Ist der Abschluss einer Gebührenvereinbarung in der Praxis der Regelfall?

von Dr. Hans-Jochem Mayer, veröffentlicht am 17.05.2021
Rechtsgebiete: Vergütungs- und Kostenrecht2|2653 Aufrufe

Nachdem der BGH bereits im Urteil vom 22.8.2018 - IX ZR 115/17  - entschieden hatte, dass für den Entwurf eines Testaments keine Geschäftsgebühr anfällt, sondern die anwaltliche Tätigkeit lediglich als Beratung zu vergüten ist, hat er im Urteil vom 15.4.2021 - IX ZR 143/20  - sich auf den Standpunkt gestellt, dass auch der Auftrag, ein gemeinschaftliches Testament zu entwerfen, keine Geschäftsgebühr auslöst. Die Entscheidung mag zwar systematisch konsequent sein, hat jedoch erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen für die Vergütung des betroffenen Anwalts. Im konkreten Fall hatte sich die 1,0 Geschäftsgebühr nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer auf 3.704,47 EUR belaufen, im Rechtsstreit, in dem die Kläger dann letztlich vor dem BGH recht bekamen, machten sie geltend, dass lediglich eine Beratungsgebühr in Höhe von insgesamt 410,55 EUR entstanden ist. Der BGH setzte sich auch mit dem Argument auseinander, ob noch eine die verfassungsmäßigen Rechte des Rechtsanwalts wahrende angemessene Vergütung gegeben sei und stellte sich dabei auf den Standpunkt, nach der Konzeption des Gesetzes sei der Abschluss einer Gebührenvereinbarung gemäß § 34 I 1 RVG die Regel, die Abrechnung der Vergütung nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts und die Abrechnung der für den Verbraucher geltenden Gebühren gemäß § 34 I 3 RVG die Ausnahme. Die Konzeption des Gesetzes ist die eine Sache, die Realität die andere. Erfahrungsgemäß dürfte es doch äußerst schwerfallen, bei einem Verbraucher den Abschluss einer Gebührenvereinbarung bei einer Beratung in der Größenordnung durchzusetzen, die den Werten einer Geschäftsgebühr zumindest ansatzweise ähnelt.

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2 Kommentare

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Eine Beratung ist eine Beratung, also eine Aufnahme der Sachlage und Erörterung der Rechtslage, die mit einem rechtlichen Rat endet, und erfolgt in der Regel boß mündlich, wobei dies selten mehr als eine Stunde in Anspruch nimmt. In unserem Gerichtsbezirk sind im Strafrecht und im Erbrecht Stundenhonorare zwischen 150.- und 450.- Euro netto üblich. Der schriftliche Entwurf und die Ausarbeitung eines konkreten Erbvertrages oder eines für den konreten Einzelfall passenden gemeinschaftlichen Ehegattentestamtes geht über eine bloße (mündliche) Beratung hinaus. Nur bei denjenigen Kollegen, die sich kaum mit dem konkreten Einzelfall auseindersetzen, oder die einen sehr einfach gelagterten Fall haben (einfach gelagerte Fälle werden im Erbrecht jedoch zunehmend seltener), erscheint es vertretbar, ihnen eine Geschäftsgebühr zu versagen. 

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Soweit eine Beratung eine Beratung ist, bin ich voll bei Ihnen, aber auch hier kann man schon eine Vergütungsvereinbarung treffen. diese muss sich auch nicht zwingend an einem Stundenhonorar festhalten, sondern kann auch die Brücke zu der Geschäftsgebühr mit einem variablen Gebührensatz schlagen.

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