Bundestag beschließt FüPoG II mit neuen Vorschriften zu #Stayonboard

von Dr. Cornelius Wilk, veröffentlicht am 15.06.2021

Der Bundestag hat am 11. Juni 2021 auf Basis einer Beschlussempfehlung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BT-Drs. 19/30514) das Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (FüPoG II) beschlossen. Zentrales Anliegen des Vorhabens in Bezug auf Unternehmen der Privatwirtschaft bleibt die Einführung einer Mindestbeteiligung von Frauen in Vorständen von Aktiengesellschaften, die über mehr als drei Vorstandsmitglieder verfügen und sowohl börsennotiert als auch paritätisch mitbestimmt sind. Gegenüber dem Entwurf der Bundesregierung vom 6. Januar 2021 (hierzu mein Beitrag vom 8. Januar 2021) ergeben sich verschiedene Änderungen.

Neu: Vorübergehender Widerruf der Bestellung auf Antrag eines Vorstandsmitglieds

Im Vergleich zum Regierungsentwurf neu hinzu gekommen ist ein Recht von Vorstandsmitgliedern, den Aufsichtsrat um Widerruf der Bestellung zu ersuchen, wenn das betreffende Vorstandsmitglied wegen Mutterschutz, Elternzeit, Krankheit oder Pflege eines Familienangehörigen seinen Pflichten vorübergehend nicht nachkommen kann (§ 84 Abs. 3 AktG-E). Im Fall des Mutterschutzes muss der Aufsichtsrat dem Verlangen entsprechen und eine Wiederbestellung nach Ablauf der Schutzfristen aus § 3 Abs. 1, 2 MuSchG zusichern. In allen anderen Fällen kann das Vorstandsmitglied verlangen, dass ihm eine Wiederbestellung nach einem Zeitraum von bis zu drei Monaten zugesichert wird; der Aufsichtsrat darf dies (nur) aus wichtigem Grund verweigern. Richtet sich das Verlangen auf einen längeren Zeitraum, so liegt die Entscheidung im Ermessen des Aufsichtsrats; absolute Obergrenze sind zwölf Monate. Das ursprüngliche Ende der Amtszeit gilt auch für das Amtszeitende nach Wiederbestellung. Soweit der Vorstand aus mindestens zwei Personen (§ 76 Abs. 1 S. 2 AktG) bzw. aus mindestens einem Mann und einer Frau (§ 76 Abs. 3a, § 393a Abs. 2 Nr. 1 AktG-E) zu bestehen hat, zählt das vom zeitweisen Widerruf betroffene Vorstandsmitglied mit.

Die Neuregelung soll unabhängig davon gelten, ob die AG bzw. SE börsennotiert oder mitbestimmt ist, allerdings nur soweit der Vorstand aus mehreren Personen besteht. Für GmbH-Geschäftsführerinnen und -Geschäftsführer sowie für geschäftsführende Direktorinnen und Direktoren einer monistischen SE sind Parallelregelungen vorgesehen (§ 38 Abs. 3 GmbHG-E, § 40 Abs. 6 SEAG-E), nicht dagegen für Aufsichtsrats- und SE-Verwaltungsratsmitglieder.

Der Bundestag nimmt mit der Neuregelung die außerparlamentarische Initiative #Stayonboard auf, für die sich bereits der Bundesrat stark gemacht hatte.

Neue Öffnungsklauseln für Gesellschaften mit Landes-Mehrheitsbeteiligung

Für Gesellschaften mit Bund-Mehrheitsbeteiligung sind unverändert besonders strikte Vorgaben in Bezug auf den Frauenanteil in Geschäftsleitungs- und Überwachungsorganen vorgesehen (§ 393a AktG-E, § 52a SEAG-E, § 77a GmbHG-E). Hinzu kommen nun auch Öffnungsklauseln, mit denen die Vorgaben per Landesgesetz auf entsprechende Mehrheitsbeteiligungen eines Bundeslandes erstreckt werden können.

Neue Vorgabe für selbst gesetzte Zielgrößen

Eine leichte Anpassung ist bei den Vorgaben für solche Unternehmen vorgesehen, die gesetzlich aufgerufen sind, sich selbst Zielgrößen für den Frauenanteil zu setzen. Geplant war hier bislang die Einführung einer zwingenden Doppelangabe, also die Festsetzung der Zielgröße sowohl als Prozentwert als auch in Form einer absoluten Anzahl von Frauen (§ 76 Abs. 4, § 111 Abs. 5 AktG-E, §§ 36, 52 Abs. 2 GmbHG-E). Die jetzt enthaltene Formulierung ist offener („beschreiben“) und verlangt, dass Prozentangaben vollen Personenzahlen entsprechen.

Verlängerte Übergangsfrist für Mindestbeteiligung

Schließlich wird der Übergangszeitraum zwischen Inkrafttreten und Anwendungsbeginn der neuen Mindestbeteiligungsregeln von rund acht auf zwölf Monate verlängert. Erst bei Neubestellungen nach Ablauf dieses Zeitraums ist die Mindestbeteiligung zu beachten.

Nächste Schritte

Der Bundesrat wird voraussichtlich am 25. Juni 2021 abschließend über das Vorhaben beraten.

 

 

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2 Kommentare

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Kann man die Quote auch erfüllen durch Handhabung nach dem TSG oder § 45 b PStG?  Wahrscheinlich ist das ganzeGesetz aber verfassungswidrig, da es ja binär denkt, jedoch "y", "d" und solchen Spökes außer Betracht lässt.

Abweichungen vom TSG sind nicht vorgesehen, warum auch? § 45b PStG ist unerheblich, weil das FüPoG II (jedenfalls in Bezug auf die Privatwirtschaft) nur Männer- und Frauenanteile regelt und nicht Personen außerhalb dieser Kategorien erfasst. Einfach mal lesen den Spökes.

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