OLG München: Keine vorsorgliche oder aufschiebend bedingte gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern

von Achim Kirchfeld, veröffentlicht am 12.01.2021

Das OLG München hat mit Beschluss vom 22. Dezember 2020 (31 Wx 436/20) entschieden, dass Aufsichtsratsmitglieder nicht analog § 104 AktG gerichtlich bestellt werden können, während gerichtlich über die Wirksamkeit ihrer Wahl gestritten wird. Zugrunde liegt der Entscheidung der Antrag des Vorstands einer mitbestimmten AG auf gerichtliche Bestellung der zuletzt gewählten Arbeitnehmervertreter sowie auf gerichtliche Bestellung des Aufsichtsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters. Die Wahl der Arbeitnehmervertreter war angefochten worden, die Gerichtsentscheidung hierzu noch offen.

Voraussetzungen des § 104 AktG mangels Vakanz unmittelbar nicht erfüllt

Der Senat lehnt eine gerichtliche Bestellung ab, da die Voraussetzungen des § 104 AktG nicht erfüllt seien. Der Aufsichtsrat sei weder beschlussunfähig (§ 104 Abs. 1 S. 1 AktG) noch unterbesetzt (§ 104 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 AktG). Die Wahlanfechtung habe bis zur Rechtskraft eines Anfechtungsurteils keine Auswirkungen auf das Amt der betroffenen Mitglieder; die insofern bestehende Ungewissheit stelle keine Unterbesetzung dar.

Keine vorsorgliche Bestellung bei anhängiger Wahlanfechtung

Eine Bestellung analog § 104 AktG komme mangels planwidriger Regelungslücke nicht in Betracht. Zweck der Vorschrift sei es, die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft und ggf. auch die Parität der Mitbestimmung wiederherzustellen – nicht dagegen, jeden Fall einer Rechtsunsicherheit über die Wirksamkeit der Wahl abzusichern. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus einem Urteil des OLG München vom 18. Januar 2006 (7 U 3729/05), in dem eine analoge Anwendbarkeit vor rechtskräftigem Anfechtungsurteil bejaht worden war. Die dort zugrunde liegende Situation, so der Senat, sei wegen der besonderen Umstände (richterlicher Hinweis auf Unwirksamkeit der Wahl; bevorstehende Hauptversammlung) einer Handlungsunfähigkeit gleichgekommen.

Kein Rechtsschutzbedürfnis für aufschiebend bedingte Bestellung

Für eine aufschiebend bedingte Bestellung auf den Zeitpunkt der Rechtskraft der Anfechtungsentscheidung fehle das Rechtsschutzbedürfnis; denn bei Rechtskraft sei ein Antrag unmittelbar gemäß § 104 AktG möglich.

Ebenso abzulehnen sei eine aufschiebend bedingte Bestellung mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Bestellungsbeschlusses. Hierdurch drohe die Entwertung jeglicher Wahlanfechtung sowie für die Entscheidung des Registergerichts eine Ermessensreduzierung auf Null. Denn eine rückwirkende Bestellung könne ihr Ziel nur erreichen, wenn genau diejenige Person bestellt werde, deren Wahl angefochten sei. Der Senat schließt sich insoweit einer ähnlichen Entscheidung des OLG Köln vom 23. Februar 2011 (2 Wx 41/11) an; in der Literatur ist die Frage bislang umstritten.

Keine gerichtliche Bestellung des Aufsichtsratsvorsitzenden auf Antrag des Vorstands

Abgelehnt wird schließlich auch der Antrag auf Bestellung des Vorsitzenden und des Stellvertreters. Insoweit fehle dem Vorstand die Antragsbefugnis. Die Bestellung sei internes Organisationsrecht des Aufsichtsrats; allenfalls dessen Mitglieder seien antragsbefugt.

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