LG München I: Beschlussmangel wegen eingeschränkten Fragerechts in virtueller Hauptversammlung

von Dr. Cornelius Wilk, veröffentlicht am 11.08.2022

Das LG München I hat mit Urteil vom 9. Juni 2022 (5 HK O 3712/21; BeckRS 2022, 17763) entschieden, dass das Fragerecht der Aktionäre verletzt werden kann, wenn die Frage-Einreichungsfrist nach dem COVMG mit einem Hinterlegungserfordernis kombiniert wird.

Squeeze-Out-Hauptversammlung mit Hinterlegungserfordernis

Die Entscheidung betrifft eine virtuelle Hauptversammlung vom 19. Februar 2021. Einziger Tagesordnungspunkte war die Zustimmung zu einem Squeeze-Out, dessen Vollzug zwischenzeitlich freigegeben wurde (OLG München, 28. Juli 2021, 7 AktG 4/21; hierzu mein Beitrag vom 1. Oktober 2021). Nach den in der Einberufung erläuterten und insoweit auf der Satzung beruhenden Teilnahmebedingungen mussten Aktionäre zur Teilnahme ihre Aktien vorab hinterlegen und den Hinterlegungsnachweis bis zum 16. Februar bei der Gesellschaft einreichen. An alle derart legitimierten und angemeldeten Aktionäre sollten dann Zugangsdaten für das Aktionärsportal der Gesellschaft übermittelt werden. Weiter waren die Aktionäre nach der Einberufung gehalten, Fragen ebenfalls bis zum 16. Februar vorab über das Aktionärsportal einzureichen. Gestützt wurde dies auf § 1 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 COVMG aF. Danach konnte der Vorstand vorgeben, dass Fragen bis spätestens zwei Tage vor der Versammlung im Wege elektronischer Kommunikation einzureichen sind.

Verknüpfung zwischen Hinterlegung und Frageneinreichung verletzt Fragerecht

In ihrer Entscheidung bejaht die Kammer die Anfechtbarkeit des Squeeze-Out-Beschlusses. Die Verknüpfung des Fragerechts mit der Hinterlegung der Aktien und daran anknüpfend mit dem Versand der Zugangsdaten führe zu einer gesetzeswidrigen Verkürzung des Fragerechts aus § 131 AktG. Die Verknüpfung führe dazu, dass ein Aktionär die Frage-Einreichungsfrist nicht voll ausschöpfen könne. Er müsse nämlich abwarten, bis er seine Zugangsdaten erhalte. Dauere dies bis kurz vor 24.00 Uhr am 16. Februar, könne dies nicht mehr ausreichen, um die Fragen fristgerecht einzureichen. Es müsse möglich sein, so die Kammer mit Verweis auf höchstrichterliche Grundsätze, dass eine gesetzte Frist auch vollumfänglich ausgeschöpft werden könne; Fristen seien auch Überlegungsfristen.

COVMG-Anfechtungsausschluss greift nicht

Die Anfechtbarkeit sei nicht nach § 1 Abs. 7 COVMG ausgeschlossen. Danach kann die Anfechtung eines Beschlusses u. a. nicht auf die Verletzung von § 1 Abs. 2 COVMG gestützt werden. Vorliegend, so die Kammer, seien schon die Voraussetzungen der Vorschrift nicht erfüllt, „weil sich dieser Verstoß auch auf die Teilnahmebedingungen im Übrigen zumindest mittelbar auswirk[e].“ Dann aber handele es sich zumindest auch um einen Inhaltsfehler der Einberufung, der von § 1 Abs. 7 COVMG nicht erfasst sei.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen