LAG Nürnberg: Kündigung wegen Ablehnung von Kurzarbeit

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 21.07.2021
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|2253 Aufrufe

Rechtsfragen der Kurzarbeit beschäftigten derzeit viele Betriebe und zunehmend auch die Arbeitsgerichte. Klar ist, dass Kurzarbeit nicht einseitig vom Arbeitgeber eingeführt werden kann, sondern es einer entsprechenden Vereinbarung bedarf. Diese wird im Regelfall in Form einer Betriebsvereinbarung geschlossen. Ein entsprechendes Recht des Arbeitgebers kann auch im Arbeitsvertrag verankert werden. Ansonsten kommen nur entsprechende Änderungsvereinbarungen mit allen Arbeitnehmern in Betracht. Erweist sich dieser Weg als nicht gangbar, kann noch eine Änderungskündigung in Betracht gezogen werden. So lag der Fall in einer vor kurzem vom LAG Nürnberg (Urteil vom 18.03.2021 – 4 Sa 413/20, BeckRS 2021, 14336) ergangenen Entscheidung. Die Klägerin war seit 15.10.2012 für die Beklagte in deren Friseurbetrieb, einem Kleinbetrieb, auf den das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet, zu einem monatlichen Bruttolohn in Höhe von durchschnittlich 985,71 € tätig. Am 21.03.2020 wurde der Betrieb coronabedingt aufgrund behördlicher Verfügung vorübergehend geschlossen.

Die Beklagte versuchte daraufhin, die Klägerin zu einer Vereinbarung über die Einführung von Kurzarbeit zu bewegen. Nachdem dies scheitere, weil die Klägerin die damit verbundene Lohneinbuße nicht hinnehmen wollte, erhielt sie im März 2020 zwei Kündigungsschreiben. Hiergegen erhob sie Kündigungsschutzklage.

Die Klägerin wandte insbesondere ein, die Kündigung würde gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB verstoßen. Hiernach darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.

Das LAG hat wie bereits die Vorinstanz die Klage abgewiesen und insbesondere ausgeführt:

"Wie bereits das Arbeitsgericht ausgeführt hat, kann die auf die Ablehnung eines Änderungsangebotes gestützte Kündigung vor dem Hintergrund, dass -wie § 2 KSchG zeigt - eine Beendigungskündigung wegen der Ablehnung eines Änderungsangebotes sogar sozial gerechtfertigt sein kann, nicht schlechthin eine Maßregelung im Sinne des § 612a BGB sein. Dies kann nur unter besonderen Voraussetzungen gelten. Die Abgabe eines Änderungsangebotes durch den Arbeitgeber ist ebenso wie die Ablehnung dieses Angebotes durch den Arbeitnehmer Ausdruck der durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten Vertragsfreiheit."

Ferner hebt das LAG hervor, dass ein Vergütungsverlust bei Kurzarbeit hinzunehmen ist:

„Die Klägerin verkennt, dass es legitimes Ziel der Einführung von Kurzarbeit ist, bei Arbeitsausfall gerade dem Annahmeverzugs- und Betriebsrisiko des Arbeitgebers zum Zwecke des Erhalts der Arbeitsplätze zu begegnen. Mit der Einführung von Kurzarbeit soll verhindert werden, dass der Arbeitgeber den Arbeitsausfall und das ihn ggf. vergütungsrechtlich nach Maßgabe des § 615 BGB treffende Annahmeverzugs- und Betriebsrisiko zum Anlass nimmt bzw. nehmen muss, sich von Mitarbeitern zu trennen. (….)  Die wirksame Vereinbarung von Kurzarbeit hat also zur Folge, dass die regelmäßige Arbeitszeit des Arbeitnehmers im Umfang der vereinbarten Kurzarbeit vorübergehend verkürzt wird. In diesem Umfang tritt weder Annahmeverzug ein noch trägt der Arbeitgeber insoweit das Risiko des Arbeitsausfalls nach § 615 S. 3 BGB. Der Arbeitnehmer behält den Lohnanspruch (nur) in Höhe des Kurzarbeitergelds. Bestehen - wie vorliegend - keine entsprechenden kollektivrechtlichen Vorgaben, ist der Arbeitgeber grundsätzlich frei in seiner Entscheidung, ob er den Arbeitnehmern einen Zuschlag zum Kurzarbeitergeld zahlt. Individualrechtlich kommt daher ein Anspruch auf Erhöhung des gesetzlichen Kurzarbeitergeldes nur in Betracht, wenn der Arbeitgeber freiwillig entsprechende Zusagen gemacht hat, etwa in der Form der Gesamtzusage oder der echten Individualzusage.“

 

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