LG Memmingen setzt die nicht geringe Menge von Rauchopium bei 16 g Morphin-Base fest: diesmal auch richtig!

von Dr. Jörn Patzak, veröffentlicht am 24.01.2021
Rechtsgebiete: StrafrechtBetäubungsmittelrecht2|7135 Aufrufe

Der BGH hat kürzlich ein Urteil des LG Limburg aufgehoben, das die nicht geringe Menge von Opium bei 4,5 g Morphin-Hydrochlorid festgelegt hat; der BGH verlangte vor allem die Hinzuziehung eines naturwissenschaftlichen Sachverständigen (s. meinen Beitrag vom 12.12.2020).

Das LG Memmingen (3. Strafkammer) hat in einer Berufungssache mit Urteil vom 11.1.2021 ebenfalls die nicht geringe Menge von Opium bestimmt. Es kommt nach sachverständiger Beratung zu dem Ergebnis, dass bei inhalativer Aufnahme von Opium eine Menge erforderlich ist, die 16 g Morphin-Base enthält, um die nicht geringe Menge zu erreichen (3 Ns 221 Js 22995/19). Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Den Angeklagten wurde in dem Verfahren vorgeworfen, aus den Niederlanden 1.491,9 g Rohopium nach Deutschland eingeschmuggelt zu haben. Die Betäubungsmittel wurden bei einer Polizeikontrolle entdeckt. Die Strafkammer hat festgestellt, dass das Opium zum Rauchen bestimmt gewesen sei. Rohopium könne durch einen Röstvorgang, eine Extraktion mit Wasser und ein abschließendes Kneten in Zigarettenform in Rauchopium verarbeitet werden.

Dem Sachverständigen folgend hat die Kammer bei der Festlegung der nicht geringen Menge bei Opium nur auf das Hauptalkaloid Morphin als dem quantitativ und in der Gefährlichkeit dominierenden Wirkstoff abgestellt. Ausgehend vom vorgenannten Beschluss des BGH v. 6.10.2020 (2 StR 311/20 ) hat es untersucht, welche Wirkmenge bei der zu erwartenden Darreichungsform auf den Konsumenten einwirkt und wie hoch die tatsächliche Verfügbarkeit von Morphin als dem wirkungsbestimmenden Inhaltsstoff nach inhalativer Aufnahme von Opium ist. Es hat angenommen, dass die Verfügbarkeit von Morphin-Base nach inhalativer Aufnahme bei 25 % liege, so dass von der zur Inhalierung zur Verfügung gestellten Morphin-Menge nur 25 % am Wirkort im menschlichen Körper ankomme. Bezogen auf eine intravenöse Aufnahme einer Morphin-Zubereitung auf 4,0 g Morphin-Base (=4,5 g Morphin-Hydrochlorid), wie vom BGH bereits am 22.12.1987 (1 StR 612/87) festgelegt, kam das LG Memmingen damit auf einen Grenzwert der nicht geringen Menge bei Opium von 16,0 g Morphin-Base.

Aus meiner Sicht eine sehr gut begründete Entscheidung, die Maßstäbe setzen wird…

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2 Kommentare

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Sehr geehrter Herr Kollege Patzak,

das scheint ein spannender Fall aus der Reihe "chemisches Rechnen in der Juristerei" zu sein.

Aber zwei Fragen sind, jedenfalls für mich als Chemikerin, noch nicht beantwortet:

1) Die letztlich relevante Menge Morphin-"Base" hängt zunächst einmal von der Qualität des Roh-Opiums ab. Da dürfte es Unterschiede geben. Mir fehlt in dem Urteil eine diesbezügliche Angabe.

2) Wenn man die unterschiedlichen Inkorporationswege (hier: intravenös versus inhalativ) unterscheidet (auch wenn das unter toxikologischen Gesichtspunkten nachvollziehbar ist), öffnet man damit nicht Schutzbehauptungen Tür und Tor? Wenn ich als "rauchender Täter" eine vier mal so hohe Menge straffrei mit mir führen darf, würde ich im Zweifel natürlich immer behaupten, dass ich das Zeug rauchen wollte.

 

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