Ich bin gespannt: Fällt jetzt das Fahrverbot ab 21 km/h zuviel innerorts?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 02.07.2020
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht20|5939 Aufrufe

Strengere Fahrverbotsvorschriften sind gerne schnell erlassen. So wie anlässlich der letzten Verschärfung des BKat. Schwieriger ist es da schon, ohne Gesichtsverlust wieder "alles auf Anfang" zu drehen. Der Bundesverkehrsminister kann das aber....wenn der Bundesrat mitmacht. 21 km/h zu schnell innerorts sind ja schnell erreicht - da droht vielen Fahrzeugführern ein Regelfahrverbot, wenn nicht der entsprechende Tatbestand wieder entschäft wird. Ich bin gespannt. Zumal die Bundesländer offenbar nicht so begeistert von dem Rückzieher scheinen...

Ach so: Der Rückzieher soll wohl auch die Außerortsfahrverbote betreffen, wenn "nur" 26 km/h (zuvor: 41 km/h) Überschreitung festzustellen ist. (Hinweis: Urversion dieses Satzes im Blogbeitrag benannte leider 31 km/h als Grenze)

HIER etwa eine Pressemeldung dazu.

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20 Kommentare

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Das Schöne ist, dass die Verordnung sowieso nichtig ist (vgl.FAZ vom 01.07.2020, ADAC: Neue Fahrverbote unwirksam).

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In der Papierausgabe der FAZ steht sehr ausführlich, was Gästle berichtet. Etwas kürzer findet man den Artikel bzgl. des Verstosses gegen das Zitiergebot aber auch hier.

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Verstoß gegen das Zitierverbot hatten wir schon einmal (2010 hat der damalige StVO-Schredder Ramsauer seinen Vorgänger sinngemäß als unfähig bezeichnet), weil damals der drohende Schilderwechsel verhindert werden sollte. Was ist denn den Scheuer nun: unfähig, weil er die Vorgaben des Bundesrats hinsichtlich des Fahrverbots umsetzte und auch noch unfähig, weil er das Zitiergebot nicht beachtete? Weil der Verstoß gegen das Zitierverbot schon mal vorkam, muss man ja wohl meinen, dass es nie wieder passiert. Wenn die Behauptung, es sei gegen das Zitierverbot verstoßen worden, sobald Teile einer Verordnung unbeliebt sind, jetzt in Mode kommt, schadet das dem Rechtsstaat nicht weniger als es die Demontage der Unabhängigkeit der Richter in einigen Staaten. Denn mit der StVO-Novelle wurde sehr viel verändert, was ggf. jetzt nicht befolgt werden müsste und - nach neuesten Meldungen - u.a. in Bayern und dem Saarland auch nicht mehr durchgesetzt werden soll. Da geht es oft um Leben und Tot. Und es droht wieder eine Zeit, in der die Bundesminister für Justiz und für Verkehr verschiedene Versionen der StVO im Internet anbieten. Einmal war lustig. Zweimal ist einfach nur noch schwach.

Folge könnte sein: man prüfen jetzt einfach mal, ob die Pandemieverordnungen das Zitiergebot alle einhalten - und wenn nicht, wird in dem Land, das es vergeigt hat, auf Facebook zu einer Massensause auf dem Acker eingeladen, gegen die Wacken und Co. kleine Vorortdiscos sind. Schade nur, dass ich nicht bei Facebook bin.

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"Außerortsfahrverbote" drohen derzeit nicht erst bei 31 km/h zuviel, sondern bereits bei 26 km/h zuviel; die Grenze wurde noch stärker abgesenkt als innerorts.

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Gast schrieb:

"Außerortsfahrverbote" drohen derzeit nicht erst bei 31 km/h zuviel, sondern bereits bei 26 km/h zuviel; die Grenze wurde noch stärker abgesenkt als innerorts.

 

 

Danke - natürlich haben Sie recht. Ich korrigiere oben und mache es kenntlich!

Aus dem Spiegel:

"... Dafür allerdings braucht er nun, wo der neue Bußgeldkatalog eingeführt ist, die Mitwirkung der Bundesländer. Die versucht er, mit einer List zu erzeugen: Seine Beamten haben formale Fehler in dem neuen Regelwerk entdeckt - nachdem dieses schon in Kraft getreten ist. Wegen dieser handwerklichen Fehler prophezeit er den Landesverkehrsministern eine Klagewelle vor den Gerichten von Autofahrern, die ihren Führerschein abgeben müssen. ..."

Das schlägt dem Fass den Boden aus. Entweder haben seine Beamten bei der Abfassung der Änderungs-VO Fehler gemacht, oder sie machen jetzt einen Fehler. Einen solchen Sauhaufen zu führen sollte den Minister die Schamesröte ins Gesicht treiben (zumal das Thema im Ministerium "Zitiergebot" in diesem Ministerium präsent sein muss), als sei er beim Pinkeln an die Kirchenwand erwischt worden. Er rennt damit auch noch in die Öffentlichkeit. Ist der Ruf erst ruiniert, ...

Ganz nebenbei können die Länderihm einfach dieselben Vorgaben machen wie vor 5 Monaten. Dann war es das mit der gerade auch von Scheuer gefeierten Fahrradnovelle und der Minister ist bis in die Steinzeit blamiert. Ach ja, ist ja egal jetzt (s.o.)

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"Ganz nebenbei können die Länder ihm einfach dieselben Vorgaben machen wie vor 5 Monaten. Dann war es das mit der gerade auch von Scheuer gefeierten Fahrradnovelle und der Minister ist bis in die Steinzeit blamiert. Ach ja, ist ja egal jetzt (s.o.)"

Link zur Feier der "auch von Scheuer gefeierten Fahrradnovelle:

" https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/StV/Radverkehr/neuerungen-radverkehr-treten-in-kraft.html

Und vielleicht taucht diemal auch noch Tempo 130 in der Ersatznovelle auf. Bei der letzten Abstimmung im Bundesrat fehlte aus heute vielleicht kaum noch bekannten Gründen Thüringen bei der Abstimmung.

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Auch SH will lt. SHZ erstmal die alten Bußgelder verhängen:

"Betroffen sind davon die neu geregelten Fahrverbote für Geschwindigkeitsüberschreitungen, gefährliche Abbiegeverstöße, Überholverstöße und Verstöße im Zusammenhang mit der Bildung und unerlaubten Nutzung der Rettungsgasse. – Quelle: https://www.shz.de/28853647 ©2020"

Da hat der Scheuer der Verkehrssicherheit aber einen Bärendienst erwiesen. Über die Rettungsgasse gab es doch nullKommanull Streit. Da alle Länder, die von den Grünen mitregiert werden, entweder das Fahrverbot aber 21 km/h wollen oder aber sich bei der entscheidenden Abstimmung enthalten werden, kann die Hängepartie sehr lange dauern. Ich rechne da eher mit Jahren denn mit Monaten (so war es ja 2010 auch). Inzwischen werden wir eine lustige Rechtsprechung bekommen. Irgendwelche Rettungsgassenverstöße werden ja sicher vor Gericht landen, egel nach welchem Recht dorthin gebracht. Dummerweise ist ja auch immer noch unklar, was mit den übrigen Teilen der letzten Novelle ist.

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Die heutige SZ (Peter Fahrenholz) schreibt vernichtend über den bayer. Verkehrsminister:

Wäre man aus dem Verkehrsministerium von Andreas Scheuer nicht so viele Pannen gewohnt, könnte man fast an Vorsatz glauben... Weil die Regierungsbürokratien von Bund und Ländern jedes Jahr unzählige Rechtsvorschriften produzieren und es dafür eine eingeübte Routine gibt, ist Schlamperei als Fehlerquelle eigentlich nur schwer vorstellbar. Aber wie gesagt, es handelt sich um das Ministerium von Andreas Scheuer.

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Alle Unterstellen, dass Scheuers steile These richtig ist. So war es 2010 ja auch schon mal. Drei Jahre später wurde die Sche etwas nüchterner betrachtet:

"Auch die Nichtigkeitsthese des Bundesministers zur gesamten StVO fand weder in der Rechtsprechung noch unter Fachleuten Zustimmung. Folgerichtig wird die Nichtigkeitsthese in der Begründung zum Neuerlass der StVO so auch nicht mehr wiederholt." (Schubert: Die neue StVO 2013, SVR 2013, 121).

Es ging damals darum den Vollzug geltenden Rechts zu beenden und so könnte es heute wieder sein. Die Nichtigkeit einer VO wird (oder besser: "wurde in besseren Zeiten") nicht von dem Ministerium, das die VO in das BGBl rücken ließ, festgestellt (und erst Recht nicht von dem Minister, der selbige VO kurz zuvor selbst unterzeichnete, was ja nun den Gipfel der Instiktlosigkeit markiert und Deutschland endgültig in die Reihe den Bananenrepubliken schießt), sondern mit umfangreicher Begründung von einem Gericht.

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Die LTO-Presseschau:

StVO – Fahrverbote: In der vergangenen Woche haben sich die Länderverkehrsminister laut Sa-FAZ (Kerstin Schwenn) darauf geeinigt, Fahrverbote nach dem neuen Bußgeldkatalog, der mit einem Formfehler behaftet ist, vorerst nicht mehr zu verhängen. In den meisten Ländern werde der alte Bußgeldkatalog wieder angewandt. 

Im Spiegel (Dietmar Hipp) erläutert der Professor für Straßenverkehrsrecht Dieter Müller im Gespräch, welche Folgen der Formfehler jetzt theoretisch hat. Er meint, dass nur die Neuerungen im Bußgeldkatalog und bei Fahrverboten nichtig seien, nicht jedoch die gesamte Verordnung. Im Interview mit der Mo-BadZ (Christian Rath) erläutert Christoph Erdmenger vom Stuttgarter Landesverkehrsministerium, warum die Fahrverbotsregelung des neuen Bußgeldkatalogs nicht unverhältnismäßig ist. 

Kerstin Schwenn (Sa-FAZ) meint in einem gesonderten Kommentar, dass das Gesetz viele richtige neue Sanktionen gegen Autofahrer zum Schutz von Fußgängern, Radfahrern und Rettungskräften enthalte. Die generelle "Führerscheinfalle" für Tempo-30-Sünder gehöre nicht dazu, höhere Bußgelder wirkten im Normalfall disziplinierend genug.

Die LTO-Presseschau:

StVO-Bußgeldkatalog: Dass bereits im Mai Richter vor Fehlern im neuen Bußgeldkatalog aus dem Bundesverkehrsministerium warnten, hat der Spiegel (Gerald Traufetter) erfahren. So hatte die Präsidentin des Oberlandesgerichts Stuttgart, Cornelia Horz, in einem Brandbrief am 22. Mai auf die potentielle Unwirksamkeit der kürzlich verabschiedeten Novelle hingewiesen. Die Warnung habe aber das Berliner Ministerium gar nicht erreicht, vermutlich sei sie auf dem Dienstweg hängengeblieben.

Die LTO-Presseschau:

StVO-Novelle und Fahrverbote: Die taz (Christian Rath) gibt einen Überblick zur aktuellen Rechtslage bei der StVO-Novelle, die wegen eines Formfehlers teilweise nichtig ist. Bund und Länder hätten sich inzwischen geeinigt, den gesamten dritten Artikel der Novelle für nichtig zu erachten. Erfasst sind damit nicht nur die verschärften Fahrverbote, sondern auch die verschärften Bußgeld-Regelungen. Die meisten Länder wollen die Änderungen am Bußgeldkatalog bald wieder anwenden, Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) tritt jedoch für eine Abmilderung ein. Für Christoph Erdmenger, Abteilungsleiter im baden-württembergischen Verkehrsministerium, sind die verschärften Fahrverbotsregelungen keineswegs "unverhältnismäßig". Im Interview mit der taz (Christian Rath) plädiert er für deren Wiedereinführung und verweist insbesondere auf die niedrige Anzahl an Verkehrstoten in Ländern mit vergleichsweise harten Sanktionen.

Das Land Brandenburg hat laut FAZ (Markus Wehner) nun per Gnadenerlass alle rechtskräftigen Bußgeldbescheide aufgehoben, bei denen die Sanktionen über dem Niveau des alten Bußgeldkatalogs lagen. Die Bescheide werden nun korrigiert und neu zugestellt.

Die LTO-Presseschau:

StVO-Novelle und Fahrverbotespiegel.de (Dietmar Hipp/Gerald Trauvetter) referiert die Vorschläge des Unfallforschers Gerald Brockmann zur Reparatur des Bußgeldkatalogs nach dem Formfehler der StVO-Novelle. Die Grenze für verschärfte Sanktionen solle bei 21 km/h (innerorts) bzw. 26 km/h (außerorts) bleiben. Statt Fahrverboten solle es dann aber zwei Punkte in Flensburg geben.

Die LTO-Presseschau:

StVO-Novelle und Bußgeldkatalog: Vor einer Videokonferenz der Verkehrsminister am Mittwoch hat NRW-Verkehrsminister Marcel Wüst (CDU) einen Kompromiss im Streit um die Neufassung des Bußgeldkatalogs vorgeschlagen. Nur in besonderen Fällen (beim Rasen vor Schulen und Kindergärtzen bzw. an Autobahnbaustellen) solle bereits beim ersten schweren Verstoß ein Fahrverbot drohen, berichten FAZ (Kerstin Schwenn) und spiegel.de.

Die LTO-Presseschau:

StVO-Novelle und Fahrverbote: Nach der wegen eines Formfehlers gescheiterten StVO-Novelle mehren sich laut Mo-FAZ (Kerstin Schwenn) Stimmen, welche die vorgesehen Änderungen auch inhaltlich für rechtswidrig halten. Die Reform hatte unter anderem ein einmonatiges Fahrverbot vorgesehen für Autofahrer, die innerorts um 21 Kilometer und außerorts um 26 Kilometer in der Stunde zu schnell gefahren waren. Der ehemalige Generalbundesanwalt Kay Nehm und das Landesjustizministerium Baden-Württemberg warnten davor, ein pauschales Fahrverbot könne unverhältnismäßig sein. Das Bundesverfassungsgericht hatte 1996 entschieden, dass ein Fahrverbot bei einem erstmaligen Verstoß "in der Mehrzahl der Fälle keine angemessene, weil übermäßige Unrechtsfolge wäre."

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