Nichtberücksichtigung des zu spät gezahlten Lohns führte hier dazu, dass das monatliche Elterngeld der Klägerin nur 348,80 Euro anstatt monatlich 420,25 Euro betrug.
 
Die Klage der Arbeitnehmerin gegen den Zahnarzt auf Erstattung der so entstandenen monatlichen Elterngelddifferenz hatte im Wesentlichen Erfolg. Der Zahnarzt schuldet die Differenz als Schadenersatzanspruch. Er befand sich mit dem der Klägerin zustehenden Lohn in Verzug und handelte schuldhaft. Denn die Mitarbeiterin hatte ihm eine Kopie des Mutterpasses gegeben, und der vom Zahnarzt beauftragte Betriebsarzt hatte das Beschäftigungsverbot bereits im September 2017 festgestellt. Der Umstand, dass der Zahnarzt das zum 06.09.2017 begründete Arbeitsverhältnis angefochten hatte, weil die Klägerin ihn bei Abschluss des Arbeitsvertrages nicht über die Schwangerschaft unterrichtet hatte, entlastete ihn nicht. Diese Anfechtung war unwirksam. Allerdings hatte auch die Klägerin eine Ursache für die Lohnnachzahlung nach Ablauf der dritten Kalenderwoche des Folgejahres gesetzt. Sie hatte sich nämlich am 11.01.2018, d.h. noch vor Ablauf dieser Frist, auf einen Vergleich mit einer Widerrufsfrist bis zum 09.03.2018 eingelassen, nach dem die Zahlung nur gegen Vorlage einer weiteren Bescheinigung erfolgen sollte. Die Kammer sah den deutlich größeren Verschuldensanteil bei dem Arbeitgeber und verurteilte ihn, der Klägerin 70% des entgangenen Elterngeldes zu zahlen. Außerdem muss der Zahnarzt 341,32 Euro an Steuerberatungskosten tragen, welche die Klägerin aufwenden musste, um zu ermitteln, welcher auf den Ersatzanspruch anrechenbare Steuervorteil sich aus der verspäteten Elterngeldzahlung in 2018 ergab.

Die Revision wurde zugelassen.

LAG Düsseldorf, Urt. vom 27.4.2020 - 12 Sa 716/19, becklink 2016442

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