Regensburger Parteispendenaffäre: Ehemaliger Oberbürgermeister verurteilt

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 17.06.2020

Gerade komme ich zurück aus dem Gerichtssaal 104 des Regensburger Landgerichts, in dem heute knapp ein Jahr nach dem ersten Urteil das zweite Urteil gesprochen wurde in der Regensburger Affäre um möglicherweise rechtswidrige Parteispenden und angebliche Bestechlichkeit bzw. Vorteilsannahme des ehemaligen Oberbürgermeisters.

Wegen der Pandemie sind nur noch knapp 20 Zuhörer (neben 20 Pressevertretern) eingelassen worden, wodurch ein unangenehmes Gedränge am Eingang aber nicht verhindert, sondern eher noch befördert wurde. Das Gericht hatte auf Abstandsmarkierungen auf der Straße verzichtet, so dass sich vor dem Eingang Trauben bildeten.

Das Urteil lautete 1 Jahr Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung, für den angeklagten früheren Oberbürgermeister und eine Geldstrafe von 70 Tagessätzen für den mitangeklagten Unternehmer. Dabei ging es jeweils nur um einen der Anklage-Vorwürfe. Wegen aller weiteren Tatvorwürfe wurden die Angeklagten freigesprochen.

Ich schicke voraus, dass ich diesen Prozess nur noch über die Presseberichterstattung, also nicht direkt die Hauptverhandlung im Saal verfolgt habe. Die Verteidigung hat in ihrer ersten Reaktion bereits angemahnt, die Würdigung sei in den Tatsachen nicht der Beweisaufnahme gerecht geworden. Mein kleiner Kommentar bezieht sich nur auf die innere Schlüssigkeit der Urteilsbegründung, nicht darauf, ob ich die Beweise ebenso gewürdigt hätte. Unabhängig davon bezieht sich mein Kommentar ohnehin nur auf die rechtlichen Aspekte.

I. Urteil gegen den ehem. Oberbürgermeister

1. Freisprüche

Der Angeklagte wurde wegen sämtlicher Vorwürfe, die sich auf Spenden während des Wahlkampfs bis zur Stichwahl bezogen, freigesprochen. Das ist eine Übereinstimmung mit dem Urteil im ersten Verfahren. Beide Strafkammern haben es im Ergebnis als nicht strafbar angesehen, dass der damals dritte Bürgermeister als Amtsträger im Wahlkampf um den Posten des Oberbürgermeisters sehr großzügige Spenden von Immobilienunternehmern angenommen hat, mit deren Projekten er als Oberbürgermeister (zwangsläufig) zu tun hatte. Insofern folgen beide Urteile der Kremendahl I-Rechtsprechung, dass ein Amtsträger bei Wahlkampfspenden sich nur eingeschränkt wegen Vorteilsannahme strafbar machen kann. Ausschlaggebend für das Ergebnis war nach der heutigen Urteilsbegründung, dass die Kammer eine Unrechtsvereinbarung im Hinblick auf konkrete Projekte als nicht bewiesen ansah. Selbst wenn die jeweiligen Spender dies beabsichtigten, sei aus der Sicht des Annehmenden eine solche Verknüpfung nicht erkannt worden. Die Begründung des Gerichts war insofern schlüssig, widersprach aber in weiten Teilen der Würdigung der Staatsanwaltschaft.

Wegen der Kremendahl-Rechtsprechung des BGH, die nicht (wie manchmal missverstanden wird) eine Belastung, sondern eine Begünstigung eines im Wahlkampf stehenden Amtsträgers mit sich bringt, genügte es hier nicht zur Strafbarkeit, dass die Spenden die Dienstausübung des (künftigen) Amtsträgers im allgemeinen betrafen, wie es sonst für eine Vorteilsannahme ausreicht.

Insbesondere wurde auch eine als Zahlung einer Rechnung verschleierte Spende als strafrechtlich bedeutungslos beurteilt, weil sie nicht mit einer konkreten Diensthandlung verknüpft war. Der darin zugleich liegende Verstoß gegen das Parteiengesetz sei bereits durch das erste Urteil erfasst gewesen und durfte (wegen ne bis in idem) nicht mehr beachtet werden.

In der Anklage war dem Oberbürgermeister auch Untreue vorgeworfen werden, da seine Partei, die SPD möglicherweise wegen falscher Rechenschaftsberichte Strafzahlungen leisten müsse. Diesen Vorwurf sah das Gericht in der Sache als nicht begründet an.

Das Gericht sah auch weder Vorteilsannahme noch Bestechlichkeit in der Annahme einer 5000 Euro Spende, die auf der Seite des Mitangeklagten als Bestechung beurteilt wurde (s.u.). Der Erlanger Unternehmer R., der kurz vor der Stichwahl damit die (künftige) Erweiterung der Einzelhandelsfläche am „nördlichen Rübenhof“ fördern wollte, war in einem abgetrennten Verfahren wegen Bestechung verurteilt worden. Das Gericht meinte, der entsprechende Bestechlichkeitsvorwurf gegen den  - damals noch nicht gewählten - Oberbürgermeister sei in der Verhandlung nicht nachgewiesen worden.

2. Verurteilung

Der ehem. Oberbürgermeister wurde wegen Bestechlichkeit verurteilt. Der angenommene Vorteil soll hier ebenfalls in Parteispenden (in Höhe von ca. 75.000 Euro) liegen. Allerdings sind diese erst nach der Wahl zum Oberbürgermeister gewährt worden, weshalb die Kremendahl-Rechtsprechung hier den Amtsträger nicht schützt. Zudem sah das Gericht hier sogar eine unmittelbare Verknüpfung mit einem konkreten Projekt des Spenders, die Bebauung des Gebiets „Auf der Platte“. Der betr. Unternehmer hatte schon im Vorfeld einen Strafbefehl wegen Bestechung akzeptiert und wurde in diesem Prozess als Zeuge gehört. Der Oberbürgermeister habe hier auch persönlich profitiert, weil er dadurch die hohe Schuldenlast durch ein von ihm aufgenommenes und dem Ortverein gewährtes Privatdarlehen zu reduzieren erachtet habe.

Laut mündlicher Urteilsbegründung war für das Gericht bei der Würdigung der zeitliche Zusammenhang ausschlaggebend: Die Bitte um Spende, die Zusage derselben, eine interne Besprechung dieses Projekts und schließlich die Aufforderung des Oberbürgermeisters an die Verwaltung, zur Ermöglichung der Bebauung eine Ortsabrundungssatzung zu entwerfen, seien innerhalb weniger Wochen im Herbst 2015 erfolgt. Der Oberbürgermeister habe sich bei der ihm zustehenden Ermessensentscheidung, ob dort (beschleunigt) eine Bebauung ermöglicht werden sollte oder nicht, bereit gezeigt, sich von der Spende beeinflussen zu lassen (vgl. § 332 Abs.3 Nr.2 StGB). Der ehem. Oberbürgermeister und sein Verteidiger protestierten spontan noch während der Urteilsbegründung, das Gericht habe hierzu die Beweise unzutreffend gewürdigt. Ob die Hauptverhandlung diese Beweiswürdigung tatsächlich stützt, kann ich aus eigenem Wissen nicht beurteilen, in rechtlicher Hinsicht erschien die mündliche Urteilsbegründung insofern schlüssig.

3. Strafzumessung

Der Vorsitzende führte zu Beginn der mündlichen Urteilsbegründung aus, einige der schon im ersten Prozess thematisierten Ermittlungsfehler hätten in diesem Verfahren keine Rolle gespielt. Insgesamt sah sich das Gericht auch nicht veranlasst wegen der Mängel während des Ermittlungsverfahrens, etwa hinsichtlich der von der Verteidigung gerügten einseitigen Ermittlungen durch die Polizei, oder der zu Beginn sehr belastenden Presseberichterstattung zum Oberbürgermeister, ein Verfahrenshindernis wegen Verstoßes gegen den fair-trial-Grundsatz zu bejahen.

Einen strafmildernden Verbotsirrtum bei Annahme der Spenden nach gewonnener Wahl - wie im ersten Urteil - hat die Kammer ausdrücklich verneint. Der Angeklagte habe als Oberbürgermeister gewusst , dass diese Spenden nach dem Wahlkampf rechtlich heikel seien ("vollkommen fernliegend, dass er das nicht erkannt hat").

Einige der genannten Aspekte wurden jedoch in der Strafzumessung berücksichtigt. Dabei setzte sich das Gericht insbesondere damit auseinander, dass trotz der hohen Summe kein besonders schwerer Fall der Bestechlichkeit (§ 335 Abs.2 Nr. 1 StGB) vorliege. Die Strafe wurde daher letztlich aus dem Strafrahmen des § 332 StGB gebildet. In diesem Zusammenhang wurde strafschärfend berücksichtigt, dass der Angeklagte auch persönlich profitiert habe.

Ein Jahr Freiheitsstrafe stellt schon ein schon deutliches Signal dar, jedenfalls im Vergleich zur Strafzumessung im ersten Prozess (Absehen von Strafe nach § 60 StGB), insbesondere wegen der beamtenrechtlichen Folgen.

 

II. Verurteilung des mitangeklagten Unternehmers Sch.

Der mitangeklagte Immobilienunternehmer Sch. wurde wegen Bestechung in einem Fall zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen verurteilt. Auch er wurde wegen der Vorwürfe im Zusammenhang seiner (umfangreichen) weiteren Spenden im Wahlkampf freigesprochen – hier sah das Gericht eine Verknüpfung mit künftigen Projekten als nicht hinreichend konkretisiert an. Die oben schon angesprochene 5000 Euro-Spende des Erlanger Unternehmers R. kurz vor der Stichwahl habe Sch. aber initiiert. In der Urteilsbegründung wurde mit Verweis auf einen E-Mail-Austausch zwar eine tatsächliche Verbindung zwischen Sch. und der Spende des R. dargelegt, aber ich bin skeptisch, ob Sch. tatsächlich als (Mit)-Täter dieser Bestechung angesehen werden kann: Inwieweit war er in eine (ohnehin nach Gerichtsinterpretation ja nur einseitig belegbaren) Unrechtsvereinbarung mit dem Oberbürgermeister in spe involviert? Ob die Beweislage für eine allenfalls näherliegende Anstiftung ausreicht, erscheint mir auch nicht ausgemacht.

 

III. Rechtskraft?

Auch dieses Urteil wird – jedenfalls nach Ankündigung der Verteidigung – angefochten, möglicherweise auch von der Staatsanwaltschaft. Es wird also noch eine Weile dauern (nach evtl. Aufhebung und Rückverweisung noch eine längere Weile), bis die beiden Verfahren einen rechtskräftigen Abschluss finden. Sollten beide Urteile vom BGH aufgehoben werden, was unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen ist, könnten sie für eine neue Verhandlung vor einer weiteren Regensburger Strafkammer nach § 4 StPO verbunden werden. Ansonsten können nach Rechtskraft beider Urteile die möglicherweise darin ausgesprochenen Strafen rechtlich über § 460 StPO, § 55 StGB zu einer Gesamtstrafe zusammengeführt werden.

Update 19.06.2020: Etwas irritiert sind manche meiner Gesprächspartner und auch ein Leser (s.u.), dass der Urteilstenor sich offenbar nicht zur Einziehung der Bestechungssumme verhalten hat. Nachdem Gesetzeswortlaut des § 73 StGB ist die Einziehung zwingend und es dürfte nur mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft unter den Voraussetzungen des § 421 StPO auf eine Anordnung verzichtet werden. Ich erinnere mich jedenfalls nicht, bei der Urteilsverkündung darüber etwas wahrgenommen zu haben, will aber ein "Überhören" auch nicht völlig ausschließen. Allerdings sind die Spenden nicht direkt an den ehem. OB, sondern an den Ortsverein der SPD gegangen. Daher könnte das Gericht hier von einem Fall des § 73 b Abs.1 Nr.1 oder Nr. 2 lit. a ausgegangen sein, da die Spenden ja an einen nicht an der Tat beteiligten Dritten ging. Diesbezüglich kann hier ggf. eine Einziehung selbstständig angeordnet werden, also ohne Erwähnung im Urteilstenor (§ 76 a StGB).
[Vorsorglich einem naheliegenden Einwand begegnend: Die (neuen) Vorschriften §§ 73 ff. StGB gelten auch rückwirkend für früher begangene Taten, vgl. Art. 316h EGStGB].

 

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24 Kommentare

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Der angenommene Vorteil soll hier ebenfalls in Parteispenden (in Höhe von ca. 75.000 Euro) liegen.

Was ist mit § 73 StPO - Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern? Wurden dazu im Urteil Ausführungen gemacht? Oder kommt eine Einziehung im gegebenen Fall aus speziellen Gründen nicht in Frage? Welchen?

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Wenn die unterlassene Einziehung ein Fehler wäre, könnte man das noch im Wege der Revision beheben, ohne dass die Staatsanwaltschaft das erstinstanzlich beantragt hat?

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Hüstel. Mit geringer eigener geistiger und körperlicher Anstrengung kann man doch auch ohne Bodenmarkierungen von selbst den Abstand einhalten, ohne Traubenbildung.... 

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Ja, aber es genügt ja, wenn einige (konkret hier etwa zehn bis 15 Personen, die sich ziemlich dreist vordrängelten) das Risiko geringeren Abstands eingehen, um trotz Zuspätkommens noch vor den anderen in den Gerichtssaal zu gelangen. Ich denke, Abstandsmarkierungen oder wenigstens eine Markierung, wo man sich für den Prozess anstellen sollte, wären deshalb hilfreich gewesen.
 

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Müller,

Sie haben dankenswerter Weise gleich nach dem Urteil sich mit diesem auseinandergesetzt. Der § 73 StGB (!) (Einziehung und Verfall) wurde bereits angesprochen, die nachfolgenden §§ aber noch nicht.

Sie kennen sicher das bekannte Diktum von Politikern und Politkerinnen: "Den Übeltäter habe die volle Härte des Gesetzes zu treffen!"

Was meinen Sie denn hier dazu?

In der SZ schrieb am 17. Juni 2020, dem alten und nun ehemaligen Feiertag "Tag der deutschen Einheit", um 18:54 Uhr Andreas Glas in einem Kommentar:

Korruptionsprozess:  Regensburger Sumpfgebiete

Im Prozess gegen Joachim Wolbergs ging es nicht nur um das Strafmaß. Sondern darum, die gefährliche Nähe zwischen Politik und Bauunternehmern in der Stadt aufzuzeigen. Das ist nun endlich gelungen.

https://www.t-online.de/nachrichten/panorama/id_88071752/corona-pandemie-in-diesem-urlaubsland-hat-die-zweite-welle-bereits-begonnen.html

Mit den besten Grüssen nach Regensburg

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In einem langen Kommentar hatte Joachim Wolbergs übrigens auch diesen SZ-Meinungs-Artikel auf seiner Facebook-Seite kritisiert.

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Die Bitte des vormaligen Chefs der Verwaltung, J. Wolbergs, ihm einen "Lösungsvorschlag" zum lange Jahre zurückliegenden Bauantrag ´Auf der Platte`zu unterbreiten, ist es nicht ein Verwaltungsinternum? Wie kann da der Schutz der Lauterkeit der ÖR-Verwaltung als Gesetzeszweck betroffen sein? Was doch jedenfalls zu einer einschränkenden Auslegung führen müsste? Kann man es mit einer einzigen Auslegung bewenden lassen, wie es die Kammer vollzog? Dem Grundsatz in dubio pro reo folgend?

Und hat nicht jeder potentielle Bauherr einen Genehmigungs-Anspruch, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen? Es gibt Bürger, die sehen in dieser internen Bitte eine "Entscheidung" des EX-OB; dabei wird auch das Remonstrationsrecht der Beamten übersehen. Und: Bei dem fraglichen Gebiet, auf dem früher Bodenschätze abgebaut wurden, gab und gibt es keine fixen, dem Bauantrag entgegenstehende lokale und gesetzliche Regeln, allenfalls Absichten aus dem Umweltamt (dieser Aspekt muss aber konkret und im geschichtlichen Ablauf herausgearbeitet werden) für die Zukunft. Meines Wissens wird derzeit an dem Bautrag noch gearbeitet. Was, wenn im Nachgang die Baugenehmigung erteilt wird?

Mehr dazu habe ich auf meiner Website unter https://www.aktionboss.de/zum-partei-spendensystem-in-regensburg veröffentlicht, auch im Hinblick auf das Spannungsverhältnis und die Heuchelei des Gesetzgebers, was das Spendenwesen und den damit beabsichtigten Einfluss der spendenden Unternehmen/Verbände betrifft. Unter Hinweis auf den Spendeneingang bei der CSU und die Tatsache, dass sich MP Söder stark macht für die Autoindustrie (forder "Zuschlag" laut MZ).

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Sehr geehrter Herr Veits,

Sie schreiben:

Die Bitte des vormaligen Chefs der Verwaltung, J. Wolbergs, ihm einen "Lösungsvorschlag" zum lange Jahre zurückliegenden Bauantrag ´Auf der Platte`zu unterbreiten, ist es nicht ein Verwaltungsinternum?

Sie gehen davon aus, dass die betreffende Diensthandlung in § 332 StGB nur eine "Enscheidung" sein könne oder eine Handlung mit Außenwirkung (Verwaltungsakt). Dies ist ganz selbstverständlich nicht der Fall. Auch eine "Bitte" des Dienstvorgesetzten, mit der er im Rahmen seiner Dienstausübung eine Entscheidung eines Untergebenen befördert, ist selbstverständlich eine dienstliche Handlung. Dass die meisten politisch relevanten Entscheidungen durch gremieninterne Absprachen, Tagesordnungspunkte bei "jours fixes", interne Weisungen etc. vorbereitet werden, müsste Ihnen doch bekannt sein. Und natürlich gehören diese Absprachen und Vorbereitungen  zum Dienst eines OB - auch wenn alles korrekt läuft.

Wie kann da der Schutz der Lauterkeit der ÖR-Verwaltung als Gesetzeszweck betroffen sein?

Gerade mit der Intransparenz einer solchen "internen" Beförderung der Ziele eines einzelnen Großspenders ist doch die Lauterkeit der Verwaltung ganz besonders betroffen. Ihre Erwägungen diesbezüglich würden der Korruption (durch "bloß interne" Bitten und Anweisungen) Tür und Tor öffnen und widersprächen damit dem Sinn und Zweck der §§ 331 StGB in ganz besonderem Maße.

Und hat nicht jeder potentielle Bauherr einen Genehmigungs-Anspruch, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen?

Dass ein Bürger evtl. auch einen Anspruch auf Baugenehmigung haben kann, passt nicht zum konkreten Fall, denn hier ging es um ungeplanten Außenbereich, in dem Bebauung eben nicht generell zulässig ist und die Ausnahme (bei nicht privlegierten Bauvorhaben) eine Ermessensentscheidung vorsieht. Deswegen ging ja das Interesse des Spenders dahin, dass ein Bebauungsplan (Ortsabrundungssatzung) erstellt werden sollte.  Ob und wann eine solche Satzung mit welchem Inhalt erstellt wird, liegt im Ermessen der Stadt Regensburg, ihrer Verwaltung und dem Stadtrat. Und hierauf hat der OB schon einen erheblichen Einfluss. Und den soll er auch haben, das ist der Wählerauftrag! Aber diesen Einfluss darf er eben nicht im Hinblick bzw. unter Berücksichtigung von Spenden Einzelner ausüben, so das Gesetz, das hier im Interesse ALLER Wähler bzw. Bürger der Stadt Regensburgs spricht. Ich jedenfalls (als Wähler in dieser Stadt) finde es sehr richtig, dass der von mir (mit-)gewählte Oberbürgermeister vom Gesetz dazu angewiesen ist, nicht die Interessen einzelner Immobilienunternehmer stärker oder beschleunigt zu vertreten, weil diese hohe Summen gespendet haben. 

Es gibt Bürger, die sehen in dieser internen Bitte eine "Entscheidung" des EX-OB; dabei wird auch das Remonstrationsrecht der Beamten übersehen.

Das Gericht hat in seiner Urteilsbegründung rechtlich schlüssig (ob auch faktisch korrekt, kann ich - wie oben gesagt - nicht beurteilen) ausgeführt, die Verwaltung habe eine ganze Reihe von Anträgen zu bearbeiten gehabt, die nach Priorität (etwa nach der Anzahl der betreffenden Wohneinheiten) abgearbeitet werden sollten. Der Antrag des Spenders war lt. Urteilsbegründung wegen der nur wenigen Wohneinheiten eigentlich eher nachrangig zu bearbeiten, sei aber aufgrund der "Bitte" des OB auf die aktuelle Agenda gesetzt worden. Die Entscheidung des OB lag also darin, diese Frage (Lösungsvorschlag/Bebauungsplan für das Gebiet des Spenders) auf die Tagesordnung zu heben und seine Befürwortung einer Bebauung zumindest anzudeuten.
Theoretisches Beispiel: Wenn ich mit einer großzügigen Summe erreiche, dass mein Begehren bevorzugt (i.S. von "überhaupt") behandelt wird, dann ist das zwar noch nicht die "Entscheidung" über mein Begehren, ist aber schon eine Dienstausübung in meinem Sinne. Und dies liegt voll innerhalb der Tatbestände der §§ 332, 334 StGB.

Die "Bitte" eines Vorgesetzten entspricht natürlich einer Arbeitsanweisung und hat auch regelmäßig zur Folge, dass diese Weisung befolgt wird.

Theoretisches Beispiel: Wenn ich als Prof. wegen der "Spende" des Vaters eines Studenten diesen in der Benotung bevorzuge und dann meine Mitarbeiter "bitte", den Schein mit dieser Note vorzubereiten, dann ist dies auch nur eine interne Bitte und noch nicht ein Akt mit Außenwirkung. Selbstverständlich wäre es aber schon vollendete Bestechlichkeit. Diese ist ja auch gegeben, wenn ich mich mit Rücksicht auf die Spende nur "bereit zeige", eine bessere Note zu geben. Eines tatsächlichen Verwaltungsakts in dieser Richtung bedarf es keineswegs.

Für sich allein betrachtet war an der Anweisung, für das Gelände einen Lösungsvorschlag zu erarbeiten, nichts rechtlich fragwürdiges. Dass diese Bitte nach der gerichtlichen Würdigung als Ermessensentscheidung rechtswidrig sein soll, folgt ja nur aus der Einflussnahme durch die Spende (§ 332 Abs. 3 Nr.2 StGB). Eine Remonstration des Angewiesenen wäre nur dann überhaupt in Betracht gekommen, wenn dem betr. Sachbearbeiter auch bekannt gewesen wäre, dass sich der Antragsteller durch Spendentätigkeit eine Vorzugsbehandlung bei seinem Vorhaben versprach.

Bei dem fraglichen Gebiet, auf dem früher Bodenschätze abgebaut wurden, gab und gibt es keine fixen, dem Bauantrag entgegenstehende lokale und gesetzliche Regeln, allenfalls Absichten aus dem Umweltamt (dieser Aspekt muss aber konkret und im geschichtlichen Ablauf herausgearbeitet werden) für die Zukunft. Meines Wissens wird derzeit an dem Bautrag noch gearbeitet. Was, wenn im Nachgang die Baugenehmigung erteilt wird?

Wie schon oben angedeutet: Gegen die Bebauung im Außenbereich gibt es sehr wohl "gesetzliche Regeln". Ich bin kein Baurechtler, aber wenn nun (irgendwann) eine Baugenehmigung erteilt wird, bedeutet das keineswegs, dass eine möglicherweise durch Spenden beschleunigte Behandlung, die der OB nach gerichtlicher Auffassung beförderte, plötzlich rechtlich in Ordnung wäre.  Dass hier Bestechung vorlag, hat das Gericht nicht damit begründet, dass die Entscheidung im Ergebnis falsch oder rechtswidrig gewesen wäre, sondern, dass sich der OB bei seiner Ermessensentscheidung ob, wann und wie sich die Verwaltung darum kümmern sollte, von der Spende habe beeinflussen lassen (so jedenfalls die mit § 332 Abs.3 Nr.2 StGB im Einklang stehende Begründung).

Ihren Ausführungen auf Ihrer Website, in dem Sie sich insbesondere kritisch mit der Spendenpraxis auseinandersetzen, soweit sie der CSU zugute kam und kommt, stimme ich vollkommen zu. Die langjährige "Kuschelei" der Regensburger CSU mit den ansässigen Immobilienunternehmern war im Übrigen ja auch einer der Gründe, weshalb  der jetzt Verurteilte von Vielen zum OB gewählt wurde. Und es ist vielleicht auch einer der Gründe für die politische Enttäuschung dieser Wähler, als sie erfahren mussten, dass  diese Kuschelei auch mit dem neuen OB fortgesetzt wurde, der sich (das ist ja unbestritten) einen Großteil seines Wahlkampfs von der Immobilienbranche finanzieren ließ.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

Vorteil und (Un)Lauterkeit, Baugenehmigungsverfahren, Keim der Willkür

Frage der Vorteilserlangung
"Als Vorteil wird dabei jegliche Leistung verstanden, auf die der Empfänger ansonsten keinen Anspruch hat, welcher rechtlich begründet wäre und der ihm durch dessen Gewährung in eine wirtschaftliche, rechtliche oder persönliche bessere Lage bringt."
(1)

Wolbergs hatte im Innenverhältnis zur SPD aufgrund des von ihm an die Partei gewährten (zinsfreien) Darlehens einen Zurückzahlungs-Anspruch gegenüber dieser. Wer wollte das in Abrede stellen? Wie kann die teilweise Zurückzahlung des Darlehens an Wolbergs dann ein "Vorteil" im Rechtssinne sein?

(1) Sehr schöne Zusammenschau
https://www.fachanwalt.de/magazin/strafrecht/bestechung

Frage der Sozialadäquanz: Spende an Partei
War der Strafkammer nicht bewusst, "dass nicht jede Zuwendung strafbar sein kann. Zulässig sind deshalb Zuwendungen, die dem sozial Üblichen entsprechen, also sozialadäquat sind."

Müssen nicht auch Parteispenden als "geeignet erscheinen, eine Gegenleistung für zukünftige oder erbrachte unlautere Bevorzugungen" des Spenders zu sein?

Frage: Wie konnte die Parteispende geeignet sein, für eine "unlautere Bevorzugung" des Spenders D. zu sorgen, wenn dieser, wie jeder Bürger sonst, einen rechtlichen Anspruch auf die fragliche Baugenehmigung hat(te) – zumal umweltrechtliche Vorschriften wohl tatsächlich nicht entgegenstanden, sondern sich im Bereich von künftigen Ideen/Absichten aus dem Umweltamt darstellten, deren rechtmäßige Umsetzung abzuklären wäre/ist?

Der zuständige Senat des BGH wird selbst Farbe bekennen müssen. Darüber, ob vorliegend der "Makel der Käuflichkeit" bereits durch die Bitte des damaligen OB an die Verwaltungsspitzen, einen "Lösungsvorschlag" hinsichtlich des Bauantrags des Spenders zu erarbeiten, entstehen konnte, der rechtlich als "unlauter und verwerflich" zu qualifizieren wäre.

Uneindeutige Rechtslage
Die Rechtsprechung des BGH ist in sich nicht konsistent, worauf Prof. Müller bereits am 26.09.2018 hinwies unter Bezugnahme auf den fraglichen Senat, den er zitierte:
"Die im Einzelfall erforderliche Abgrenzung zwischen erlaubter und unerlaubter Einwerbung von Wahlkampfmitteln kann – (...)  – je nach den Umständen schwierig sein. Diese Schwierigkeiten ergeben sich unabhängig von dem rechtlichen Begründungsansatz; eindeutige Ergebnisse kann weder der Ansatz des Senats noch der abweichende von Teilen des Schrifttums bieten."

Wenn die fraglichen Spenden dazu dienten, daß OB Wolbergs das, wie der BGH ausführte, "Wahlamt in einer Weise ausübte, die den allgemeinen wirtschaftlichen oder politischen Vorstellungen" des Parteispenders entsprach (der Förderung des Baus von Wohnraum), dann war das mit der Rechtsprechung strafrechtlich nicht zu beanstanden.

Insoweit wird es, anders als es die Strafkammer in der mündlichen Urteilsbegründung ausführte,vertiefend auf das baurechtliche Verfahren ankommen, wobei es freilich keine Rolle spielen kann, dass sich die rechtmäßige Durchführung des Bauantragsverfahrens als faktisch aufwendig darstellt(e). Eine solche Argumentation trüge nämlich den Keim der Willkür in sich. Denn jeder Bürger hat unter dem bekannten Vorbehalt einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung, dessen Existenz nicht vom Umfang der Verwaltungstätigkeit abhängig gemacht werden darf, denn auch die Bauverwaltung ist an "Gesetz und Recht" gebunden, wie es so im Grundgesetz steht.

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Sehr geehrter Herr Veits,

Sie schreiben:

Wolbergs hatte im Innenverhältnis zur SPD aufgrund des von ihm an die Partei gewährten (zinsfreien) Darlehens einen Zurückzahlungs-Anspruch gegenüber dieser. Wer wollte das in Abrede stellen? Wie kann die teilweise Zurückzahlung des Darlehens an Wolbergs dann ein "Vorteil" im Rechtssinne sein?

Wie das Gericht ausgeführt hat, ging es hier um Drittvorteile. Der Tatbestand ist auch dann erfüllt, wenn durch den Vorteil ein Dritter begünstigt wird (siehe Gesetz). Falls Sie meinen, dass es keine Bevorteilung der SPD sei, da diese ja nur in die Lage versetzt werden sollte, ein Darlehen an den OB zurückzuzahlen, dann ist es nach Ihrer Interpretaion also kein Drittvorteil, sondern ein Eigenvorteil des OB. Egal wie Sie es interpretieren, die 75.000 Euro werden entweder dem ehem. OB oder seiner Partei zugutegekommen sein. Dass weder  ein Eigenvorteil noch ein Drittvorteil vorgelegen haben soll, wird wahrscheinlich nicht einmal die Verteidigung in  der Revision vortragen. Dies wäre ja auch nur begründbar, wenn der Spender das Geld direkt in die Donau geworfen hätte.

Frage der Sozialadäquanz: Spende an Partei
War der Strafkammer nicht bewusst, "dass nicht jede Zuwendung strafbar sein kann. Zulässig sind deshalb Zuwendungen, die dem sozial Üblichen entsprechen, also sozialadäquat sind."

Natürlich ist nicht jede Zuwendung strafbar. Aber eine Spende, die mit einer Gegenleistung (Diensthandlung) eines Amtsträgers verknüpft ist, eben schon. Das ist Inhalt der Korruptionsgesetze. Und es wäre verdammt übel, wenn dies - wie nach Ihrer Vorstellung - "sozialadäquat" wäre. Denn dann lebten wir tatsächlich in einem Korruptionsstaat, in dem Bestechung und Bestechlichkeit alltäglich ("sozialadäquat") wären.

Der zuständige Senat des BGH wird selbst Farbe bekennen müssen. Darüber, ob vorliegend der "Makel der Käuflichkeit" bereits durch die Bitte des damaligen OB an die Verwaltungsspitzen, einen "Lösungsvorschlag" hinsichtlich des Bauantrags des Spenders zu erarbeiten, entstehen konnte, der rechtlich als "unlauter und verwerflich" zu qualifizieren wäre.

Wenn sich das so abgespielt hat, wie das Gericht es würdigt (daran wurden ja seitens der Verteidigung Zweifel geäußert), aber angenommen, es war so: Dann habe ich keinerlei Zweifel daran, dass die "Bitte" (oder wie immer die Anweisung an Untergebene höflicherweise formuliert wurde) vom BGH als Diensthandlung angesehen wird.

Uneindeutige Rechtslage
Die Rechtsprechung des BGH ist in sich nicht konsistent, worauf Prof. Müller bereits am 26.09.2018 hinwies unter Bezugnahme auf den fraglichen Senat, den er zitierte:
"Die im Einzelfall erforderliche Abgrenzung zwischen erlaubter und unerlaubter Einwerbung von Wahlkampfmitteln kann – (...)  – je nach den Umständen schwierig sein. Diese Schwierigkeiten ergeben sich unabhängig von dem rechtlichen Begründungsansatz; eindeutige Ergebnisse kann weder der Ansatz des Senats noch der abweichende von Teilen des Schrifttums bieten."

Die Passage (und die relative Uneindeutigkeit) bezieht sich auf Wahlkampfspenden. Der Empfang von Spenden während des Wahlkampfs wurden sämtlich von beiden Strafkammern für den ehem. OB als nicht strafbar  angesehen. Hier ging es aber um Spenden in Höhe von 75.000 Euro NACH der Wahl, also im Amt des OB. Hierzu sind Rechtslage und Rechtsprechung eindeutig.

Wenn die fraglichen Spenden dazu dienten, daß OB Wolbergs das, wie der BGH ausführte, "Wahlamt in einer Weise ausübte, die den allgemeinen wirtschaftlichen oder politischen Vorstellungen" des Parteispenders entsprach (der Förderung des Baus von Wohnraum), dann war das mit der Rechtsprechung strafrechtlich nicht zu beanstanden.

Ja, "wenn", so ist es.
Aber hier lag eben ein anderer Fall vor: Erstens wurden die Spenden außerhalb des Wahlkampfs gewährt und zweitens: Das Gericht meinte aus den Indizien schließen zu können, dass hier ein konkretes Projekt ("Auf der Platte") des Spenders gefördert werden sollte. 

Insoweit wird es, anders als es die Strafkammer in der mündlichen Urteilsbegründung ausführte,vertiefend auf das baurechtliche Verfahren ankommen, wobei es freilich keine Rolle spielen kann, dass sich die rechtmäßige Durchführung des Bauantragsverfahrens als faktisch aufwendig darstellt(e). Eine solche Argumentation trüge nämlich den Keim der Willkür in sich. Denn jeder Bürger hat unter dem bekannten Vorbehalt einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung, dessen Existenz nicht vom Umfang der Verwaltungstätigkeit abhängig gemacht werden darf, denn auch die Bauverwaltung ist an "Gesetz und Recht" gebunden, wie es so im Grundgesetz steht.

Auf die Einzelheiten des Baurechts wird es nicht ankommen, denn dass hier "Ermessen" eine Rolle spielt, ist offensichtlich. Und wenn Herr D. der Auffassung war, die Verwaltung bearbeite seinen Antrag zu langsam, dann hätte er dazu das Verwaltungsgericht anrufen können. Dem OB für diesen Zweck zu "spenden" war jedenfalls rechtswidrig.

Nach Ihrer Auffassung wäre es also keine Bestechung, wenn ich einem Beamten Geld zustecke, damit er meine (berechtigten) Ansprüche schneller oder innerhalb  seines Ermessens bevorzugt berücksichtigt? Sie wünschen sich ernsthaft solche Zustände? Ich bitte Sie noch einmal darüber nachzudenken.

Mit freundlichen Grüßen

Henning Ernst Müller

"Außerhalb des Wahlkampfs"

Wo bitte ist "Wahlkampf" definiert, Herr Prof. Müller? Von wann bis wann er zu "gehen" habe? Und welches Gesetz bestimmt, dass "außerhab" dieses Kampfes um den Wähler Spenden den Ruch der Korruption haben?

Blick zur CSU: "Außerhalb des "Wahlkampfs" erhaltene Spenden

Der Verband der Bay. Metall- und Elektroindustrie e.V, München
spendete allein im Jahr 2018 an die CSU einen Betrag von 625.000 EUR.

Zumal die CSU 2019 eine Spende von 390.000 EUR erhielt vom Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie e. V., Max-Joseph-Straße 5, 80333 München, Eingang 23.12.2019, Anzeige am 24.12.2019, Drs. 19/16976.

Der öffentliche Einsatz des bay. Ministerpräsidenten für die Autoindustrie (Söder fordert "Nachschlag" - Bericht der MZ). Man nehme mal an, zwischen Spender- und Spendenempfängerseite hätten entsprechende  Gespräche um "Bitte" und "Gegenbitte" standgefunden. Autolobbyisten würden keine Ruhe geben. Sie fordern für sich Milliarden-Unterstützung vom Staat.

Was würde der Vorsitzende der Strafkammer dazu subsumieren? Wir wissen es nicht? Was machte einen strafrechtlichen Unterschied, wo wiesen die Sachverhalte gleiche strafrechtliche Strukturen auf? Und ja, wo bliebe das auf der Meinungsfreiheit gestützte Recht des Spenders, die Partei seiner Wahl finanziell zu unterstützen (Staatsfreiheit der Parteien), wobei ich nach dem Grundsatz der Rechtsklarheit nicht sehe, wo die Grenze verliefe: Zwischen der "allgemeinen politischen Ausrichtung" der fraglichen Partei (untersützt z.B. Bauern und Autoindustrie) und dem einzelnen "besonderen Projekt"?  Liegt hierin nicht eine Heuchelei von Gesetzgeber und Rechtsprechung?

Auf meinen weiteren Beitrag mit Bezug zur Verfassung weise ich - für den Austausch dankend - hin.

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Sehr geehrter Herr Veits,

Sie schreiben:

Außerhalb des Wahlkampfs"

Wo bitte ist "Wahlkampf" definiert, Herr Prof. Müller? Von wann bis wann er zu "gehen" habe? Und welches Gesetz bestimmt, dass "außerhab" dieses Kampfes um den Wähler Spenden den Ruch der Korruption haben?

Dass Vorteile (dazu gehören "Spenden"), die mit Dienstausübung (Vorteilsgewährung bzw. -annahme)  oder mit einer konkreten  Diensthandlung (Bestechung/Bestechlichkeit) verknüpft sind, strafbare Handlungen darstellen, steht im Gesetz. Das kennt jeder Beamter, auch ein Wahlbeamter. Dass Wahlkampfspenden bevorteilt werden (nämlich nicht strafbar sind, wenn sie sich nur auf die allg. Dienstausübung beziehen), ist eine Privilegierung, die der BGH verfassungsrechtlich (Wahlgleichheit) geboten sah, damit auch ein Amtsträger Wahlkampfspenden einwerben kann.

Wann der Wahlkampf beginnt, ist nicht im Gesetz bestimmt, weil es diese Privilegierung ja dort gar nicht gibt. Dass er mit der stattgefundenen Wahl (erst einmal) endet, scheint mir ziemlich offensichtlich zu sein, genauso, wie offensichtlich ist, dass die Privilegierung, würde sie "ständig" gelten, eine Umgehung des Gesetzes wäre, die selbst dem BGH nicht zusteht.

Spenden haben nicht allg. den "Ruch der Korruption", aber wenn eine hohe Spende in unmittelbar zeitlichem Zusammenhang mit einer Entscheidung zugunsten des Spenders zusammentrifft, dann erscheint mir ein gewisser Duft nicht ausgeschlossen zu sein. 

Blick zur CSU: "Außerhalb des "Wahlkampfs" erhaltene SpendenDer Verband der Bay. Metall- und Elektroindustrie e.V, München
spendete allein im Jahr 2018 an die CSU einen Betrag von 625.000 EUR.

Zumal die CSU 2019 eine Spende von 390.000 EUR erhielt vom Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie e. V., Max-Joseph-Straße 5, 80333 München, Eingang 23.12.2019, Anzeige am 24.12.2019, Drs. 19/16976.

Der öffentliche Einsatz des bay. Ministerpräsidenten für die Autoindustrie (Söder fordert "Nachschlag" - Bericht der MZ). Man nehme mal an, zwischen Spender- und Spendenempfängerseite hätten entsprechende  Gespräche um "Bitte" und "Gegenbitte" standgefunden. Autolobbyisten würden keine Ruhe geben. Sie fordern für sich Milliarden-Unterstützung vom Staat.

Offensichtlich haben ja auch Sie noch ein Geruchsempfinden. Das riecht für mich genauso schlecht. Möglicherweise kann man aber dort (ebenso wie in den etlichen Fällen, in denen der ehem. OB freigesprochen wurde), keine Bestechlichkeit oder Vorteilsannahme  nachweisen.

Sie müssen sich allerdings schon entscheiden, wie Sie argumentieren wollen:

Entweder: Es gibt grds. keine Korruption, wenn "Parteispende" auf dem Überweisungsträger steht (offenbar Ihre Meinung zum hier diskutierten Fall, meines Erachtens angesichts des Gesetzes abwegig)

Oder: Es riecht nach Korruption, wenn die CSU Bayern Spenden erhält (offenbar Ihre Meinung zur Spende der Metall- und Elektroindustrie. Das sehe ich genauso, aber die Strafbarkeit hängt eben - wie so oft - von den Einzelheiten ab)

Mit besten Grüßen

Henning Ernst Müller

Ausflug ins Verfassungsrecht

Liegt in der Verurteilung von J. Wolbergs, dem vormaligen Oberbürgermeister der Stadt Regensburg, wegen Bestechlichkeit ein Verstoß gegen Artikel 103 Abs. 2 des Grundgesetzes?

Stichwort "tatbestandsausweitend"

Aus der nachfolgenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist zu entnehmen, dass "jede Rechtsanwendung, die - tatbestandsausweitend - über den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht, ausgeschlossen ist", Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG.

Vgl. Randnummer 162 ff, insbesondere 165
BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 07. Dezember 2011
- 2 BvR 2500/09 -, Rn. 1-182,
http://www.bverfg.de/e/rs20111207_2bvr250009.html

In dieser Betrugs-Entscheidung hat das BVerfG eine Entscheidung des BGH einkassiert. Das Verfassungsgericht rügte das Fehlen der verfassungsrechtlichen Anforderung in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal des Vermögensschaden. Wörtlich heißt es:
" ... die Darlegung der verursachten oder erwarteten Vermögensschäden und infolgedessen die Bewertung des festgestellten Sachverhalts (entspricht) nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen."
Siehe Randnummer 177

Frage an die Beck-Community:

Sind diese Grundsätze in der Causa Wolbergs nicht in gleicher Weise prüfend heranzuziehen wenn es um das Bestechlichkeits-Tatbestandsmerkmal der Pflichtwidrigkeit geht?

Wolbergs müsste gerade DURCH eine "Diensthandlung" (seine Bitte an die Verwaltung um Lösungsvorschlag hinsichtlich des Bauantrags ´Auf der Platte`) "seine Dienstpflichten verletzt" haben. Oder: Er "würde (sie dadurch) verletzt" haben, ginge man ("nur") vom Versuch der Bestechlichkeit aus.

Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung des BVerfG landete man wieder im Bau-Genehmigungs-Verfahren und der Frage: Hatte der Zeuge D. einen rechtlichen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung, da öffentlich-rechtliche Vorschriften seinem Bauantrag nicht engegenstanden?

War es mithin nicht Pflicht der Strafkammer, diese Frage inzidenter  unter Beiziehung der Bauakten nebst wohl vorliegenden Gutachten zu prüfen und den fraglichen "Sachverhalt unter verfassungsrechtlichen Anforderungen zu bewerten"?

Meines Wissens ist das nicht geschehen. Hat die Kammer damit nicht "tatbestandsausweitend" geurteilt? Eine nach Art. 103 Abs. 2 GG "ausgeschlossene Rechtsanwendung"?

Im in Bezug genommenen Fall des BVerfG ging es um die fehlgeschlagene "Darlegung der verursachten oder erwarteten Vermögensschäden". Hier ging und geht es um die verfassungsrechtlich gebotene Darlegung des potentiellen Anspruchs des Zeuge D. auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung.

Bestünde dieser, worin läge dann die Plichtwidrigkeit von J. Wolbergs? Hätte er dann nicht mit seiner Bitte an die Verwaltung im Ergebnis für rechtmäßige Verhältnisse im Baugenehmigungs-Verfahren Sorge getragen, die über Jahre nach außen untätig blieb? Auch wenn er dadurch den "allgemeinen wirtschaftlichen oder politischen Vorstellungen", insbesondere des Baus von Wohnraum, des Parteispenders D. spiegelbildlich entsprach? Wäre es insoweit unlauter und damit strafbar, weil der Parteispender selbst der investierende Bauherr wäre? Oder wäre der genehmigte Wohnungsbau durch den Parteispender in gleicher Weise sozialadäquat, weil auch Dritte (Mieter/Käufer) davon profitierten? Und folglich Wolbergs Verurteilung eine "tatbestandsausweitende" von Verfassungs wegen ausgeschlossene Rechtsanwendung?

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Sehr geehrter Herr Veits,

Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung des BVerfG landete man wieder im Bau-Genehmigungs-Verfahren und der Frage: Hatte der Zeuge D. einen rechtlichen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung, da öffentlich-rechtliche Vorschriften seinem Bauantrag nicht engegenstanden?

War es mithin nicht Pflicht der Strafkammer, diese Frage inzidenter  unter Beiziehung der Bauakten nebst wohl vorliegenden Gutachten zu prüfen und den fraglichen "Sachverhalt unter verfassungsrechtlichen Anforderungen zu bewerten"?

Meines Wissens ist das nicht geschehen.

Ich weiß  nicht, woher Sie Ihr Nichtwissen beziehen. Ich habe jedenfalls bei der Urteilsbegründung vernommen, dass es sich bei dem Gebiet "Auf der Platte" um ungeplanten Außenbereich handelt, in dem eine Baugenehmigung  für die geplante Wohnbebauung einer positiven Ermessensentscheidung bedarf (vgl. § 35 Abs.2 BauGB). Gerade deshalb war ja der angedachte "Lösungsvorschlag" auch nicht, eine Baugenehmigung zu erteilen, sondern die Erstellung einer Ortsabrundungssatzung für dieses Gebiet. Es war also die Einschätzung des Gerichts, dass wir uns hier nicht im Bereich einer gebundenen Entscheidung bewegen. Es trifft auch nicht zu, dass sich das Gericht nicht mit dieser Frage auseinandergesetzt hat. Ihre verfassungsrechtlichen Erwägungen sind also wenig ergiebig.

Abgesehen davon halte ich auch Ihren Ansatz insgesamt für fragwürdig: Es steht jedem Bürger, der mit der (Nicht-)Entscheidung der Verwaltung nicht einverstanden ist, der Rechtsweg offen. Wer meint, er müsse dafür nur  an der richtigen Stelle  "schmieren" , wird zu Recht bestraft. Das gilt auch für den Empfänger, sollte er vorsätzlich handeln. Abstrakt: Wenn ein Beamter also angesprochen wird, ob er nicht mal langsam eine Baugnehmigung erteilt, auf die der Bürger meint, Anspruch zu haben, dann kann dieser Beamte den Bürger entweder auf den Rechtsweg verweisen oder die Baugenehmigung erteilen. Eine irgendwie geartete Verknüpfung mit einer Parteispende ist strafbar. Und das lässt sich auch durch das Grundgesetz nicht wegdiskutieren. Und dies gilt selbstverständlich auch unabhängig davon, ob alle anderen, die so handeln, genauso bestraft werden oder wurden.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Was darf ein Strafgericht? Was ist ihm verboten? Es ist der Gesetzgeber, der den Inhalt der Strafnormen bestimmt. Fragen am Beispiel der Causa Wolbergs.

Wie definiert sich "Handlung" in der vorletzten Zeile des Gesetzestextes der Bestechlichkeit?

Ausgangspunkt:
§ 332 Abs. 3 StGB, der im Auszug lautet:
"Falls der Täter den Vorteil als Gegenleistung für eine künftige Handlung fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, so sind die Absätze 1 und 2 schon dann anzuwenden, wenn er sich dem anderen gegenüber bereit gezeigt hat,
    1.     .... oder
    2.     soweit die Handlung in seinem Ermessen steht, sich bei Ausübung des Ermessens durch den Vorteil beeinflussen zu lassen.

Entscheidung BGH 5 StR 20/19 - Beschluss vom 3. April 2019 (LG Neuruppin):
2. Leitsatz des Bearbeiters:
Ist dem Amtsträger ein Ermessensspielraum eingeräumt, liegt eine pflichtwidrige Diensthandlung weiterhin vor, wenn der Amtsträger sich nicht ausschließlich von sachlichen Gesichtspunkten leiten lässt. Diese Grundsätze sind auch dann anwendbar, wenn der Beamte aufgrund seiner Kompetenz, derentwegen er in die Entscheidungsfindung einbezogen wird, über eine jedenfalls praktische Einflussnahmemöglichkeit verfügt.

https://www.hrr-strafrecht.de/hrr/5/19/5-20-19-1.php

Wie ist "Handlung" unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks des Vertrauens der Menschen in die Lauterkeit der öffentlichen Verwaltung auszulegen?

Reicht hierfür Wolbergs Bitte, ihm einen Lösungsvorschlag zu unterbreiten, als Verwaltungsinternum unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG (zu Artikel 103 Abs. 2 GG, Stichwort: "tatbestandsausweitende" Rechtsanwendung ist ausgeschlossen) bereits aus?

Und zwar: Unabhängig davon, ob die Sicht der Kammer [Wolbergs habe sich durch (welche genau - Zeitachse?) Gespräche mit dem Zeugen D. (Ankündigung von Spende) bei der Bitte an die Verwaltung, ihm einen Lösungsvorschlag zu unterbreiten, nicht nur durch "sachliche Gesichtspunkte leiten lassen"] zutrifft? Ob diese Sicht des Gerichts durch das Ergebnis der Beweisaufnahme auch tatsächlich anfechtungsfrei gestützt wird?

Fragen also:

Wie definiert sich diese vorstehende "Handlung"? Bei dem vom BGH entschiedenen Fall ging es um einen Bürgermeister, der nach außen (!) tätig in Erscheinung trat und "praktisch Einfluss nahm". Im hiesigen Fall erkennt die Kammer eine strafbare Pflichtwidrigkeit Wolbers´ bereits im Verwaltungsinternum.

Wie steht das mit dem Gesetzeszweck der Bestechlichkeit in Einklang? Und überschreitet die Kammer nicht unter Verstoß gegen Artikel 103 Abs. 2 GG ihre Kompetenz, indem sie "tatbestandsausweitend" den Begriff der "Handlung" rechtsfehlerhaft auslegt?

Wie auch immer:
Das Spannungsfeld zwischen dem ausschließlichen Recht des Gesetzgebers, den Inhalt von Strafnormen rechtsklar zu bestimmen, und dem für die Richterschaft geltenden Verbot, derlei Normen "tatbestandsausweitend" – und damit inhaltlich – zu ändern, muss aufgelöst werden, entweder durch den BGH selbst, im Zweifel am Ende der beiden Verfahren durch das BVerfG - oder durch eine Revision der einschlägigen Korruptions-Normen durch den Bundesgesetzgeber.

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Sehr geehrter Herr Veits,

da Sie Jura studiert haben, wissen Sie, dass ein Gesetzestext immer Gegenstand der Auslegung ist, ja sein muss. Das ist ja der Inhalt des Jura-Studiums. Diese Auslegung wird mitgeprägt durch die ggf. jahrzehntelange Diskussion in der Rechtswissenschaft und der Rechtsprechung. Manchmal (aber ziemlich selten) ist es einmal der Fall, dass das BVerfG eine Auslegung für verfassungsrechtlich zu weit gehend moniert. Die Auslegung, die das LG Regensburg in dem hiesigen Fall vorgenommen hat, scheint mir aber eher der Normalfall zu sein: Ein Bürgermeister handelt dienstlich, indem er der Verwaltung intern Aufträge erteilt; m.E. ist es sehr unwahrscheinlich, dass das BVerfG hier einen Verstoß gegen Art. 103 Abs.2 GG sehen würde. Dazu, inwieweit sogar  rein "praktischer Einfluss" eines Bürgermeisters auch Diensthandlungen begründen kann, selbst wenn er nicht einmal mit der Verwaltung kommuniziert, erfährt man auch in der Entscheidung, die Sie oben selbst verlinkt haben. Daraus ergibt sich m.E. das Gegenteil von dem, was Sie daraus interpretieren möchten. Denn in dem zugrundeliegenden Fall hat der Bürgermeister auch nur hinter den Kulissen gewirkt und keineswegs per Verwaltungsakt gehandelt; er hat vielmehr einem potentiellen Mitbewerber über mehrere private Ecken signalisiert, es habe keinen Zweck, sich offiziell zu bemühen, man habe schon einen anderen Investor, und sodann präsentierte er dem Eigentümer eines Grundstücks den Vorteilsgeber als von ihm "bevorzugten" Investor; die Angelegenheit gehörte nicht einmal zu seinem Amtsbereich. Dass diese Informationen an Privatleute (möglicherweise am Stammtisch weitergegeben) Diensthandlungen sein sollten, daran konnte man ja durchaus zweifeln. Der BGH hat es bejaht, weil eben auch die rein praktische Einflussnahme dazu gehöre. Lesen Sie selbst nach (auch die dort zitierten weiteren BGH-Entscheidungen sind interessant):

Die Handlung(en):

Zuvor hatte der Angeklagte H. dem Ehemann der Architektin eines außenstehenden Interessenten erklärt, dass er von einer weiteren Entwicklung des Grundstücks abrate, da er einen Investor habe, der über größere Liquidität verfüge. Dadurch erreichte er, dass der Interessent von seinem Erwerbsvorhaben Abstand nahm und kein notariell beglaubigtes Angebot bei der W. einreichte. Zudem teilte er dem zuständigen Sachbearbeiter der W. mit, dass er als Bürgermeister der Gemeinde den Angeklagten He. als Investor bevorzuge.

Die Subsumtion:

Eine Diensthandlung liegt nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedenfalls vor, wenn das Handeln zu den dienstlichen Obliegenheiten des Amtsträgers gehört und von ihm in dienstlicher Eigenschaft vorgenommen wird (BGH, Urteile vom 22. Juni 2000 - 5 StR 268/99, 2000, 596, 598; vom 22. März 2018 - 5 StR 566/17, NJW 2018, 1767). Dabei begeht eine pflichtwidrige Diensthandlung nicht nur derjenige, der eine Handlung vornimmt, die in den Kreis seiner Amtspflichten fällt, sondern auch, wer seine amtliche Stellung dazu missbraucht, eine durch die Dienstvorschriften verbotene Handlung vorzunehmen, die ihm gerade seine amtliche Stellung ermöglicht (vgl. BGH, Urteile vom 28. Oktober 1986 - 5 StR 244/86, NStZ 1987, 326, 327; vom 22. Juni 2000 - 5 StR 268/99, NStZ 2000, 596, 598 f.; vom 14. Februar 2007 - 5 StR 323/06, NStZ-RR 2008, 13, 14). Ist dem Amtsträger ein Ermessensspielraum eingeräumt, liegt eine pflichtwidrige Diensthandlung weiterhin vor, wenn der Amtsträger sich nicht ausschließlich von sachlichen Gesichtspunkten leiten lässt (BGH, Urteile vom 14. Februar 2007 - 5 StR 323/06, NStZ-RR 2008, 13, 14; vom 21. März 2002 - 5 StR 138/01, BGHSt 47, 260, 262 f.; vom 23. Oktober 2002 - 1 StR 541/01, BGHSt 48, 44, 46; MüKoStGB/Korte, 3. Aufl., § 332 Rn. 24). Die Grundsätze zum „Ermessensbeamten“ sind auch dann anwendbar, wenn der Beamte aufgrund seiner Kompetenz, derentwegen er in die Entscheidungsfindung einbezogen wird, über eine jedenfalls praktische Einflussnahmemöglichkeit verfügt (BGH, Urteil vom 21. März 2002 - 5 StR 138/01, BGHSt 47, 260, 263).

Danach lag hier eine Diensthandlung vor. Der Verkauf des ursprünglich im Eigentum der Stadt stehenden Grundstücks unterfiel zwar nicht dem Amtsbereich des Angeklagten H. Das Landgericht hat aber festgestellt, dass ein Verkauf seitens der Stadt aufgrund der funktionalen Einheit der beiden rechtlich selbständigen Grundstücke tatsächlich nur unter Berücksichtigung der Interessen der Gemeinde erfolgen sollte. Damit wurde dem Angeklagten H. schon aufgrund seiner Stellung als hauptamtlicher Bürgermeister der Gemeinde faktische Einflussmöglichkeiten auf die Entscheidung der Stadt eingeräumt. Diese hat der Angeklagte H. auch entsprechend der von ihm gegenüber dem Angeklagten He. gezeigten Bereitschaft wahrgenommen, indem er dem mit der Veräußerung befassten Mitarbeiter der W. in Person des Angeklagten He. einen von ihm - und damit aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers einen von der Gemeinde - bevorzugten Investor präsentierte. Hierdurch hat er auf den Entscheidungsprozess der W. eingewirkt.

 

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Solche interessanten und geschliffenen Diskurse lohnen doch mMn auch die Mitgliedschaft mit einer Anmeldung im Beck-Blog, sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Manfred K. Veits aus Regensburg, mit allem Respekt.

Sollten Sie aber ein anderer RA sein, dann hätte ich mich nur beim Vornamen und beim Ort geirrt.

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Ich wundere mich, mit welcher Engelsgeduld Prof. Müller die rechtlich und faktisch danebenliegenden Einwände des angeblichen RA Veits widerlegt. Da scheint es an grundlegenden Kenntnissen im Korruptionsstrafrecht zu fehlen, gepaart mit mangelnder Erfassung der diversen Sachverhalte, die Gegenstand des Urteils sind (man könnte es auch so formulieren: es wird wie Kraut und Rüben durcheinandergebracht). Ist der Fall irgendwo als Hausarbeit ausgegeben und möchte da jemand eine kostenfreie Musterlösung von Prof. Müller?

Oder die Erfolgsaussichten einer ausgeführten Sachrüge vorab kostenlos geprüft haben?

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Die LTO-Presseschau:

BayVGH zu Pressearbeit der StA: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat entschieden, dass das Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren verletzt ist, wenn die Staatsanwaltschaft durch ihre Pressearbeit den Grundsatz der Waffengleichheit verletzt, wie LTO berichtet. Im Juli 2017 hatte die Staatsanwaltschaft Regensburg Anklage gegen den ehemaligen Regensburger Oberbürgermeister Wolbergs erhoben und schon zwei Stunden nach Zustellung der Anklageschrift eine Pressemitteilung herausgegeben und am selben Tag noch eine Pressekonferenz einberufen. In diesem Handeln sah der Bayerische Verwaltungsgerichtshof einen zweifachen Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren.

Morgen wird in Leipzig (BGH) über den Fall Wolbergs verhandelt, möglicherweise sogar über beide Urteile. Selbstverständlich werde ich den Verlauf und das Ergebnis dieser Verhandlung  auch hier im Beck-Blog zeitnah kommentieren.

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