Ergänzung des AGG um das Merkmal der „Elternschaft“?

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 18.05.2021
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|2824 Aufrufe

Der Katalog der verpönten Merkmale in § 1 AGG ist abschließend; an Merkmale, die dort nicht genannt werden, kann also angeknüpft werden, ohne dass rechtliche Konsequenzen nach dem AGG zu befürchten sind. Das AGG dient der Umsetzung europäischer Antidiskriminierungs-Richtlinien, die exakt diese Merkmale benennen. Der nationale Gesetzgeber wäre indes nicht gehindert, den Katalog des § 1 AGG durch weitere Merkmale zu ergänzen, so wie es übrigens auch in § 75 Abs. 2 BetrVG geschehen ist. Die Liste der diskriminierungsrelevanten Merkmale ist keineswegs in Stein gemeißelt.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang eine Initiative #proparents (link: https://www.openpetition.de/petition/online/proparents-brigitte-und-elte...), die sich für Aufnahme des Merkmals „Elternschaft“ in das AGG einsetzt und hierzu eine Online-Petition gestartet hat. Immerhin haben sich bereits über 32.000 Unterstützer eingetragen. Bundestag und den Bundesrat werden dazu aufgerufen, das Diskriminierungsmerkmal „Elternschaft“ in § 1 des AGG aufzunehmen bzw. eine Ergänzung des AGG auf den Weg zu bringen – z.B. nach dem österreichischen Vorbild, wonach in der Arbeitswelt niemand „Auf Grund des Geschlechtes, insbesondere unter Bezugnahme auf den Familienstand oder den Umstand, ob jemand Kinder hat, unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden darf" (§ 4 GlBG).

Ich zitiere auszugsweise aus der Begründung: „Die Wertschätzung, die Eltern aufgrund dieser tragenden, verantwortungsvollen und vielschichtigen Rolle zukommen muss, spiegelt sich jedoch nicht in den aktuellen gesetzlichen Rahmenbedingungen wider, insbesondere im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. (…) Kündigungen am ersten Tag nach der Elternzeit, kein gleichwertiger Arbeitsplatz und weniger Gehalt beim Wiedereinstieg, abwertende Bemerkungen von Vorgesetzten bei Fehlzeiten aufgrund eines kranken Kindes - diese Fälle sind keine Seltenheit, sondern alltägliche Lebensrealität. Untermauert wird dies von wissenschaftlichen Studien, die zeigen, dass Eltern, insbesondere Mütter, bei der Ausübung von Erwerbstätigkeit erheblich benachteiligt werden. Die Rechte erwerbstätiger Eltern werden insbesondere im Mutterschutzgesetz (MuSchG) und im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) geregelt. Diese Gesetze beinhalten jedoch keinen allgemeinen, langfristigen und konkreten Schutz vor Benachteiligungen. So bezieht sich das MuSchG beispielsweise nur auf den Zeitraum Schwangerschaft und Stillzeit. Das BEEG regelt zwar den Zeitraum Elternzeit – jedoch hauptsächlich Rahmenbedingungen, wie z.B. Elternzeit-Anmeldung und Fristen. Benachteiligungen während der Elternzeit stehen nicht im Vordergrund und die hochsensible Phase des Wiedereinstiegs wird vollends ausgeklammert. Ein allgemeiner Schutz, ausgestaltet als “Allgemeinklausel“, die jegliche Benachteiligungen von Müttern und Vätern im Job verhindert und sanktioniert, fehlt. Diese Aufgabe hat eigentlich das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Es schützt Eltern in seiner aktuellen Fassung jedoch nicht vor Benachteiligungen, da diese lediglich über das Merkmal „Geschlecht“ abgebildet werden. Dies ist nicht mehr zeitgemäß. Handlungen, wie z.B. die Inanspruchnahme von Elternzeit, die sowohl Mütter, als auch Vätern betreffen und somit “geschlechtsneutral“ sind, werden nur über mittelbare Diskriminierungen erfasst, deren Feststellung mit vielen rechtlichen Unsicherheiten verbunden ist und bei Vätern nicht greift. Gerade die Väter, die Elternzeit sowohl als auch Teilzeit beantragen und so einen Beitrag zu einer gerechteren Verteilung von Sorgearbeit leisten, müssen in den gesetzlichen Schutz einbezogen werden. Die Aufnahme des Merkmals „Elternschaft“ und ein klarer gesetzlicher Schutzauftrag würde zudem dazu beitragen, dass sich Unternehmen familienfreundlich ausgestalten und Vorgesetzte, Betriebrät:innen und Gleichstellungsbeauftragte bei der Umsetzung familienfreundlicher Maßnahmen stützen.“

 

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