LG Frankfurt am Main: Zur Gestaltung der Aktionärsrechte in der virtuellen Hauptversammlung

von Dr. Cornelius Wilk, veröffentlicht am 16.04.2021

Das LG Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 23. Februar 2021 (3-05 O 64/20; BeckRS 2021, 3987) zu verschiedenen Fragen der Gestaltung einer virtuellen Hauptversammlung auf Basis des Covid-19-Abmilderungsgesetzes Stellung genommen.

Zu entscheiden hatte die Kammer über eine Beschlussmängelklage gegen Beschlüsse einer Hauptversammlung vom Mai 2020. Einberufen worden war diese als virtuelle Hauptversammlung gemäß § 1 Abs. 2 des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie (COVMG), das zum 28. März 2020 als Teil des Covid-19-Folgenabmilderungsgesetzes in Kraft trat. Die Stimmabgabe war auf Briefwahl und Abgabe durch Stimmrechtsvertreter der Gesellschaft beschränkt. In der Hauptversammlung gestellte Anträge der Aktionäre waren ausgeschlossen; Aktionäre hatten jedoch die Gelegenheit, bis 14 Tage vor der Versammlung Gegenanträge und Wahlvorschläge an die Gesellschaft zur Veröffentlichung auf der Internetseite zu übermitteln.

Keine Verfassungswidrigkeit

In ihrer Entscheidung weist die Kammer zunächst Zweifel an der Gültigkeit des COVMG zurück. Die Regelungen seien insbesondere nicht als Enteignung i. S. d. Art. 14 Abs. 2 GG anzusehen. Es handele sich vielmehr um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums, die einen sachgerechten Ausgleich zwischen den berührten Interessen bewirke.

Kein Verstoß gegen Aktionärsrechterichtlinie wegen Frage- und Antragsbeschränkungen

Ein Anfechtungsgrund ergebe sich auch nicht aus einem Verstoß gegen die EU-Aktionärsrechterichtlinie. Bei der Richtlinie handele es sich nicht um ein Gesetz i. S. d. § 243 Abs. 1 AktG. Zudem folge aus der Richtlinie lediglich, dass Aktionäre grundsätzlich die Möglichkeit für Fragen haben müssten – wie und wann diese zu stellen und Antworten zu geben seien, bleibe der Umsetzungsgesetzgebung der Mitgliedstaaten überlassen.

Auch aus dem Ausschluss von Anträgen (einschließlich Geschäftsordnungsanträgen) in der laufenden Hauptversammlung ergäben sich keine Bedenken. Denn die Gesellschaft habe es den Aktionären ermöglicht, Anträge und Wahlvorschläge unter Beachtung der 14-Tage-Frist der §§ 126, 127 AktG vor der Hauptversammlung zu stellen.

Ermessensausübung von Anfechtungsausschluss abgedeckt

Kein Anfechtungsgrund ergebe sich weiter aus der Behauptung, die Einberufung der Versammlung in der gewählten virtuellen Form (anstelle insbesondere einer Zwei-Wege-Kommunikation) bedeute einen Ermessensfehlgebrauch. Denn die Frage des Ermessens werde jedenfalls von dem in § 1 Abs. 7 COVMG enthaltenen Anfechtungsausschluss erfasst.

Richtige Berechnung des spätesten Zeitpunkts für Fragen

Die Berechnung, mit der die Gesellschaft den spätesten Zeitpunkt für die Einreichung von Fragen bestimmt habe (nämlich 17. Mai 2020, 24 Uhr, bei Versammlungsdatum 20. Mai 2020), entspreche der „zwei Tage“-Vorgabe aus § 1 Abs. 2 COVMG. Es gelte auch insoweit § 121 Abs. 7 AktG, wonach bei Fristen, die vom Versammlungstag rückwärts zu rechnen seien, weder der Versammlungstag noch der Tag des jeweiligen Ereignisses mitzurechnen sei.

Nichtaushändigung des Teilnehmerverzeichnisses jedenfalls kein Anfechtungsgrund

Die Frage, ob die Gesellschaft im virtuellen Versammlungsformat verpflichtet gewesen wäre, Aktionären gemäß § 129 Abs. 4 AktG ein Teilnehmerverzeichnis auszuhändigen, lässt die Kammer offen. Ein Verfahrensfehler sei insoweit jedenfalls nicht relevant und scheide damit als Anfechtungsgrund aus.

 

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